Neue CD: „Ground – Toccatas & Ambients“ mit Tamar Halperin bei Neue Meister /
Menschlichkeit als verbindender Faden
Man könne sagen, dass unsere gemeinsame Menschlichkeit der verbindende Faden sei. Unsere Menschlichkeit sei der Grund, so die israelische Pianistin und Cembalistin Tamar Halperin, die jetzt mit ihrem Ehemann Andreas Scholl (Countertenor) in Hessen lebt. In dieser metaphorischen großen Struktur existiere keine Melodie für sich allein. Ihre Vielseitigkeit als Tastenvirtuosin spiegelt sich eindringlich in der klangtechnisch interessanten neuen CD „Ground“. Tamar Halperin setzt hier Werke alter Meister wie Bach, Frescobaldi und Buxtehude in Bezug zu Werken der Zeitgenossen wie Craig Armstrong, Michael Wollny und Francesco Tristano. Insgesamt vier eigene Kompositionen von Tamar Halperin werden auf diesem neuen Album ebenfalls vorgestellt. „Baustelle #1, 2, 3 & 4“ spielen mit Kernelementen Johann Sebastian Bachs. Metrum, Rhythmus oder Form werden beibehalten, während Bachs vertraute Melodien mit Dissonanzen und plötzlichen Wendungen angereichert werden. Die Reihe ihrer Eigenkompositionen werden von zwei Werken unterbrochen, die den alten Meistern zuzuordnen sind. Dietrich Buxtehudes „Canzonetta BuxWV 225“ wird von Tamar Halperin mit dem Synthesizer gespielt, obwohl sie eigentlich für Kirchenorgel komponiert wurde. Obgleich dies sicherlich unkonventionell ist, macht man dabei doch erstaunliche Klangerfahrungen. Regellosigkeit und Erfindungskraft stehen hier jedenfalls dicht beieinander und entzünden viele Inspirationen. Kontrapunktischer Zauber beherrscht außerdem die „Toccata Prima“ von Girolamo Frescobaldi, dessen Experimentierfreude und akustische Reize bei dieser Aufnahme bestechen! Zuströmende Einflüsse werden dabei in erfrischender Weise zusammengefasst. Die Ersteinspielungen sind bei dieser Aufnahme ebenfalls interessant. „In Daylight Variation“ des schottischen Filmkomponisten Craig Armstrong gehört zu den melodischen Schmuckstücken. Tamar Halperin hat es mit dem Synthesizer-Künstler Guy Sternberg für Klavier, Rhodes Piano und Synthesizer instrumentiert. Auch „Forgotten Song“ des israelischen Jazzpianisten und Komponisten Omar Klein fesselt aufgrund des thematischen Reichtums. Und der Titelsong „Ground“ des israelischen Mega-Popstars und Singer-Songwriters Idan Raichel besticht aufgrund einer sich wiederholenden Basslinie, die an einen Basso Ostinato erinnert. Barocke Assoziationen ergeben sich von selbst. Und auch die rhythmische Akkordik blitzt in elektrisierender Weise hervor. Das zweite Thema des durchaus hörenswerten Albums ist „Freundschaft“. Diese gilt für die Verbundenheit mit den alten Meistern, aber auch für die Zuwendung und Bewunderung für die lebenden Komponisten. Deswegen ist diese CD vor allem für die Freunde der zeitgenössischen Musik zu empfehlen.
Alexander Walther