Das Ehepaar Inesie (Laura Faig) und Rodrigo (Michael Hoffmann) bei Kerzenlicht. Foto: Neuburger Kammeroper/ Ralph Pauli)
Zwei Opernraritäten von Ferdinand Hérold in Neuburg / Donau: „Der tote Dichter lebt“ und „Der Maultiertreiber“ (Vorstellung: 21. 7. 2019)
Die Stadt Neuburg an der Donau, die im frühen Mittelalter Bischofssitz war und ihre glanzvollste und bedeutendste Epoche als Hauptstadt des Fürstentums Pfalz-Neuburg erlebte, genießt seit Jahren durch die Kammeroper, die seit ihrer Gründung 1969 immer wieder Raritäten aufführt, bei Opernliebhabern große Anerkennung.
Heuer überraschte die Neuburger Kammeroper die Fans von Opernraritäten mit zwei Einaktern des französischen Komponisten Ferdinand Hérold: „Der tote Dichter lebt“ und „Der Maultiertreiber“. Die Übersetzung und Bearbeitung beider Opern erfolgte von Annette und Horst Vladar. Es war bereits die 51. Produktion im Stadttheater von Neuburg an der Donau – und sie wurde neuerlich ein großer Publikumserfolg.
Ferdinand Hérold (1791 – 1833), der am Pariser Konservatorium bei Adam, Catel und Méhul studierte, war einer der erfolgreichsten Komponisten von Opéra comics des 19. Jahrhunderts. 1812 wurde er mit dem Rom-Preis der Akademie ausgezeichnet. Nach einer Reihe von Werken, die unter schwachen Libretti litten, erlebte Marie im Jahr 1826 nicht weniger als hundert Aufführungen innerhalb eines Jahres. Nach einigen Kompositionen für Ballette feierte er mit seinen beiden Meisterwerken Zampa ou La fiancée de marbre (1831) und Le pré aux clercs (1832) große Erfolge. Die letzte Oper erzielte 1500 Aufführungen bis Ende des Jahrhunderts! Zuletzt wurde sie 2015 in Paris an der Opéra Comique und in Wexford beim Opern-Festival in Irland gespielt. Seine letzte Oper Ludovic konnte er nicht mehr fertigstellen, sie wurde von Halévy vollendet.
Szenenfoto mit (v.l.)Horst Vladar, Goran Cah, Karsten Münster, Laura Faig, Ines Vinkelau und Wilfried Michl (Foto: Neuburger Kammeroper/ Ralph Pauli)
Die Opéra-comique in einem Akt „Der tote Dichter lebt“, deren Libretto Eugéne de Planard verfasste, wurde im Jahr 1820 in Paris uraufgeführt. Ihr Inhalt: Der nur wenig erfolgreiche Dichter Dorville lässt in Paris Nachricht über seinen Tod verbreiten, ist aber in Wirklichkeit in der Provinz untergetaucht, wo er weiter Dramen schreibt. Ein Freund bringt diese als im Nachlass des „Verstorbenen“ gefunden an die Theater, wo sie jetzt vom Publikum und der Presse bewundert und gerühmt werden. Schwierigkeiten ergeben sich aber, als sich der Onkel des Dichters auf die Suche nach ihm begibt – begleitet von seiner Tochter Madeleine, in die der Dichter einst verliebt war. Die Liebe flammt wieder auf, doch sind nun einige Turbulenzen zu überwinden, da der Onkel außer Madeleine noch deren Verlobten mitgebracht hat. Nachdem bekannt wurde, dass Dorville noch am Leben ist, wird er als Mitglied in die „Académie Française“ aufgenommen. Onkel und Madeleine verstehen Dorvilles Beweggründe für sein Versteckspiel und verzeihen ihm. Happyend: Der Onkel segnet den Bund mir Madeleine.
Die flotte und humorvolle Inszenierung von Michael Hoffmann begeisterte auch durch ihre gute Personenführung. In der Titelrolle des Dichters Dorville gefiel der Tenor Karsten Münster sowohl stimmlich wie darstellerisch. Mit enormer Bühnenpräsenz spielte Horst Vladar seinen Onkel, der mit seiner sonoren Bassstimme die Fäden der Handlung nicht aus der Hand zu geben bereit ist. Seine Tochter Madeleine wird von der hübschen Sopranistin Ines Vinkelau dargestellt, die sehr überzeugend ihre Liebe zum Dichter spielt. Überzeugend auch der kroatische Tenor Goran Cah als Florival. Mit seiner hellen, kraftvollen Stimme spielte er eindrucksvoll den jungen Geck aus Paris. Zu nennen sind auch die Sopranistin Laura Faig in der Rolle von Denise, des Mädchens vom Lande, und der Tenor Wilfried Michl als ihr Bräutigam Pierre.
Maultiertreiber. Vorne: Goran Cah mit Ines Vinkelau sowie Laura Faig und Michael Hoffmann, ganz rechts: Wilfried Michl, dahinter der Chor der Maultiertreiber (Foto: Neuburger Kammeroper/ Ralph Pauli)
Die zweite Opéra-comique „Der Maultiertreiber“, deren Libretto Paul de Kock nach Boccaccio und De La Fontaine schrieb, wurde im Jahr 1823 in Paris uraufgeführt. Ihr Inhalt: Der alte Gastwirt Rodrigo hat seine Nichte Zerbine dem etwas einfältigen Flandrino versprochen, sie aber liebt den Maultiertreiber Enrique. Rodrigo selbst hat eben die junge unerfahrene Inesia geheiratet. Als misstrauischer Mensch – er fürchtet die Umtriebe seiner Gäste – will er seine junge Frau außerhalb des Dorfs in einem Stall verstecken. Ausgerechnet dort haben sich Zerbine und Enrique zu einem Rendezvous verabredet – und Enriques Kameraden schlafen davor im Stroh. Es kommt zu turbulenten Szenen, die den Wirt ratlos machen. Mit der Drohung, alles den Dorfbewohnern zu erzählen, erpresst Enrique von Rodrigo die Zustimmung zu seiner Hochzeit mit Zerbine. Alle – außer Flandrino – freuen sich auf ein neues Hochzeitsfest.
Der zweite Einakter wurde von Horst Vladar, dem Mitbegründer und künstlerischen Leiter der Neuburger Kammeroper, sehr komödiantisch inszeniert. Für beide Opern schuf Michele Lorenzini die Bühnenbilder, die – wie schon in den letzten Jahren – dem Charakter der Stücke entsprachen und wiederum ein wunderschönes Ambiente bildeten.
Die Hauptrolle, der alte Wirt Rodrigo, wurde vom Bariton Michael Hoffmann, dem Regisseur des ersten Einakters, mit großer Leidenschaft und starker Bühnenwirksamkeit gespielt. Als seine junge Frau Inesia begeisterte Laura Faig das Publikum. Mit ausdrucksstarker Mimik und Gestik spielte sie meisterhaft eine „Unschuld vom Lande“. Zum Brüllen komisch!
Gleichfalls sehr komödiantisch agierten die beiden Tenöre Goran Cah als Maultiertreiber Enrique und Wilfried Michl als Kellner Flandrino. Während Enrique Zerbine, das Mündel Rodrigos – köstlich dargestellt von Ines Vinkelau –, zur Frau bekommt, geht Flandrino schließlich leer aus. Pedro, ein Freund Enriques, wird von Karsten Münster gespielt.
Dem Orchester des Akademischen Orchesterverbandes München e.V. gelang es unter der Leitung von Alois Rottenaicher, die wunderbare, romantisch klingende Partitur des Komponisten Ferdinand Hérold in allen musikalischen Feinheiten wiederzugeben. Zur Freude des Publikums im ausverkauften Stadttheater von Neuburg, das schon während der Vorstellung immer wieder mit Szenenapplaus reagierte und am Schluss alle Mitwirkenden für ihre exzellenten Leistungen mit lang anhaltendem Beifall feierte.
Udo Pacolt