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NANTES FEIERT MIT KUNST UND KULTUR

02.06.2013 | KRITIKEN, REISE und KULTUR

Nantes feiert mit Kunst und Kultur, 01. Juni 2013
von Ursula Wiegand

Nantes, die „Grüne Hauptstadt Europas 2013“, feiert diese Wahl mit Kunst und Kultur. Der Titel belohnt die Stadt an der Loire für die jahrelangen Anstrengungen zur Verbesserung der Lebensqualität und für die umweltfreundliche Wiedergewinnung von Zukunftsperspektiven. Ein leichter Weg war das nicht.


Nantes, Les Machines de l‘ île. Foto: Ursula Wiegand

Als 1987 die letzte Werft auf der Loire-Insel Île de Nantes geschlossen wurde, fiel die Stadt wirtschaftlich und mental in eine tiefe Depression, hat sich aber wieder aufgerappelt. Den Anstoß gab die Umgestaltung dieser 340 Hektar großen Insel inmitten der Stadt.
In den großen Hallen, wo zuvor Schiffe gebaut wurden, werden dort seit Jahren „Les Machines de l’Île“ gefertigt, der Natur abgeguckte Fabeltiere, entwickelt von François Delarozière und Pierre Oréfice. Selbst Erwachsene schwingen sich gerne auf ein bizarres Ozeanwesen.


Nantes, Karussell mit Meeresgetier. Foto: Ursula Wiegand

Andere skurrile Geschöpfe kreiseln zusammen mit Bötchen und Tauchglocke im 3-stöckigen Karussell der Meereswelten. Ein Spaß für alle, ob klein oder groß. Und wenn den Nantes-Neulingen ein 12 m hoher Elefant entgegenrollt oder -trabt, müssen sie nicht flüchten. Der gut 40 Tonnen schwere Koloss ist total friedlich und trägt sie sogar in seinem Holzbauch trompetend durch die Gegend.


Nantes, Les Machines de l‘ île, Elefant erscheint Foto: Ursula Wiegand

Mit buntem Meeresgetier, dem netten Dickhäuter und der Kleinen Riesin zaubert Nantes den Menschen Zuversicht in die Herzen und ein Lächeln ins Gesicht. Die Riesin mit dem Babyface begeisterte 2009 auch bei ihrem Besuch in Berlin. Eine Superspinne kauften die Japaner. Zurzeit entsteht ein metallener Vogelbaum (l’Arbre aux oiseaux) mit 20 Meter langen Ästen zum Herumklettern.
Dass solche Ideen gerade in Nantes verwirklicht werden, wundert nicht. Dort wurde ja 1828  Jules Verne geboren, der die Leser „In 80 Tagen um die Welt“, „Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer“ und bis zum Mond reisen ließ. Seine Utopien sind längst Realität, genau wie die Renaissance von Nantes.


Nantes, Justizpalast von Jean Nouvel. Foto: Ursula Wiegand

Zum Zukunftsfanal wurde im Jahr 2000 auch ein Bau, konzipiert von Stararchitekt Jean Nouvel: der Justizpalast (Palais de Justice), ebenfalls auf der Île de Nantes. Wesentlich verspielter gibt sich dort „La Fabrique“, ein neues Haus für Musik- und Kunstexperimente.


Nantes, La Fabrique, Haus für Musikexperimente. Foto: Ursula Wiegand

Und wieder drehen sich die Kräne. „Alle 14 Tage sehe ich hier etwas Neues,“ wundert sich meine Begleiterin Bénédicte Péchereau. Mehrstöckige Häuser werden gebaut, denn viele wollen auf der Insel wohnen. Ein Luxusgebiet soll sie dennoch nicht werden.   
Darüber hinaus ist in der ganzen Stadt vieles zur Verbesserung und Verschönerung geschehen. Gerade entsteht der 100ste Park. Im Großraum Nantes entfallen auf jeden der 596.000 Bewohner rein rechnerisch 57 qm Grünfläche. Doch nicht nur deswegen haben die EU und die Europäische Umweltagentur Nantes – nach Stockholm, Hamburg und Vitoria-Gasteiz (Spanien) – zur grünen Hauptstadt Europas gekürt. 
Ausschlaggebend waren ökologische Aspekte, wie Luft- und Wasserqualität, Bodennutzung, Sanierungen, Abfallwirtschaft, Artenreichtum, Maßnahmen gegen den Klimawandel und für das öffentliche Verkehrssystem. Speziell dafür hat Nantes viel getan. Moderne Busse und Straßenbahnen erschließen Stadt und Umland. Das Radwegenetz wächst ständig, und schon seit 2008 gibt es städtische Leihräder, „bicloo“ genannt. Preis pro Tag 1 Euro, für 7 Tage 5 Euro.


Nantes, Blick vom Tour de Bretagne auf die Kathedrale. Foto: Ursula Wiegand

Den besten Blick auf die Stadt mitsamt der spätgotischen Kathedrale St. Peter und Paul bietet das kürzlich eröffnete Café hoch oben im Wolkenkratzer „Tour de Bretagne“. Ein Name, der daran erinnert, dass Nantes Jahrhunderte lang die bretonische Hauptstadt war. Seit 1941 gehört sie zum Departement Loire-Atlantique. Nun reihen sich 28 frei zugängliche Werke internationaler Künstler entlang der Loire und verbinden auf ihre Weise Nantes mit dem Atlantikhafen Saint-Nazaire, wo die Ozeanschlange des Chinesen Huang Yong Ping den Endpunkt bildet. 


Couëron, Haus in der Loire von Jean-Luc Courcoult. Foto: Ursula Wiegand

Dieser rd. 60 km lange Kunstparcours (Estuaire) lässt sich per Fahrrad und Auto, zu Fuß (in Etappen) und am besten bei einem Bootstrip absolvieren. Die Schiffstour – vorbei am „Haus in der Loire“ von Jean-Luc Courcoult bei Couëron – gehört zu den Highlights, mit denen Nantes vom 28. Juni bis zum 1. September feiert. 
Das reichhaltige Programm nennt sich „Die Reise nach Nantes“ (Le Voyage à Nantes) und versteht sich als freundliche Einladung. Viele sollen kommen, aus dem In- und Ausland, und nicht nur zur bretonischen Sommernacht am 27. Juli. Auf Rundgängen können sie das Zentrum mit dem historischen  Stadtkern Bouffay erkunden und sich auf längeren Wegen auch in anderen Bezirken umschauen.  


Nantes, Passage Pommeraye. Foto: Ursula Wiegand

Die Klassiker sind selbstverständlich integriert, so die Passage Pommeraye (von 1843) mit ihren Boutiquen und das fabelhafte Jugendstilrestaurant La Cigale.


Nantes, La Cigale, üppiger Jugendstil. Foto: Ursula Wiegand

Stets trafen sich hier die Künstler, heutzutage gönnen sich die Nantaiser und Menschen aus aller Welt dieses optisch-kulinarische Erlebnis, ohne dass sie dafür allzu tief in die Tasche greifen müssen.  


Nantes, Kathedrale, Grabmal v. Herzog Franz II, Gesichter. Foto: Ursula Wiegand

Besondere Aufmerksamkeit verdient die renovierte Kathedrale mit dem fein  gearbeiteten Tympanon über dem Haupteingang. Drinnen steht der prachtvolle Marmorsarkophag von François II (Franz II, Herzog der Bretagne) und seiner Frau Marguerite de Foix. Sie sind die Eltern der noch immer hoch geachteten Anne de Bretagne.
Anne (1477-1514) wurde durch ihre Ehen auch Erzherzogin von Österreich und als Gemahlin von Karl VIII und Ludwig II zweimal Königin von Frankreich. Ihre sterblichen Überreste ruhen in der Kathedrale von Saint-Denis, der Grablege der französischen Könige, doch ihr Herz vermachte sie ihrer Heimatstadt Nantes.

Ein Besuchermagnet ist das imposante Schloss der bretonischen Herzöge (Château des ducs de Bretagne) geworden, ursprünglich ein Festungsbau von 1466 und Annes Residenz. Später wurde das Bauwerk als Kaserne oder Gefängnis genutzt und schließlich so vernachlässigt, dass es 1970 fürs Publikum geschlossen werden musste.
Im Jahr 2000 begann die komplette Restaurierung, 2007 wurde es als modern konzipiertes Museum für Stadtgeschichte wieder eröffnet. Hinter den dunklen Außenmauern überrascht die strahlend weiße Hofseite des Schlosses, stilistisch eine Kombination  aus Barock und Renaissance.


Nantes, Chateau des Ducs de Bretagne, Hofseite. Foto: Ursula Wiegand

Drinnen, in einem der 30 Räume, ist das „Edikt von Nantes“ (eine Kopie) zu sehen, mit dem König Heinrich IV den Hugenotten 1598 Religionsfreiheit und volle Bürgerrechte gewährte. Eine Großtat der Toleranz.
Auch die düsteren Kapitel werden thematisiert, so der Sklavenhandel, der Nantes im 18. Jahrhundert zu enormem Reichtum verhalf. Eine Gedenkstätte (Mémorial de l’abolition de l’esclavage) am Quai de la Fosse führt diese unmenschliche Praxis in einem unterirdischen Gang noch eindringlicher vor Augen.  
Die aber wollen jetzt Sonne und „was Leichtes“. Über die Brücke zum Justizpalast erreichen wir wieder die Île de Nantes. Der riesige Kran, ein Industriedenkmal auf der Westecke der Insel, weist den Weg zu den ehemaligen Bananenhangars. Die beherbergen jetzt eine Galerie für zeitgenössische Kunst, eine Diskothek und ein Gourmet-Restaurant.


Nantes, La Cantine du Voyage. Foto: Ursula Wiegand

Das bekommt jedoch ab 1. Juni mit der fröhlichen „La Cantine du Voyage“ eine gewisse Konkurrenz. Gekocht wird in diesem Bistro mit regionalen Produkten. Unübertrefflich ist jedoch die Nähe zum Kunstwerk „Anneaux de Buren“.


Nantes, Anneaux de Buren mit Notre Dame du  Bon Port. Foto: Ursula Wiegand

Diese Ringe von Daniel Buren und Patrick Bouchain, die nachts farbig leuchten, säumen den gesamten Quai des Antilles. Beim Hindurchschauen umrunden sie eindrucksvoll das gegenüber liegende Stadtzentrum mit der Kuppelkirche Notre Dame du  Bon Port.
In der Gegenrichtung rahmen sie den früheren Fischerort Trentemoult, wo sich die Kapitäne nach der Umrundung von Kap Horn hübsche bunte Häuser gebaut haben. Heutzutage eine angesagte Adresse.


Trentemoult, Terrasse an der Loire. Foto: Ursula Wiegand

In Trentemoult sitzen wir schließlich auf  einer Terrasse an der Loire und genießen bei Wein, Bier und Kaffee die späte Nachmittagsmittagssonne. Am Abend füllt sich das Restaurant „La Civelle. Die gute Küche lockt viele herbei. Danach schlafe ich dort tief, fest und typisch französisch bei der Künstlerin Françoise Moinel in einem „chambre d’hôtes“ (Gästezimmer).  (Quai Marcel Boissard 23, Ü/Fr 65 Euro, www.chez-francoise-trentemoult.fr).


Trentemoult, Das Pendel von Roman Signer. Foto: Ursula Wiegand

Von hier sind es nur ein paar Schritte zu einem weiteren Kunstwerk, dem Pendel  (La Pendule) von Roman Signer, angebracht an einem ehemaligen Zementwerk. Die dahin fließende Loire, das gleichmäßige Schwingen des Pendels – eine Metapher für den Lauf der Zeit und des Lebens.

Infos unter www.nantes-tourisme.com und www.levoyageanantes.fr, auch auf Englisch, teilweise auf Deutsch. Oder bei Google eingeben: „Die Reise nach Nantes 2013“.  Kunstparcours Estuaire siehe unter www.estuaire.info.
Nützlich für die Programmpunkte ist der „Pass du Voyage“ (8 Euro, erm. 5 Euro). Mehr bietet der Pass Nantes. Voller Preis für 24 Std. 25 Euro, für 48 Std. 35 Euro, für 72 Std. 45 Euro. Er kann in Nantes beim Tourismus-Büro oder unter www.nantes-tourisme.com gekauft werden. Infos zur Gesamtregion unter www.loire-atlantique.fr.
Preiswerte Flüge, wenn rechtzeitig gebucht, erleichtern die Reise nach Nantes. Transavia fliegt 2mal pro Woche nonstop von/bis Berlin-Tegel. Hinflug ab 50 Euro, zurück ab 45 Euro (www.transavia.com). – Direktflüge ab/bis München mit Volotea, 2 mal wöchentlich (www.volotea.com). – Hop !/Airfrance fliegt 5mal pro Woche ab Düsseldorf (www.hop.fr). – Easyjet bietet Flüge ab Basel (www.easyjet.com)

 

 

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