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Neue CD mit Werken von Maria Theresia Paradis bei Berlin Classics erschienen

24.04.2025 | cd
Neue CD mit Werken von Maria Theresia Paradis bei Berlin Classics/ 
 
Empfindsame Melodik
Die Komponistin Maria Theresia Paradis – Hörgeschichte für Kinder - YouTube
 

„Doch wer, wie du, den stillen, heitern Himmel im Herzen trägt, der siehet hell, der ist beglückt.“ Dies sagte Jakob Glatz über die Komponistin Maria Theresia Paradis. Bei diesem neuen Album mit der versierten Pianistin Ragna Schirmer und der Hofkapelle München unter der einfühlsamen Leitung von Rüdiger Lotter lernt man diese faszinierende Musikerin neu kennen. Sie war eine wichtige Pädagogin des 18. Jahrhunderts, die trotz ihrer Erblindung im Kindesalter einen festen Platz im Musikleben eroberte. Sie wurde im Jahre 1759 in Wien geboren. Und sie war auch als Sängerin tätig und beeindruckte das Publikum aufgrund ihrer musikalischen Begabung. Paradis entwickelte innovative Lehrmethoden für Blinde, die später von Louis Braille weitergeführt wurden. Sie kannte außerdem Wolfgang Amadeus Mozart und Joseph Haydn, die Werke für sie schrieben. Ihr Einfluss auf die Entwicklung der Tasteninstrumente war enorm.

Auf dieser CD erklingen zwei Werke von Maria Theresia Paradis: Die geradezu stürmisch musizierte Ouvertüre „Der Schulkandidat“ sowie die Fantasie in G-Dur für Klavier. Maria Theresia Paradis erhielt sogar ein kaiserliches Stipendium von Kaiserin Maria Theresia. „Der Schulkandidat“ imponiert jedenfalls aufgrund seines thematischen Reichtums, der imposanten Keimzellenentwicklung der einzelnen Motive und der erstaunlichen kontrapunktischen Satzkünste, die wie Leuchtfeuer hervorblitzen. Die Hofkapelle München interpretiert dieses kleine Meisterwerk unter Rüdiger Lotter mit Leidenschaft und unbändigem Temperament. Der lebhafte Tremolo-Charakter zeigt sich in vielen Facetten. Die G-Dur-Fantasie von Paradis bezieht sich im Mittelteil auf ein Andante von Abbe Georg Joseph Vogler. Ragna Schirmer spielt hier auf einem Flügel von Joseph Böhm, der über eine eingebaute Orgel verfügt und einen großen Resonanzraum besitzt. Figurative Satzkünste, Arabesken und Girlanden sowie rasante Läufe vereinigen sich dabei zu einem fesselnden Klangkosmos. Auch beim Klavierkonzert in G-Dur Nr. 4 Hob. XVIII:4 von Joseph Haydn erweist sich Ragna Schirmer als eine Meisterin ihres Fachs. Das virtuose Musizieren steht hier jedenfalls immer im Zentrum, was auch die durchsichtig begleitende Hofkapelle München unter Lotter unter Beweis stellt. Arpeggienfiguren und brillierende Dreiklangs- und Skalenzerlegungen sprudeln nur so hervor, reissen den Hörer unmittelbar mit. Empfindsame Melodik steht immer im Zentrum. Drängende Leidenschaft fehlt auch hier nicht. Beim Klavierkonzert in B-Dur KV 456 von Wolfgang Amadeus Mozart ist Ragna Schirmer dann ganz in ihrem Element. Dieses Konzert nimmt ebensoviel Rücksicht auf die Virtuosin Maria Theresia Paradis (für die es Mozart im Jahre 1784 tatsächlich schrieb) wie auf das Pariser Publikum, vor dem sie es spielte, ohne dass Mozart sich auch nur im geringsten etwas vergeben hätte. Die Kostbarkeiten der klanglichen und thematischen Erfindung überzeugen gerade  bei dieser gelungenen Aufnahme trotz mancher Oberflächlichkeit. Pittoreske Effekte und der Zauber der buffonesken Ecksätze werden hier jedenfalls nicht übertrieben. Der Marschrhythmus des Beginns prägt sich tief ein. Und die Hofkapelle München unter Rüdiger Lotter begleitet Ragna Schirmer sehr dezent. Eine geheimnisvolle Akkordverbindung wirft dann einen unheimlichen Schatten auf das Geschehen. Im zweiten Satz breiten sich die Schatten eindrucksvoll aus, dynamische Stimmungskontraste verschärfen sich.  Der g-Moll-Satz „Andante un poco sostenuto“ ist eine faszinierende Variationenfolge, die Ragna Schirmer glanzvoll auskostet. Das Thema  imponiert hier aufgrund seiner dramatischen Spannungen. Heftige Oktaven-Motive und der Widerstreit polyphoner Stimmungen führen zu einem berührenden Höhepunkt. Das Finale gefällt als lebhaft gestaltetes Rondo im rasanten Sechsachteltakt mit einer h-Moll-Episode, die zu einer bewegenden Klangfarbenmischung führt.

Das Geheimnis des poetischen Gehalts geht nicht unter. Hier hört man Mozart neu. Maria Theresia Paradis starb im Jahre 1824 übrigens verarmt, hinterließ jedoch ein beeindruckendes Erbe als Pionierin der Blindenpädagogik.

 
Alexander Walther

 

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