Neue CD: Franz Liszt „Eine Faust-Symphonie“ mit der Staatskapelle Weimar bei audite
POETISIERUNG DER FORM
Neue CD mit Franz Liszts „Faust-Symphonie“ bei audite/
Von 1854 bis 1857 schrieb Franz Liszt an der Faust-Symphonie, die deutlich eine Poetisierung der Form zeigt und eigentlich ein Denkmal für Goethe und Weimar darstellt. Unter der Leitung von Kirill Karabits musiziert hier die Staatskapelle Weimar. Dabei werden diese „drei Charakterbilder“ mit den Figuren Faust, Gretchen und Mephisto plastisch deutlich. Es handelt sich dabei weder um eine reine Sonaten- noch eine Rondoform. Den grüblerischen Beginn, Lento assai, arbeitet Karabits mit dem Orchester akribisch heraus. Suchend erscheint das erste der vier Faust-Themen. Leidenschaftlich aufstrebend schließt sich ein energisch musiziertes Thema an. Und aus geheimnisvollem Sehnen drängt sich das Liebesthema vor. Fausts Tatendrang wird bei dieser Wiedergabe ebenfalls sehr genau gezeichnet. Noch besser gelingen die inneren Gegensätze, die dann im durchführungsartigen Teil gegeneinander ausgespielt werden. Der zweite Satz ist Gretchen gewidmet (Andante soave). Das Oboenthema mit der ausdrucksvollen Bratschenbegleitung gelingt der Staatskapelle Weimar eindringlich, das sensible Geigenthema beschreibt Gretchens Charakter eindrucksvoll. Fausts Themen verschmelzen mit dem Gretchenthema intensiv. Das sphärenaft und verklärt entschwebende Bild Gretchens ist deutlich herauszuhören. Im diabolischen Scherzo, Allegro vivace ironico, gewinnt die Interpretation von Kirill Karabits nochmals deutlich an Fahrt und Tempo. Drastische Tonmalereien zeichnen ein schillerndes Bild von Mephisto, der sich in tausend Figuren aufzuspalten scheint. Da blitzt und flackert es unentwegt im Orchester. Frivol werden alle Faust-Themen karikiert – und auch die Liebesmelodie mutiert zu einer bösartigen Fuge. Gretchens Melodie bleibt davon unberührt. Die Staatskapelle Weimar zeichnet sie unter Karabits leuchtkräftig-sphärenhaft nach. Mystische Klänge in Orgel und Streichern gestalten dann die vom Männerchor gesungene Verkündigung „Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis“, wobei die Herren des Opernchores des Deutschen Nationaltheaters Weimar und die Herren des Landesjugenchores Thüringen besonderes Format gewinnen. Man spürt ganz entfernt eine Harmonik, die dann später in Gustav Mahlers achter Sinfonie im „Faust“-Teil noch erheblich gesteigert wird. In den machtvollen Klängen der Schlussakkorde beweist die Staatskapelle Weimar nochmals ihren Klangfarbenreichtum. Und der Tenor Airam Hernandez stimmt mit dem Chor die letzten Verse des zweiten Teils von Goethes „Faust“ fast geheimnisvoll an. Eine Entdeckung ist ferner der dritte „Mephisto-Walzer“ S216 von Franz Liszt in der subtilen Bearbeitung von Alfred Reisenauer, obwohl die Virtuosität der Klavierfassung natürlich nicht erreicht wird. Rezitativische Phrasen und wirbelnde Rhythmen scheinen sich hier in einem atemlosen Orchester-Wettkampf zu befinden.
Alexander Walther