„Eran rapiti i sensi di voluttade e amore“ – Norma am Teatro San Carlo Neapel, 3. Aufführung dieser Produktion am 17.03.2024
Foto: Teatro San Carlo
Im Jahr 1837, also sechs Jahre nach der Uraufführung von Norma am Teatro alla Scala und ein Jahr nach dem tragischen Tod Bellinis dirigierte Richard Wagner das Werk in Riga. Dies tat er mitnichten unter Zwang, denn der Sachse war tatsächlich ein großer Anhänger des Belcantos im Allgemeinen und Bellinis im Speziellen. Über Norma schrieb er: „Die Menschen glauben, daß ich die gesamte italienische Schule und insbesondere Bellini hasse. Nein, tausendmal nein! Bellini ist eine meiner Vorlieben, denn seine Musik ist stark gefühlt und eng mit den Worten verschlungen“. Bellini war für ihn der Meister der unendlichen Melodie, die Wagner selbst dann zur Perfektion bringen sollte und Norma war seiner Meinung nach das zweifellos beste Werk des Sizilianers. Hier sei Bellini auf der absoluten Höhe seines Schaffens, fernab von aller effekthascherischen Theatralik, habe er mit Norma ein Werk geschaffen, das in der Tradition der griechischen Tragödie stehe.
Und tatsächlich beschreitet Bellini mit Norma neue Wege, verbindet Text und Musik zu einer unauflöslichen Einheit. Der Schluss weist kein großes Finale vor wie bislang sonst im Belcanto üblich. Auch der Chor hat nicht mehr nur einen kommentierenden und schmückenden Charakter, er wird zum Protagonisten im Werk und nimmt aktiv an der Handlung teil. Mit Norma greift Bellini also seiner Zeit einerseits voraus und kündigt eine neue Stilrichtung an, andererseits bringt es mit der Virtuosität seiner Arien den Belcanto auf einen neuen Höhepunkt.
Bereits im März 2021 inszenierte Justin Way für das königliche Theater in Madrid das Werk, damals unter dem Baton von Marco Armiliato, Michael Spyres und John Osborn wechselten sich als Pollione ab, Roberto Tagliavini und Fernando Radé als Oroveso, Adalgisa wurde von Clémentine Margaine und Annalisa Stroppa verkörpert und die Titelrolle von Yolanda Auyanet und Hibla Gerzmava gesungen. Am Teatro San Carlo wurde nun ebenfalls eine Serie von vier Abenden in dieser Produktion gegeben und gleich aus mehreren Gründen ist dies eine ganz passable Idee:
Zum einen hatte Norma im Dezember 1831 gewisse Startschwierigkeiten. Erst langsam gewöhnte sich das Publikum an das neue Werk, welches bei der Premiere in Mailand zunächst eher reserviert aufgenommen wurde. Zwar waren Aufführungen in Bergamo und Venedig bereits erfolgreich und auch in London wurde das Werk 1833 durchaus gelobt. Einen echten Triumph erlebte es allerdings erst 1834 eben am San Carlo mit Maria Malibran in der Titelpartie.
Hinzu kommt, dass Bellini Sizilianer war – zwar aus Catania, doch hieß die Hauptstadt des Königreichs beider Sizilien im Jahr 1831 (und noch bis 1861) eben Neapel.
Und schließlich zieht Regisseur Justin Way eine zusätzliche Ebene in das Werk ein, die auf die italienische Geschichte Bezug nimmt. Wir finden uns hier in einem Theater des Norditaliens der 1830er Jahre wieder, an welchem ein Theaterstück im Gallien des Jahres 50 vor Christus und aufgeführt wird. Pollione ist jedoch kein Darsteller des Stücks, er ist wie alle anderen „Römer“ ein österreichischer Offizier, der das Theater besucht – wir finden uns also in der Lombardei unter österreichischer Herrschaft wieder. Während die Österreich in der Theaterloge ihren Franciacorta trinken, schauen sie dem von Italienern gespielten Theaterstück zu. Wir selbst scheinen in anderen Logen des Theaters zu sitzen und werden so von der dritten, äußeren Ebene auf die zweite Ebene des 19. Jahrhunderts hineingezogen. Der weiter aufkeimende Widerstand der italienischen Darsteller am Theater gegen die österreichische Besatzung wird uns dann hautnah vor Augen geführt. Als es im zweiten Akt zum berühmten „Guerra! Guerra!“ kommt, stürmt der Chor die Bühne, angeführt durch den wunderbar satten und voluminösen Bass Aleksander Tsymbalyuks, im Hintergrund ein Banner in den Farben der Bandiere d’Italia, versehen mit der Aufschrift „Unione, Forza e Liberta!“ – Es ist der Schlachtruf der Giovine Italia, jener von Giuseppe Mazzini im französischen Exil gegründeten Bewegung, welche 1831 (also just im Jahr der Uraufführung von Norma) König Carlo Alberto von Sardinien dazu aufruft, die italienischen Territorien von der Fremdherrschaft zu befreien und zu einen. Während des Chores lässt Herr Way die runden Leuchten im Inneren des San Carlos leicht heraufdimmen, so daß wir gleichsam Teil dieses Protests und damit Akteure des Risorgimento werden. Die Grenzen zwischen uns als Zuschauern und der zweiten Ebene auf der Bühne verschwimmen.
Justin Way breitet das Sujet der Selbstbestimmung also einerseits auf das italienische Risorgimento aus. Mittels der Duplizierung des Theaterraumes zieht er uns selbst in die Geschichte hinein und bringt das Thema von Fremdherrschaft und Widerstand auch in unsere Zeit – es könnte aktueller kaum sein. Hinzu kommt zu dieser politischen Ebene auch eine gesellschaftliche: Bellinis Oper weist Fragestellungen der Emanzipation auf. Norma ist eine Frau, die Stärke beweist, obschon sie der Verlust ihres geheimen Liebhabers Pollione zunächst an den Rand des Zusammenbruchs, ja sogar beinahe bis zum Kindsmord bringt. Doch dann bekennt sie sich zu Widerstand, den sie gemeinsam mit Adalgisa ausübt. Auch diese ist enttäuscht von Pollione, der seine Frau und seine Kinder so skrupellos zu Gunsten seiner persönlichen Vorlieben verlässt. Der Zusammenschluss Norma und Adalgisas ist also feministischer Natur, mit dem Ziel Gerechtigkeit zu erlangen und dabei dezidiert keine politischen Ziele umzusetzen (auch hier etwas, wovon heute so manch ein Aktivist etwas lernen kann)! Norma ruft nicht den Aufstand gegen die römischen (beziehungsweise österreichischen) Besatzer aus, erst als sie sich vollends der Rache hingibt, geht sie diesen Schritt, den sie dann später durch ihre Selbstopferung wieder rückgängig machen wird.
Ein Konzept, das starke Sängerinnen benötigt, die zweifelsohne mit Anna Pirozzi und Ekaterina Gubanova gefunden worden sind. Zentral steht dabei im zweiten Akt das Duett „Mira, o Norma“, als Adalgisa Norma vom Mord an ihren beiden Kindern abbringt und sich dazu bereit erklärt, Norma zu unterstützen: „Renderti i dritti tuoi, o teco al cielo agli uomini giuro celarmi ognor“. Dieses Duett wird nicht nur zu einem emanzipatorischen Statement. Frau Pirozzi und Frau Gubanova gelingt es einen Moment völliger Reinheit und Hingabe an die Musik zu erschaffen, der nicht nur die Erhabenheit der Ziele beider Charaktere unterstreicht, sondern uns auch ihr künstlerisches Können und die Schönheit von Vincenzo Bellinis Komposition vor Augen führt. Gleichzeitig wird mit diesem Duett auch der Bogen zu „Oh! Rimembranza!“ im ersten Akt geschlagen, in welchem Adalgisa von ihrer Liebe zu einem Mann berichtet und Norma sich dadurch an ihre eigene Liebe zu Pollione erinnert. Auch hier erzeugen beide Sängerinnen eine klangliche Zartheit, die an den tiefsten Emotionen beider Charaktere teilhaben lässt. Doch im Anschluss schlagen die Sympathien der beiden Frauen in Entsetzen und Wut um, da sie auf einmal erkennen müssen, dass derselbe Mann sie betrogen hat. Es ist eben „Mira, o Norma“, welches die dann folgenden Gefühle der Wut und der Rache zunächst wieder einfängt und besiegt: Allen Ereignissen zum Trotz beschließen beide Frauen, zueinander zu stehen und sich nicht durch einen Mann ihre Leben zerstören zu lassen. „Dai voti tuoi ti libero, I tuoi legami io frango” – Norma entlässt Adalgisa während „Oh Rimembranza“ aus ihrem Gelübde, wodurch sie zu einer freien und selbstbestimmten Frau werden kann, die ihre eigenen Entscheidungen trifft. Adalgisa beantwortet dieses in „Mira, o Norma“ ebenfalls, indem sie Norma ihre Freundschaft und Unterstützung anbietet. Erst das gibt Norma tatsächlich die Möglichkeit, ebenso eigenständig zu entscheiden und schliesslich den Weg der Selbstanklage und den damit verbundenen Tod zu wählen. Alleine diese beiden Duette sind es schon wert Norma an diesem Abend zu hören und wenn diese Duette von beiden Stimmen so meisterhaft umgesetzt werden, ist hier von einem bleibenden akustischen Erlebnis zu reden.
Ohnehin legt Anna Pirozzi einen exzellenten Abend vor. Bereits bei ihrem ersten Auftritt klingt ihre Stimme silbern strahlend, verkörpert die idealistisch-religiöse Hingabe der Hohepriesterin, wenngleich wir wissen, dass ihre Hingabe an Pollione ihre religiöse weit übertrifft. Natürlich wartet der gesamte Saal gespannt auf „Casta Diva“, jene legendäre Arie, die die Callas wie kaum jemand anders singen konnte, die zu ihrem „Signature Dish“ wurde und sich in vielerlei Hinsicht auch mit der Tragik ihres persönlichen Lebens verquickte. Und natürlich ist das gleich doppelt herausfordernd, denn einerseits bietet Bellinis Werk weitaus mehr als diese eine Arie, die ja im musikalischen Kontext auch etwas deplatziert und nachträglich zur Oper hinzugefügt wirkt. Andererseits ist diese Cantilene so sehr mit der Stimme der Callas verbunden, dass es als waghalsig angesehen werden muss, diese auf offener Bühne zu singen. Immer wird der Klang der Divina im Gehör des Publikums verhaftet und somit der Maßstab sein, an welchem gemessen wird.
Und doch, ja gerade deshalb gilt es auch Casta Diva zu singen und tatsächlich scheint es in den ersten Takten, als stünde die Callas selbst auf der Bühne: Ein zartes Vibrato begleitet die Stimme von Frau Pirozzi, fein und leicht schweben ihre Töne durch die Luft und beten die Göttin an, wobei wir nicht wissen, ob es die Irminsul oder die Calls ist, die hier nun angebetet wird: „Spargi in terra quella pace che regnar tu fai nel ciel.”
Eine unglaubliche Hingabe ist spürbar, verbunden mit brennender Leidenschaft für die Musik Bellinis und an die Rolle der Norma. Bis hin zum Finale, in dem sich Norma mit den Worten „son io“ als jene Priesterin offenbart, die das Keuschheitsgelübde gebrochen hat und sich damit selbst dem Scheiterhaufen übergibt. Die Kunstpause, die sie nach diesen Worten einfügt, fassen in ihrer Dramatik die gesamte Tragik der Geschichte, aber auch das Leiden, Bangen und Lieben Normas und wir sind zutiefst von der Darstellung Frau Pirozzis ergriffen.
Diese Darstellung ist freilich ohne das Pendant der Adalgisa nicht möglich und Ekaterina Gubanova schafft es, mit ebenso viel Leidenschaft und Hingabe dieser Figur Leben einzuhauchen. Dunkel schimmernd und doch voll der Reinheit, die eben von einer Novizin zu erwarten ist, entwickelt ihr Mezzo jene magische Strahlkraft, jenen Sog, für die Frau Gubanova berüchtigt ist. „Sgombra è la sacra selva“ wird zu einem grenzenlosen Liebesbekenntnis zu Pollione, in welchem sie nicht nur den Konflikt zwischen ihrer Liebe und der Erfüllung ihres Gelübdes zugunsten der Liebe entscheidet. Die klangliche Intensität und die Eindringlichkeit des Textes zeigen uns, weshalb diese Komposition eben auch Wagner beeinflusste und wie viel von der Mystik einer Kundry bereits in der Figur der Adalgisa zu finden ist: „Deh! Proteggimi, o Dio! Perduta io son! Gran Dio, abbi pietà, Perduta io son!“ – ist dies nicht schon das Sehnen der Kundry nach Erlösung durch den einst von ihr verlachten Heiland? „Den ich ersehnt in Todesschmachten, den ich erkannt – den blöd Verlachten: lass mich an seinem Busen weinen, nur eine Stunde mit dir vereinen, und ob mich Gott und Welt verstößt in dir entsündigt sein und erlöst!“. Frau Gubanova gelingt es meisterhaft, an diesem Abend eine Verbindung zwischen diesen scheinbar so weit voneinander entfernten Rollen und ihren klanglichen Welten herzustellen. Es scheint als baue sie mit ihrer Stimme eine Brücke zwischen den Charakteren, einen klanglichen Kosmos, als zeige sie, hier bei Bellini den Beginn von Wagners unendlicher Melodie nicht nur auf, sondern sänge ihren ersten Ton, als sei Kundry durch Adalgisa erst geboren worden. Und Kundry wie auch Adalgisa erfahren Leid, welches sie zu überwinden suchen: Kundry verlacht den Heiland und ist so verdammt, für immer durch die Zeit zu irren. Adalgisa verstößt gegen ihr Gelübde (wie auch bereits Norma vor ihr) und entscheidet sich zugunsten von Pollione, was dann noch mehr Leid erzeugt. Während Kundry ihre Erlösung erst durch den Dienst am Gral und seine abermalige Enthüllung durch Parsifal erlangen kann, findet Adalgisa diese durch den Dienst an Norma, welche selbst durch Pollione zu leiden hat. Erst so gibt sie Norma die Möglichkeit, sich von der Idee der Rache abzuwenden, noch mehr Leid zu vermeiden und sich selbst zu erlösen – auch wenn Norma hierzu den Freitod wählt. Vergessen wir nicht, daß auch Amfortas erst durch das Schliessen der Wunde der heiligen Lanze erlöst wird und bis dahin dauerhaftem Leid ausgesetzt ist.
Foto: Teatro San Carlo
Es ist ein Paradoxon, daß Norma sich nach ihrer Emanzipation als nun autarke Frau selbst dem Feuer übergibt. Denn wozu soll dieser Tod dienen? Ist es für sie der einzige Weg der Erlösung? Wählt sie einen Märtyrertod für andere Frauen? Emanzipiert euch, sagt euch los von falschen Verpflichtungen und tut das, was euch glücklich macht, um nicht in der seelischen Hölle zu landen, die ich durchlebt habe? Tatsächlich besitzt der von ihr gewählte Weg eine solche Strahlkraft, daß er selbst Pollione im Mark erschüttert, dieser sich wieder auf ihre Seite schlägt, Reue empfindet und zur Buße mit ihr ins Feuer geht. So richtig rational ist an diesem Ende nichts, doch passt dieses doch erschütternd-dramatische Ende gewissermaßen auch zu der Leistung von Freddie De Tommaso. Denn was von der ersten Sekunde seines Auftritts an diesem Abend aus seinem Mund kommt, kann nur als pures Gold bezeichnet werden!
Ein klangliches Kraftpaket steht da auf der Bühne, strotzend vor nicht enden wollender Energie, eben mit der Entschlossenheit eines römischen Prokonsuls. Doch nichts passiert dabei unbedacht, sein Klang bleibt strahlend und geschmeidig, durch und durch samten klingt seine Stimme, feinstes Legato umschmiegt unsere Ohren. Es ist ein Klang den man heute sonst nur noch auf alten Vinylplatten hören kann, nur daß hier das Rauschen fehlt und Herr De Tommaso tatsächlich vor uns auf der Bühne steht. Heute gäbe es keine guten Sänger mehr? Von wegen: Seine Stimme singt vollkommen frei, offen, edel und eben so schön, daß uns hier die Bedeutung des Wortes Belcanto einmal wirklich verständlich wird. Bereits „Meco all’altar di Venere“ wird so zu einer triumphalen Eröffnung seiner Partie, ja einem musikalischen Triumphzug gleicht, als wären wir Zeugen des feierlichen Einzugs Polliones in Rom. Einem Triumphzug, der mit dem nachfolgenden „Me protegge, me difende“ zu einem Höhepunkt gelangt, der unmittelbar in der Tradition großer Tenöre wie Franco Corelli oder Mario del Monaco steht. Trotz einer Länge von fast zehn Minuten, wackelt da nichts, jeder Ton ist glasklar, sauber und kraftvoll und das Ende wird mit einem ausgedehnten „L’empio altare abbatterò“ bravourös durch Herrn De Tommaso beendet. Erste Bravo-Rufe quittieren vollkommen zu Recht als Lorbeerkranz diese herausragende Leistung.
Nun mag man meinen, daß nach solch einem fulminanten Auftakt Herrn De Tommaso im Laufe des Abends die Luft ausginge – mitnichten: Vielmehr gelingt es ihm, die Rolle Polliones im Laufe des Abends sauber weiterzuentwickeln. Mit herrlichstem Schmelz wird dieser zum diabolischen, süßlich lockendem Verführer, dessen Verlangen keine Grenzen kennt und selbst den Göttern trotzen will: „L’amor tuo mi rassicura, e il tuo Dio sfidar saprò!”. So wird das Duett „Vieni in Roma“ gemeinsam mit Frau Gubanova einerseits zur engelsgleichen Demonstration von ganz großer Gesangskunst. Andererseits arbeitet sie heraus, daß es Pollione nicht darum geht, wahre Liebe zu finden. Dieser Mann will Macht ausüben, um der Macht willen. Ihn interessieren nicht religiöse Gefühle, Traditionen oder Ängste anderer. Er will Norma und Adalgisa besitzen, einfach weil er es kann (oder zu können meint). Gleich im doppelten Sinne ist dieser Pollione also ein Usurpator, politisch in seiner Funktion als römischer Prokonsul und zwischenmenschlich als Liebhaber. Und genau hier zeigt sich auch die darstellerische Qualität Freddie de Tommasos. Er singt nicht kraftvoll, weil er es kann, sondern weil dies den usurpatorischen Charakter des Pollione unterstreicht. Und so stellt sich auch die Frage, wer denn schließlich wirklich aus der Fassung gerät, als allen drei Beteiligten klar wird, daß Pollione ein doppeltes Spiel mit Norma und Adalgisa treibt. Am Ende ist es eben Pollione selbst, der nicht glauben kann, dieses mal nicht der siegreiche Feldherr, sondern von zwei Frauen geschlagen worden zu sein – vielleicht ist dies der Grund, weshalb er Norma ins Feuer folgt. Pollione erträgt die von ihm empfundene Schmach nicht, zwei Frauen unterlegen zu sein.
Foto: Teatro San Carlo
So kommt also im leichten Gewand des Belcanto eine durch und durch komplexe Geschichte auf die Bühne und Maestro Lorenzo Passerini setzt sein Dirigat entsprechend schwungvoll und spritzig um, nicht ohne mit entscheidenden Nuancen die Fragestellungen aufzuzeigen, die Bellinis Norma eben jene Tiefe geben, die bereits Richard Wagner in den Bann zog. Am Ende geht das Theater auf der Bühne in Flammen auf, in die Norma und Pollione Hand in Hand schreiten. Das brennende Theater wird zum Symbol des Widerstandes und der Selbstbestimmung, einerseits für ein freies Italien, welches die Fremdherrschaft der Österreicher abstreift, andererseits für die beiden Frauen Norma und Adalgisa. Zu guter Letzt ist es auch ein Symbol für eine neue musikalische Zeit, die Bellini ankündigte und schließlich mit Wagners unendlicher Melodie in Richtung der Moderne schritt. Mehr Oper geht also kaum an diesem Abend, bravi, bravissimi tutti, viva Bellini!
E.A.L