Schostakowitsch Cellokonzerte mit Marc Coppey bei audite
Eine ganz eigene Klangsprache
Neue CD: Cellokonzerte von Dimitri Schostakowitsch bei audite erschienen/
Schostakowitsch hat seine beiden Cellokonzerte als Einheit und zwei Realisierungen einer gemeinsamen Grundidee betrachtet. Er scheute keineswegs den Konflikt mit den sowjetischen Behörden, was man seiner unbeugsamen Musik auch anmerkt. Die volksnahe Neoromantik ist vor allem seinen späteren Werken anzumerken, weniger den beiden Cellokonzerten. Gerade diesen bemerkenswerten Aspekt arbeitet der französische Cellist Marc Coppey mit dem Polish National Radio Symphony Orchestra unter der inspirierenden Leitung von Lawrence Foster sehr präzis heraus. Die überlegene Beherrschung der Form und des polyphonen Satzes tritt überall zutage, dasselbe gilt für die virtuose Orchesterbehandlung. Bei dieser Aufnahme ergänzen sich Solist und Orchester in ausrucksvoller Weise. Dabei bleibt Tschaikowsky spürbar – und auch Gustav Mahler ist hinsichtlich der Al-fresco-Technik immer wieder deutlich herauszuhören. Gelegentlich erklingen auch Volksmusik-Reminiszenzen. Und trotzdem sind die beiden Cellokonzerte in jedem Fall gegensätzlich. Von Mstislaw Rostropowitsch wurde das erste Cellokonzert op. 107 im Jahre 1959 in Leningrad aus der Taufe gehoben. Neben dem Horn sind in der kleinen Orchesterbesetzung auch Pauke und Celesta vertreten. Hier erweist sich das Solohorn als geradezu aufregender Dialogpartner des Cellos, homogene Klanggruppen unterstreichen den harmonisch eher durchsichtigen Charakter dieses Werkes. Und Marc Coppey arbeitet die Klangfülle der Kantilenen eindringlich heraus. Den dritten Satz interpretieren Coppey und Foster sehr überschwänglich und ausgelassen – Foster bezeichnete ihn sogar als „Zirkusfinale“. Das zweite Cellokonzert op. 126 aus dem Jahre 1966 erhält mit Schlagzeug, Xylofon und zwei Harfen aufregende neue Klangfarben, denen sich Marc Coppey sehr gut anpasst. Das vom Tamburin begleitete Cellosolo interpretiert Marc Coppey facettenreich und dynamisch ausgewogen. Das zweite Konzert beginnt mit dem Intervall der „Seufzer-Sekunde“, Assoziationen zu Gustav Mahlers „Lied von der Erde“ sind nicht zu überhören, die Marc Coppey aber nicht aufdringlich betont. Die Kühnheiten der Harmonik treten bei diesem Cellospiel zwar offen zutage, aber es werden auch die romantischen Dimensionen nicht verleugnet. Das Cello spricht hier eine ganz eigene Klangsprache, die den Zuhörer unmittelbar berührt. Vielleicht ist es auch die Leidensfähigkeit, die bei dieser Musik zum Ausdruck kommt. Dies betrifft vor allem das zweite Konzert. Hier gelingt es dem Cellisten Marc Coppey zusammen mit dem Orchester, die modulatorische Kühnheit der Komposition dfferenziert zum Ausdruck zu bringen. Der Appell der beiden Hörner mit Trommelwirbel am Beginn des Finales ist für den Dirigenten Lawrence Foster ganz außergewöhnlich – und das folgende, vom Tamburin begleitete Cellosolo prägt sich deswegen tief ein. Coppey trifft den elegischen Celloton überzeugend.
Alexander Walther