Foto: Sigi Brockmann
Münster 24. März 2018 – Paulus-Dom – Musica Sacra Festival für geistliche Musik
Eröffnungskonzert mit Werken von Fritz Volbach und Frank Martin
Bis Ende des ersten Weltkriegs wurde das musikalische Leben in Münster auf privater Basis gestaltet durch die Mitglieder des „Musikvereins“ gegründet 1816. Dieser berief auch die Musikdirektoren, als bekanntesten den Brahms-Freund Otto Julius Grimm. Als Orchester fungierten die Musiker des 13. Infanterie-Regiments. Ab 1918 wurde dann ein städtisches Orchester gegründet auch im Zusammenhang mit dem Bau eines Konzertsaals, der „Stadthalle“. Zum ersten städtischen Musikdirektor und Leiter des Musikvereins wurde der 1861 geborene Dirigent und Professor Dr. Fritz Volbach gewählt. Gleichzeitig gründete er die „Westfälische Schule für Musik“ und als erster ordentlicher Professor der Musikwissenschaft das musikwissenschaftliche Seminar der Universität – beide bestehen bis heute. Im Archiv des letzteren sind auch Kompositionen von ihm aufbewahrt, die er zum grossen Teil vor dem ersten Weltkrieg verfaßte. 1921 erhielt er den noch heute gebräuchlichen Titel „Generalmusikdirektor“
Wohl zum ersten Mal nach dessen Amtszeit führte nun der seit vorigem Jahr in dieser Funktion tätige Golo Berg als Einleitung des Eröffnungskonzerts des Musica-Sacra Festivals im Dom zu Münster ein Werk dieses Fritz Volbach auf, sein“symphonisches Gedicht“ „Ostern“ für grosses Orchester und Orgel von 1895, also dem Jahr von Mahlers 2. Sinfonie und Richard Straussens „Till Eulenspiegel“ Ein ähnlich grosses Orchester wie diese beiden verlangt Volbach auch für sein „symphonisches Gedicht“ Er verbindet mit „Ostern“ die erwachende Frühlingsnatur und die Auferstehung Christi, ähnlich etwa wie Wagner im „Parsifal“, an den auch betreffend Instrumentation und harmonisch manches erinnert. Sehr geheimnisvoll schilderten zu Beginn die Contrabässe des Sinfonieorchesters Münster unter Leitung von Golo Berg das vorösterliche Dunkel, immerhin in der dorischen Kirchentonart. Es folgten dann thematisch deutlich dargestellt Schilderungen des Frühlings (mit leichten Erinnerungen an Dvorak und ans Waldweben) einschließlich eines Solos der ersten Violine, eindrücklich gespielt von Konzertmeisterin Midori Goto. Verwoben damit und vor allem durch die Bläser feierlich gespielt und von der Orgel unterstützt (Alexander Toepper) wurde durchgeführt der Choral „Christ ist erstanden“ , auch Glocken erklangen österlich. Es folgte eine nach allen Regeln der Kunst durchgeführte Schlußfuge, die dann in einem pompösen „Hallelujah“ den feierlichen Abschluß fand. So war es durchaus interessant, ein völlig unbekanntes Werk aber kompositorisch wohl zeitgemäß für das Ende des 19. Jahrhunderts zu erleben.
Hinweisen auf das Motto des diesjährigen Katholikentags in Münster sollte das Hauptwerk des Abends, das vierteilige „Oratorio breve“ für fünf Solisten, zwei gemischte Chöre und Orchester „In terra pax“ (Auf Erden Friede) von Frank Martin. Komponiert 1944 für das Ende des zweiten Weltkriegs fand folgerichtig die Uraufführung am 7. Mai 1945 in Genf statt und wurde weltweit im Radio übertragen. Dies erfolgte wohl auf französisch, die deutsche Übersetzung folgte später. Der Text ist zusammengestellt aus Teilen des Alten und Neuen Testaments beginnend und kurz vor Schluß fortgesetzt mit Auszügen der Geheimen Offenbarung des Johannes. Es folgen inhaltlich Klagegesänge, eine Art „Dies irae“, Schilderung des Leidens und Sterbens Christi und schließlich Hoffnung auf Frieden und gewaltiges Lob Gottes.
Stimmlich wird das dargestellt durch eine Art überhöhten Sprechgesangs. So haben zwei der fünf Solisten längere, bedeutsame Gesangsauftritte. Jeweils vorbereitet durch Bläserakkorde und Schlagzeug verkündete Gregor Dalal mit mächtigem Bariton bis in ganz tiefe Lagen zu Beginn die Schrecken der Apokalypse und kurz vor Ende das Entstehen von neuem Himmel und neuer Erde. Ein musikalisches Herzstückes des Oratoriums ist die Schilderung des Leidens Christi im dritten Teil. Beginnend mit Bratschen und Celli begleitete das Sinfonieorchester Münster die Szene sehr gut hörbar mit einer „Passacaglia über ein zwölftöniges Thema“ Ausdrucksvoll zwischen lauter Klage und pp-Tönen bis zu auch für eine Altstimme sehr tiefen Lagen schilderte Anna Wagner dazu das Leiden Christi. Auch langgehaltene Töne gelangen ihr ohne falsches Vibrato, etwa bei „hat den Mund nicht aufgetan“ Neben seiner Mitwirkung in Ensembles hatte der Bassist Stephan Klemm die frohe Botschaft vom Ende vergangenen Leids und Neuanfang durch Gott zu verkünden. U.a. bei Seligpreisungen aus der Bergpredigt glänzte Garrie Davislim mit ausgewogenem Tenor. Kristi Anna Isene mit manchmal etwas forcierten Sopran-Spitzentönen komplettierte das Solisten-Quintett.
Zwei gemischte Chöre sieht das Oratorium vor, hier waren es der Konzertchor Münster (hervorgegangen aus dem Anfangs erwähnten Musikverein) und der Philharmonische Chor Münster beide sehr erfolgreich einstudiert vom Leiter des letzteren, Martin Henning. Für die Akustik im Dom war es vorteilhaft, daß viele Chöre, jeweils abwechselnd der 1. Chor, der 2. Chor oder beide zusammen, fast einstimmig geschrieben sind. Im polyphonen Chor-Finale des zweiten Teils „Erhebt zu Gott der Freude Jubel“ konnte man leider wegen der Akustik im Dom die einzelnen Stimmen nicht immer hörbar unterscheiden. Ganz zurückgenommen im p geriet im vierten Teil das „Unser Vater“ – dolcissime possibile“ schreibt Martin vor, fast überirdisch der fast unbegleitete Damenchor gegen Ende des Oratoriums.
Golo Berg leitete exakt und überlegen das musikalische Geschehen . Die farbenreiche Instrumentierung, zu der neben normaler Orchesterbesetzung ausgedehnteres Schlagzeug hinzutrat, war auch in der Akustik des Doms voll hörbar, etwa bei den wiederholten Schrittbewegungen andeutenden Rhythmen
Nach dem von allen Solisten und beiden Chören einstimmig gesungenen Lob Gottes „der da war, der ist und der da kommt“ applaudierten die Zuhörer im bis auf den letzten Platz gefüllten Dom langanhaltend für diese ergreifende Aufführung.
Sigi Brockmann 25. März 2018