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MULHOUSE: PÉNÉLOPE. Drame lyrique von G. Fauré. Premiere

21.11.2015 | Oper

Mulhouse: „Pénélope“ Drame lyrique von G. Fauré – 20.11. 2015 (Mulhouse) Premiere

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Copyright: Klara Beck

 Der französische Komponist des Fin de Siècle Gabriel Fauré wird – im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen Debussy und Ravel – auf der Opernbühne nur selten gespielt, was vor allem daran liegt, dass er neben der 1913 uraufgeführten Pénélope nur gerade noch die opernähnliche „grand cantata“ Prométhée für die Bühne schrieb. Ein weiterer Grund mag die weniger eingängige, eher melancholische Nüchternheit seiner Musik sein“. Dennoch hat der Schüler von Camille Saint-Saëns und bekennende Wagner-Fan hier ein Werk von beeindruckender Schönheit geschaffen, das Wert ist, wiederentdeckt zu werden.

 Die von Strasbourg nach Mulhouse weitergezogene Inszenierung von Olivier Py ist dabei etwas vom Besten, das man in letzter Zeit auf einer europäischen Bühne sehen konnte. Das Oscar-trächtige Bühnenbild (Pierre-André Weitz) besteht aus einer kolosseumartigen Konstruktion, die aus mehreren konzentrischen sich drehenden Kreisen besteht, die wiederum jeweils mehrere Ebenen aufweisen, die sich ebenfalls bewegen. Aus anthrazitfarbenem Schiefer kann das Schloss – je nach Lichteinfall (kongenial: Bertrand Killy) steinern, metallen oder als unheimliche Schattenkonstruktion erscheinen. Das düstere Konstrukt dreht sich auf einem schwarzen See aus Wasser, der das Licht spiegelt, und durch den auch schon mal ein Reiter auf einem (echten) Pferd seine Runden dreht. Die Bogentore schliessen Personen ein und aus, verbergen oder lassen erscheinen (zum Beispiel Pantomimen, welche die – oft nicht gerade sehr ruhmreichen – Abenteuer des Odysseus nachspielen). Die Wirkung des Bühnenbilds wird durch die – ebenfalls von Weitz entworfenen – schlichten, meist schwarz gehaltenen Kostüme noch unterstrichen.

 Penelope wartet und hofft, und löst nachts das als langen Vorhang über die Bühne wallende Leichentuch des Laertes immer wieder auf, um die aggressiven Bewerber um ihre Hand zu vertrösten. Anna Caterina Antonacci verkörpert die verzweifelte Königin ausdrucksstark, mit feiner und trauriger, gelegentlich mit verzweifelter und wütender Stimme. Ihre Mezzo-Vergangenheit hört man ihr noch an, vielleicht ist sie deshalb auch die Idealbesetzung der schönen, sich kämpferisch gebenden Titelheldin, die beinahe die zwei Stunden durchsingen muss. Marc Laho als Ulysse kann stimmlich vor allem in der ersten Hälfte da nicht ganz mithalten, steigert sich aber beeindruckend im letzten Akt. Von seinen Widersachern hinterlässt vor allem Edwin Crossley-Mercer als Eurymaque bleibenden Eindruck. Ebenfalls stark sind Élodie Méchain als die Amme Euryclée und Jean-Philippe Lafont als alter Schäfer.

 Patrick Davin gelingt es fabelhaft, die feinen Nuancen der Oper herauszuarbeiten und gleichzeitig die Mächtigkeit der wenigen imposanten beinahe wagnerischen Tendenzen (vor allem der Ouvertüre) voll auszuschöpfen. Keine leichte Aufgabe – als ob man Debussy und Wagner an einem Abend dirigieren müsste. Das Schlusstableau wiederum steht ganz im Zeichen der Chœurs de l’Opéra national du Rhin.

 Dass die Bewerber um die Hand der schönen Penelope auch mal mit den Mägden herummachen stört ebenso wenig wie die – zwar völlige überflüssige – Einführung des Telemach durch einen Schauspieler. Zu übermächtig ist der Eindruck des sich ständig drehenden düsteren Königsschlosses, in dessen Schicksalsstrudel die platschenden Huftritte des Pferdes wie die Schläge einer übermächtigen Uhr mahnen: Die Wartezeit der Penelope ist abgelaufen, die Lebenszeit der Odysseus-Gegner auch. Auch der silberne Bogen spannt sich zum Kreis. Alles dreht sich, alles fliesst. Das glückliche Ende nimmt man der düsteren Inszenierung gar nicht ab. Den Schnaps danach wird man jedenfalls brauchen.

Alice Matheson

 

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