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Neue CD: Bruckners erste Sinfonie mit dem Bruckner Orchester Linz bei Capriccio/

30.05.2024 | cd

Neue CD: Bruckners erste Sinfonie mit dem Bruckner Orchester Linz bei Capriccio/

bruv

 

Kompaktes klangbild

Die genetische Themenaufstellung sticht schon bei Anton Bruckners erster Sinfonie in c-Moll deutlich hervor, die hier mit dem Bruckner Orchester Linz unter der kompetenten Leitung von Markus Poschner in der Fassung aus dem Jahre 1891 sehr transparent erklingt. Das allmähliche Entstehen der Motive aus dem ungeordneten Nichts wird eindrucksvoll herausgearbeitet, auch das Drei-Themen-Prinzip kommt nicht zu kurz. Die Instrumente mit ihrem jähen Kontrast von Streichern und Bläsern bestechen mit facettenreicher Präzision – auch der Chor der Blechbläser erklingt voluminös. Besonders markant gelingt hier die weiche und fließende Themenverarbeitung. Die straffe musikalische Logik wird von Markus Poschner nicht übertrieben herausgestellt. Und der prägnante Rhythmus des ersten Satzes Allegro molto moderato fällt sofort auf. Aus klopfenden Bässen hebt es sich nuancenreich hervor. Bruckner selbst empfand es als burschikos und keck – deshalb nannte er diese Sinfonie das „Beserl“. Bei den erregten Steigerungen dieses Themas fällt der draufgängerische Trotz besonders auf, der sich immer mehr durchsetzt. Der lyrische Komplex des zweiten Themas wird ebenfalls überzeugend getroffen, es kommt zu einem schwärmerischen Auf und Ab der Geigenmelodie. In einem großartigen Übergang kündigt sich dann das dritte Thema an, dem Trompeten und Posaunen Wucht und Glanz verleihen. Die Durchführung zeigt die klanglichen Reize der anderen Themengruppen in verblüffender Weise. Schwermütig hebt das Adagio an, dem klagende Fragen folgen. Der dreistimmige Flötenchoral gelingt hier eindringlich, die zarte Klarinettenmelodie besitzt ebenfalls Intensität. Mit wogendem Rhythmus meldet sich der Gesang des Andante – und immer reicher wird das Gewebe der Gegenstimmen, während sich vom Bass das erste Thema behutsam meldet. Urwüchsig erklingt das  lebhafte Scherzo, dessen tanzfrohes Thema ausgelassen an Mozart und Schubert erinnert. Horn und Oboe gestalten erfrischend das  Trio, bevor die ländlich-derbe Heiterkeit des Scherzos wieder ausbricht. Am meisten überzeugt bei dieser Aufnahme das bewegte und feurige Finale. Das energiegeladene Spiel um den Oktavsprung besitzt erstaunliches Feuer. Motivbildungen scheinen unentwegt aus dem harmonischen Boden zu sprießen, der Oktavsprung wird nach unten gewendet und umgekehrt. Getreu dem Brucknerschen Sonatensatz behauptet sich das ruhige Gesangsthema sehr ausdrucksvoll. Die dritte Gruppe mit ihren „Lohengrin“-Anklängen gipfelt in einem mächtigen Bläserchoral. Eine sieghafte Aufhellung nach Dur erscheint triumphal, sie kündigt sich bei der Reprise bei der Wiederkehr des Kopfthemas an – und die große Coda erstrahlt majestätisch. Außerdem hat das Bruckner Orchester Linz unter Poschner noch das Scherzo aus dem Jahre 1865 eingespielt, das ursprünglich für die Erstfassung der ersten Sinfonie vorgesehen war. Bruckner nahm das Manuskript zur Uraufführung von Wagners „Tristan und Isolde“ nach München mit. Dieses Scherzo klingt noch nicht so energiegeladen und robust wie das spätere, lässt jedoch das Genie erkennen. Die Aufnahme ist insgesamt sehr zu empfehlen. 

Alexander Walther

 

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