LOHENGRIN oder Wagner in der Wüste
Royal Oper House Muscat – Oman
Welturaufführung der Muscat Fassung
der Produktion des Richard Wagner Festival Wels Ein Premierenbericht vom 20.10.2016 von GS
Opernhaus Muscat
Durch Zufall entdeckte ich auf meiner Oman Reise eine ganzseitige Werbung in der Tageszeitung für Wagner’s Lohengrin. Wagner in der Wüste? Lohengrin am Royal Oper House in Muscat ? Das kann man sich als Opernfan nicht entgehen lassen und so musste ich mit meiner Reisegruppe unbedingt hin. Das Opernhaus beeindruckt schon von außen und versetzt alle beim Betreten in Staunen. Diese Pracht und architektonische Harmonie. Das würde man sich oft in Europa wünschen. Die Karten sind zwar recht teuer, aber jeden Rial wert. Tolle Akustik, Prunk und künstlerische Top-Qualität werden hier geboten. Sogar die Staatsoper war schon hier und Anna Netrebko und Domingo kommen auch nächstes Jahr.
Mehr als 2 Jahre nach dem großen Erfolg der Produktion beim Richard Wagner Festival in Wels konnte dieser Lohengrin jetzt das kritische omanische und auch opernaffine internationale Publikum begeistern. Im fünfjährigen Jubiläumsjahr der Eröffnung dieses Pracht – Opernhauses wurde also nun eine exklusive Fassung des Lohengrin aufgeführt. Lokale Medien schrieben sogar vom „Wunder von Muscat“ Woran lag es?
Katharina Behnke, Jon Ketillson. Copyright: Muscat Royal Opera Hause
- Sicher an der Exklusivität endlich auch hier Wagner zu spielen. Vielleicht auch an der auf angenehme 3 Stunden gekürzten exklusiven Fassung von Maestro Ralph Weikert, der mit besonderem Feingefühl und absolutem musikalischem und wagnerianischem Sachverstand eine ausgewogene, packende und musikalisch nichts zu wünschen übrig lassende Fassung kreierte. Nur wirkliche Kenner dieser Oper merken die Sprünge und zucken bei nur wirklich ganz wenigen Stellen etwas zusammen. Der Rest: erfrischend kurzweilig, intensiv und dem Werke sicher zur Ehre gereichend. 2. Das Orchester – slowakische Philharmonie – spielt intensiv mit stellenweise feinem Wagner Klang sehr professionell und gut studiert, nur manchmal etwas zu laut und grundsätzlich mit leider etwas zu wenig Raffinesse. Hervorzuheben sei der wohltönende, präzise slowakische philharmonische Chor unter der Leitung von Jozef Chabron.
- Maestro Ralph Weikert ist ein absoluter Profi und langjähriger Wegbegleiter des Richard Wagner Festivals und ein Kapellmeister der wirklich – im positiven Worte – guten alten Schule. Er führt das Orchester souverän zu Höhenflügen und ist jederzeit Herr der Lage. Wie intensiv und voller Ausdruck er jede Phrase zu gestalten versucht und mit den Sängern sogar mitatmet. Stellenweise etwas zu langsam was für einige Sänger atemtechnisch zur Herausforderung wird.
- Die Inszenierung von Herbert Adler ist klassisch. Eben – Richard Wagner Festival Wels – harmonisch klassisch – sehr statisch und als „altmodisch“ verschrien aber eben erfrischend werktreu. Dafür war das RWF-Wels ja zu Recht berühmt. Wie angenehm eine Oper auch nur durch die Inszinierung verstehen zu können. Ein Plus dieser Produktion sind die Video – Projektionen der verschiedenen Landschaften und Räume und vor allem das Licht, welches die Bühne in richtige Welten verwandelt. Dem Bühnenbildner und Ausstatter Dietmar Solt gilt besonderer Applaus, schafft er doch den Spagat zwischen klassischem Bühnenbild, Kostüm und modernen Lichtprojektionen und Videos, die eindrucksvoll die Regie ergänzen und bereichern. (Top: Lichtdesign Erich Umek). Wie zu Beginn die Wasserfluten mit auftauchender Schwan Silhouette, diverse Landschaften und Hallen bis zur Münster Szene, Brautgemach und großem Finale. Durch das Licht und die verschiedenen Projektionen werden ganze Welten geschaffen in die der Zuschauer durch die tolle Mischung von Musik, Gesang und Bühne eintauchen will.
Lioba Braun, Katharina Behnke, Clemens Unterreiner. Copyright: Muscat/ Royal Opera House
4. Die Sänger: Allen voran das Intrigantenpaar Telramund und die Genossin seiner Schmach Ortrud. Die positive Überraschung galt dem noch jungen Telramund des Abends. Dem Wiener Bariton Clemens Unterreiner gelingt es eindrucksvoll die so schwierige Rolle des Grafen Telramund sowohl stimmlich souverän als auch darstellerisch packend zum eigentlichen Helden des Abends zu gestalten. Das Mienenspiel (teilweise etwas zu viel und hart an der Grenze) des von seiner Frau in den Tod Getriebenen, zwischen Hochmut, Tragik, Entsetzen und Verzweiflung gefällt. Fast mühelos, mit kräftigem, dramatischem Bariton, aber nie scharf und mit vielen vokalen Farben gespickt, serviert er wahrlich wagnerianische Phrasenwohlklang. Zum Schluss dankt ihm das Publikum mit größtem Applaus. Absolut souverän an seiner Seite die hervorragende Mezzo-Diva, Lioba Braun (ich erinnere mich noch an ihre entweihten Götter vor vielen Jahren in Wien die mit Szenenapplaus bedacht wurden) , als seine Gemahlin Ortrud. Dieses Timbre, diese Routine, diese Kraft in der Stimme und mit ihrer Freude am Spiel, reißt Sie Ihren Gemahl und alle anderen in ihren Bann. Stellenweise kommen bei dieser Partie aber doch leichte Schärfen durch. Die beiden sind ein Power-Team von internationalem Kaliber. Da haben es die Elsa, Anna Katharina Behnke, und ihr Held Lohengrin, Jon Ketilsson, nicht leicht mitzuhalten aber beide schlagen sich mehr als tapfer und werden letztlich zurecht mit Applaus bedacht. Anna Katharina Behnke ist zwar stimmlich keine unschuldige Elsa, die stellenweise viel Vibrato und einige Schärfen in den dramatischen Höhen (vor allem im Brautgemach ) durchblicken lässt aber mit wirklich toller Rollengestaltung und guter Stimmführung punktet. Ihr Ausdruck im Spiel und die feinen vokalen Nuancen gefallen. Vom fast naiv, berührenden Mädchen zu Beginn bis zur voller Leidenschaft und Nachdruck den Namen fragenden Ehefrau spannt Sie den Vokalbogen ihrer Elsa durch das Werk. Jon Ketilsson ist ein absoluter Wagner Tenor. Routiniert und klug legt er die fordernde Rolle des Schwanenritters Lohengrin an. Vom Aussehen ein wahrer Lohengrin, sehr nobel im Ausdruck, technisch diese Partie sehr klug singend aber etwas zu vorsichtig und stellenweise fast markierend entfacht der sympathische Isländer eine Mischung aus Neugier und Gefallen. In den heiklen Passagen oft angestrengt bis zu schönen, lyrischen Vokalbögen und zu wohlklingenden Phrasen ist alles dabei. Eine wahrlich gute Leistung aber vokal wie darstellerisch teilweise mit zu wenig Leidenschaft.
- König Heinrich, Wagner routiniert von Reinhard Hagen gesungen, entfaltet er in der Mittellage und der Tiefe streckenweise ein wunderschönes Bass-Timbre. Nur die Höhe klingt leider sehr angestrengt und wirkt blass. Die etwas undankbare, da hohe und im Übergang schwierige Rolle des Heerrufers wird von Thomas Berau sehr sicher, kraftvoll und im Spiel souverän gemeistert.
- 7. Fazit: Großer, verdienter Jubel zum Schluss für Alle und laut Insider Info für omanische Verhältnisse sehr langer, anhaltender Applaus. Auch die Tatsache, dass nur ganz wenige Personen während der Vorstellung gingen, zeigt den Erfolg, da man hier offensichtlich jederzeit in den Pausen einfach das Haus in Scharen verlässt, wenn es nicht gefällt. So wurde dieser Lohengrin laut heimischer Medienberichte zum „Wunder von Muscat“ und der glückliche Direktor des Hauses ist voller Begeisterung und Zuversicht, die Musik von Richard Wagner auch hier im Oman etablieren zu können.
- 8. Schöner Erfolg des Richard Wagner Festivals Wels: obgleich es das Festival in Österreich leider nicht mehr gibt (wieso eigentlich ? Wieder einmal kein Geld für heimische, traditionelle Kunst und Kultur ? Da sollten die Kulturpolitiker unseres Landes einmal so richtig ordentlich nachdenken wohin der Ausverkauf und die Vernachlässigung unseres Kulturgutes führen wird) war diese Vorstellung wieder einmal der Beweis für die Sehnsucht des Publikums und auch der Künstler nach traditionellen Inszinierungen. Es gibt natürlich viel Für und Wider – aber der Erfolg gibt bekanntlich (fast) immer Recht. Man kann der umtriebigen ehemaligen Intendantin des Festivals, Renate Doppler, nur von Herzen wünschen, Ihre vielen und jederzeit bereitstehenden Stücke noch in alle Welt zu verkaufen um die Traditionalisten unter den vielen Wagner Fans auch weiterhin international zu beglücken. Hier im Oman war es jedenfalls ein sehr positives und zurecht gefeiertes „Wunder von Muscat“.
G.S.