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Neue CD: Beethoven-Klaviersonaten mit Moritz Winkelmann bei Berlin Classics/

22.05.2024 | cd

Beethoven-Klaviersonaten mit Moritz Winkelmann

Markante Kontraste

Neue CD: Beethoven-Klaviersonaten mit Moritz Winkelmann bei Berlin Classics/

wink

Der Stuttgarter Pianist Moritz Winkelmann hat eine große Leidenschaft für die Musik Ludwig van Beethovens entwickelt. Er möchte sämtliche Klaviersonaten bei Berlin Classics aufnehmen. Diese Begeisterung für Beethoven beruht bei Moritz Winkelmann auf seinem Lehrer Leon Fleischer, dessen pädagogische Erfahrungen bis auf Carl Czerny zurückgehen. Im Jahr 2015 wurde Winkelmann Preisträger beim berühmten Beethoven-Wettbewerb in Bonn. Für ihn ist Beethovens  Musik nicht nur eine Sammlung von Meisterwerken, sondern ein Spiegelbild humanistischer Ideale. „Ich höre das wir in seiner Musik“, betont Winkelmann. „Hier geht es um mehr – diese Musik ist ein ganz eigener Kosmos!“ Diesen Berg zu erklimmen, ja allein sich auf die Reise einzulassen, ermögliche ihm weiter in die Richtung zu wachsen, in die er wachsen wolle. Es sei eine Entscheidung, die ihm erlaube, sich auf das zu konzentrieren, was er am meisten liebe – und ihn gleichzeitig herausfordere, an seine Grenzen zu gehen. Sein Ziel war es, diese Stücke mit „sauberen“ Ohren anzugehen und sich von konventionellen Interpretationen zu lösen. Dies zeigt sich bei der vorliegenden Aufnahme vor allem bei der Klaviersonate Nr. 8 c-Moll op. 13 „Pathetique“, Nr. 21 in C-Dur op. 53 „Waldstein“ und Nr. 14 in cis-Moll op. 27/2 „Mondschein“. Da macht man neue Hörerfahrungen. Der tragische Impuls der „Pathetique“ mit ihren sinfonischen Dimensionen wird hier voll erfasst. Kräfte werden packend gebündelt, Themen wirkungsvoll zusammengeschweißt. Das Motiv mutiert eindringlich zur Klage, es wiederholt sich viermal immer eindringlicher auf höheren  Tonstufen, chromatische Akkorde drängen zielsicher in die Höhe, das Aufwärtsdrängen erreicht den Höhepunkt. Den Absturz gestaltet Winkelmann dann umso erschütternder. Dynamische Kontraste triumphieren, erreichen den Siedepunkt. Die Sechzehntelbegleitung steigert sich bis zum gewaltigen Fortissimo. Markant erklingt auch der pathetische Septimenfall von As nach H – der Allegro-Auftakt. Im Allegro bricht der Sturm richtig los, es folgt ein rasanter Aufstieg durch zwei Oktaven in scharfem Staccato. Sehr überzeugend gestaltet Moritz Winkelmann auch den undurchsichtigen Zauber der „Mondschein“-Sonate, die Beethoven angeblich der schönen 16jährigen Gräfin Giulietta Guicciardi widmete. Die Wirkung der unheimlichen dunklen Glockenschläge des Beginns ergibt sich aus einer vom Grundton zur Dominante absinkenden Basslinie, die an Passacaglia-Bässe erinnert. Die ruhige Oberstimme mit punktiert rhythmisiertem Auftakt klingt sphärenhaft, die Modulation von cis-Moll nach E-Dur verläuft geheimnisvoll-überirdisch. Das Scherzo in Des-Dur wirkt erfrischend und elektrisierend. Und der Presto-Schlusssatz erreicht wiederum einen Siedepunkt voll vulkanischer  Gewalt bis hin zu grell gestalteten neapolitanischen Sextakkorden. Auch die Interpretation der „Waldstein“-Sonate besticht hier aufgrund markanter dynamischer Kontraste und starker Energie. Das viertaktige Hauptthema des Kopfsatzes mit seinem pulsierenden Tonika-Dreiklang wiederholt sich energisch eine Tonstufe tiefer. Die mystische B-Dur-Wirkung erreicht einen unnachahmlichen Zauber. Die Entwicklung zur Coda erfolgt mit ihrer Trugschlusswendung nach Des-Dur dabei sehr konsequent. Auch die Spannung des kurzen Adagio-Satzes kommt nicht zu kurz. Die pathetisch-ausdrucksvolle Melodie nach dem strahlenden E-Dur gelingt eindrucksvoll. Heiter wirkt schließlich die Melodie des abschließenden Rondos. Die Stretta wird dann zum Höhepunkt dieser Sonate, jubelndes C-Dur erinnert an „Fidelio“. Auch die Wiedergabe der Klaviersonaten Nr. 5 in c-Moll op. 10/1, Nr. 6 in F-Dur op. 10/2, Nr. 7 in D-Dur op. 10/3, Nr. 25 in G-Dur op. 79, Nr. 13 in Es-Dur op. 27/1 „Sonata quasi una fantasia“ sowie Nr. 28 in A-Dur op. 101 bestechen aufgrund melodischem Tiefgang und bestrickendem harmonischem Klangfarbenreichtum. Bei der letztgenannten Sonate op. 101 imponiert insbesondere der rasant gestaltete Presto-Lauf des Finales, dessen intensives Thema aus einem langen Triller entspringt. Insbesondere die Coda zeigt hier großes Format. Das Fugato scheint von neuem zu beginnen. Quintintervalle und leichtes Staccato geben dem Ganzen eine enorme Schwungkraft.

 

ALEXANDER WALTHER

 

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