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MUT, MUT – NOCH LEBE ICH

23.04.2013 | buch

Johanna Mertinz, Winfried Garscha (Hg.)
MUT, MUT – NOCH LEBE ICH
Die Kassiber der Elfriede Hartmann aus der Gestapo-Haft
178 Seiten, Mandelbaum Verlag, 2013

Unzählige tragische Schicksale, die aus dem Widerstand gegen die nationalsozialistische Herrschaft erwuchsen, sind vergessen, werden oft nur im Familienkreis tradiert. Johanna Mertinz, den Wienern als Schauspielerin im Volkstheater bekannt, wusste zwar, dass mit der jüngeren Schwester ihrer „Tante Gerda“ Schreckliches passiert war, aber gesprochen wurde darüber nicht: „Das war eine andere Zeit“, sagten die Erwachsenen.

Johanna Mertinz hat nachgeforscht, hat im Nachlass von Tante Gerda dann in einem Schuhkarton jene kleinen Papier- und Stofffetzen gefunden, auf denen Elfriede Hartmann ihrer Familie Nachricht aus der etwa einjährigen Gestapo-Haft zukommen ließ – bis sie dann am 2. November 1943 geköpft wurde. Sie war gerade 22 Jahre alt.

Die Herausgeber Johanna Mertinz und Winfried Garscha vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands schildern in der Folge die Widerstandszelle „Gruppe Soldatenrat“, die sich aus Mitgliedern kommunistischer Jugendverbände bildete. Elfriede Hartmann, ihrerseits ein „Mischling“, stieß nicht zuletzt durch ihre Liebe zu Rudi Masl, der dort führend tätig war, zur Gruppe. Sie hat es mit dem Leben bezahlt.

Der ergreifendste Teil des Buches sind jene „Kassiber“, in denen Elfriede Hartmann mit den Eltern kommunizierte, worin sich schlichte Bitten finden, was man ihr ins Gefängnis schicken sollte (immer mit Rücksicht auf die anderen: „Schickt mir nicht so viel zu essen, es geht Euch bestimmt ab.“), aber sie bat etwa um Lehrbücher – sie wollte lernen, darunter Sprachen, Englisch. Sie glaubte an eine Zukunft, lange hielt sie die Hoffnung aufrecht, dass die Strafen für Rudi und sie nicht zu hoch ausfallen würden. Dass sie nie wieder in die Freiheit zurückkehren würde, wurde ihr erst später klar, jedenfalls nachdem Rudi im August 1943 hingerichtet worden war…

Es ist nicht zuletzt herzzerreißend, aus welchen tragischen Banalitäten und Bedürfnissen das Leben in der Haft bestand, dem sie mit bittertragischen Witzen begegnete:

Wenn ich im Hefn auch sitze, sitze,
mach ich doch meine Witze, Witze!
Denn ich weiß ja, ich komme wieder ’raus –
Und ich freu mich schon wieder auf Z’haus!

Wie viel Mut Elfriede Hartmann angesichts ihrer Verurteilung zeigte, wo sie nur hoffte, ihre Eltern würden einander trösten können, steht an Ende – einen unendlich tapferen Brief an die Schwester durfte sie noch schreiben, bevor man „wegen Vorbereitung zum Hochverrat und Feindbegünstigung“, wie der Beschluss besagte, ihr junges Leben beendete: „Haltet fest zusammen. In Gedanken bin ich immer bei Euch.“

Renate Wagner

 

 

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