Neue CD „Influences“ von Mariam Batsashvili (Klavier) bei Warner Classics erschienen
Tiefe des Ausdrucks

Die georgische Pianistin Mariam Batsashvili ist stark von Franz Liszt beeinflusst worden. Ihr neues Album „Influences“ beweist dies mit einer mitreissend-feurigen Aufnahme von „Apres une lecture de Dante: Fantasia quasi Sonata“ aus dem zweiten Band der „Annees de pelerinage“ (Italien). Neben den explosiven Ausbrüchen beeindrucken hier vor allem die Episoden lyrischen Zaubers und reizvoller dynamischer Kontraste, die sich tief einprägen. Dass es sich hier um eine Art sinfonischer Dichtung für Klavier handelt, macht die Pianistin sehr überzeugend deutlich. Orchestrale Klangvorstellungen triumphieren dabei immer wieder, die Klangfarben besitzen schillernden Fluss. Die Glut der visionären Schilderung des Infernos und der Qual der Verdammten begnügt sich nicht mit al-fresco-Malerei. Und die Konturen der Sonatenform werden nicht verwischt. Der in Tritonus-Intervallen herabsteigende Ruf des Höllenrichters und das chromatisch kreisende Motiv der gepeinigten Seelen gehen unter die Haut. Der hymnische Glanz des Chorals und die rasanten Oktavendeklamationen beleuchten bei dieser Interpretation aber auch die große geistige Tiefe und Eindringlichkeit dieser Musik, die zu einem wilden Gemälde höllischer Schrecken heranwächst. In höchster Leidenschaft meldet sich dann das Synkopenmotiv, das die Seufzer verzerrt beschreibt. Wuchtig erklingt die Coda, bis sich das Höllentor schließt. Für Mariam Batsashvili ist es ein spirituelles Werk, das ganz unmittelbar zum Hörer spricht. In Kontrast hierzu besitzt die sphärenhaft-leichte Wiedergabe der Klaviersonate in D Hob: XVI:37 von Joseph Haydn ebenfalls leuchtkräftiges Gewicht. Reizvolle Figurationen, ein erhaben-ernster Largo-Mittelsatz in d-Moll sowie ein zwischen Moll und Dur hin- und herschwankendes Presto-Finale runden diese ausdrucksstarke Interpretation ab. Weitgehend überzeugend gelingt Mariam Batsashvili auch die Klaviersonate Nr. 18 in D KV 576 „The Hunt“ von Wolfgang Amadeus Mozart. Der galante und polyphone Stil gerät hier nicht aus dem Gleichgewicht. Der Dualismus der Kräfte kann sich immer wieder in facettenreicher Weise behaupten. Die graziöse Trillerfigur unterstreicht die thematische Intensität. Das kontrapunktische Raffinement wird bis zur Dreiklangsfigur der Schlusstakte konsequent durchgehalten, gerät nicht aus dem Gleichgewicht. Und die kantable Melodie des A-Dur-Adagios mit seiner geheimnisvollen fis-Moll-Episode fesselt mit zahlreichen Klangkontrasten. Auch das Rondo-Thema fasziniert mit kontrapunktischen Motivpartikeln, die sich wie ein Mosaik zusammenfügen. Neben der Dante-Fantasie von Liszt gerät die ausgefeilte Interpretation von Ludwig van Beethovens Klaviersonate Nr. 23 in f-Moll op. 57 „Appassionata“ zu einem weiteren Höhepunkt dieser interessanten Einspielung. Leidenschaftliche Erregungen und romantische Dunkelheit werden hier genau beleuchtet, dämonische Größe ragt aus dunklen Tiefen empor, spricht den Hörer ganz unmittelbar an. Magisch unterstreicht Mariam Batsashvili die Kunst des Anhebens bis zum fahlen Spaltklang des Unisono im Abstand von zwei Oktaven. Da erinnert man sich manchmal an Wilhelm Kempff. Auch das Verklingen des Themas beschwört die Pianistin mit höchster Konzentration. Wenn es sich in Ges-Dur wieder meldet, besitzt es das Geheimnis der Erinnerung. Die Trillerfigur sinkt nach f-Moll zurück – das verschwebende Ritardando wird nicht übertrieben dargestellt. Wogende As-Dur-Harmonien unterstreichen hierbei den schwebend-sphärenhaften Charakter. Auch die feierliche Geisterprozession des zweiten Des-Dur-Satzes besitzt bei dieser Interpretation eine unaussprechliche Magie, deren Klangflächen in immer höheren Regionen erklingen. Und der Wirbel der grandiosen Sechzehntelbewegung im Finale besitzt klare Strukturen, gerät zum Glück nicht zu einem Taumel besinnungsloser Raserei. Und die Presto-Coda gerät hier wirklich zu einem Höhepunkt dieser Einspielung, die sich aufgrund ihrer geistigen Durchdringung auszeichnet. Das scharf rhythmisierte Achtel-Staccato heizt den katastrophalen Absturz der Sechzehntelbewegung in furioser Weise an. Empfehlenswert.
Alexander Walther