Theater Münster P. Lincke „Frau Luna“ – Berliner Mondlicht-Party
Premiere 27. Februar 2016
Copyright: Oliver Berg
In den 20er und frühen 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatten Berliner offenbar Sehnsucht nach Party-Vergnügen in der Ferne, „künstlichen Paradiesen“ nach Kleinbürger-Art, um sich dann doch richtig wohl zu fühlen, wenn sie wieder unter sich waren, so jedenfalls in zeitgenössischen Operetten. Für die „besseren Kreise“ gehörte dazu etwa „das weisse Rössl“, (vor einigen Jahren in Münster) „einfachere“ Leute mußten sich mit Träumen begnügen, wie jetzt in Münster zu erleben mit „Frau Luna“ – Musik von Paul Lincke, Liedtexte von Heinz Bolten-Baeckers.
Vielleicht nur im Traum fliegt Technik-Freak Fritz Steppke mit seinen Freunden Lämmermeier und Pannecke in einem selbstgebastelten Gerät heraus aus dem engen Hinterhof-Berlin auf den Mond. Frau Pusebach, die der Mondbewohner Theophil schon einmal enttäuscht in Berlin zurück ließ, fliegt uneingeladen mit. Die Mondgesellschaft feiert dauernd Party. Ihre Chefin Frau Luna verliebt sich dabei in Steppke, auch Lämmermeier und Pannecke nähern sich Mondbewohnerinnen. Steppkes biedere Verlobte Marie fährt von Prinz Sternschnuppe aus Berlin abgeholt zum Mond ihrem Geliebten hinterher.
Als Steppke sie sieht, ist der Flirt mit Frau Luna vorbei, sodass diese sich mit Prinz Sternschnuppe begnügen muss. Im „Sphärenauto“ des letzteren fliegen die Berliner zurück nach Hause und die alte Ordnung ist in Berlin und auf dem Mond wiederhergestellt – „Donnerwetter – tadellos“ nach einem Spruch auch von Paul Lincke.
In der etwas erweiterten Fassung in zwei Akten von 1922 war als Koproduktion mit dem Theater Hof am vergangenen Samstag Premiere in eigener Bearbeitung und Inszenierung von Holger Seitz unter der musikalischen Leitung von Stefan Veselka.
Gegenüber Josef Haydns „Welt auf dem Mond“, wo die Reise dorthin einem eingebildeten Dummkopf nur vorgetäuscht wird, oder J. Offenbachs „Reise zum Mond“, wo dort heimische Verhältnisses verfremdet karikiert werden, erscheint die Handlung von „Frau Luna“ banal.
Um von diesem Mangel abzulenken, inszenierte Holger Seitz das Singspiel als „Revueoperette“
Für Revue-Stimmung der 20-er Jahre sorgten die Damen und Herren des TanzTheaters (Choreografie Annette Taubmann). Noch mehr Revue-Charakter zeigten in den Szenen auf dem Mond die prächtigen Kostüme von Götz Lancelot Fischer, ganz im Glitzerstil der 20-Jahre gehalten und individuell differenziert für jeden der Solisten. Die Damen waren zeitweilig als „Mondmädchen“ sparsam gekleidet, die Herren im Gegensatz dazu als „Schutzmänner“mit dazugehöriger Marschmusik – preussische Ordnung auch auf dem Mond! Frau Luna selbst wechselte mehrfach ihre Bekleidung von ganz pompös als Mondherrscherin bis intimer als reizvolle Verführerin. Dazu passte in den Szenen auf dem Mond das Bühnenbild von Herbert Buckmiller, das die gewohnte breite Revue-Treppe zeigte, die in einen kitschigen Sternenhimmel führte. Vorher sah man in der ersten Szene, die in Berlin spielt, eine eindrucksvolle Dächer-Landschaft mit Wohnung im Vordergrund, die wunderbar für den ersten und letzten Akt von Puccinis „La Bohème“ gepasst hätte.
Das Singspiel besteht ja zum großen Teil aus Sprechszenen, manchmal wirkten die Witze mehr lächerlich als zum Lachen! Dabei war es von Vorteil, dass fast alle Mitwirkenden akzentfreies Deutsch sprachen. Versuche, zu „berlinern“, gelangen dabei nicht immer überzeugend mit Ausnahme von Barbara Wurster als Frau Pusebach. Diese aus Berlin stammend verfügte daher sowohl über die „Berliner Schnauze“ als auch über das dazu passende resolute Spielverhalten. Im Walzertakt besang sie komisch – verzweifelt das Verschwinden des geliebten Theophil, ohne dabei auf ihren Herrn Pannecke verzichten zu wollen, als pensionierter Steuerbeamter eine solide Partie!
Copyright: Oliver Berg
Alle anderen Rollen waren mit Mitgliedern des Opernensembles für die Darbietung der populären „Gassenhauer“ luxuriös besetzt. Linckes Musikstil macht ja keinen Unterschied, ob die Szene in Berlin oder auf dem Mond spielt. Den größten Eindruck hinterließ Henrike Jacob in der Titelpartie, attraktiv aussehend und perfekt singend, sowohl in den tieferen Lagen ihres Liedes „Von Sternen umgeben“ als auch in den Spitzentönen von „Lass den Kopf nicht hängen“ Youn-Seong Shim als Prinz Sternschnuppe veredelte sein „Lose muntre Lieder“ mit tenoralen Spitzentönen und glänzte mit „Dein ist mein ganzes Herz“ von Lehár als Einlage ohne Begleitung gesungen.. Ganz innig warnte Eva Bauchmüller ihren geliebten Fritz vor der Sehnsucht nach „Schlössern, die im Monde liegen“ Diesen Fritz Steppke, den eigentlichen Initiator der Handlung, sang und spielte Boris Leisenheimer gekonnt, auch dank seiner großen Operettenerfahrung. Spielend und singend baten die Mondbewohner Lisa Wedekind als Stella und Eberhard Francesco Lorenz als Theophil im Duett „Schenk´ mir doch ein kleines bisschen Liebe“. In Berlin und auf dem Mond ergänzten Peter-Uwe Witt als Pannecke und Birger Radde als Lämmermeier das Ensemble, wobei letzterer Weltraum-übergreifend sich in den Mondgroom verliebte( Christina Holzinger) . Als Gäste von Frau Luna traten Katarzyna Grabosz als Venus und Ute Hopp in martialischer Rüstung als ebendieser Gott auf. Lebensgefühl der frühen 30-er Jahre konnte das Marsch-Sextett vom Untergang der Welt „Ist die Welt auch noch so schön“ vermitteln. Dass alle Mondbewohner einmal „Heil Luna“ riefen, ging unter.
Für „Cosi fan tutte“ hatte man auf den Opernchor verzichtet, hier sang er einstudiert von Inna Batyuk die wenigen Chorsätze, vor allem und gleich doppelt „Berliner Luft“
Das Sinfonieorchester Münster begleitete exakt unter der Leitung von Stefan Veselka. Das als musikalische Einleitung dienende Potpourri der populären Melodien wurde bei geschlossenem Vorhang gespielt – bei Operninszenierungen wünscht man das manchmal vergeblich!
Allerdings hätte man vom Orchester gern mehr Schmiss und Tempo gehört, das kommt sicher noch in folgenden Aufführungen.
Das Publikum im ausverkauften Haus freute sich über die bekannten „Gassenhauer“-Melodien, eine Nachbarin wiegte sich schon beim Vorspiel im Walzertakt mit. Bewundert wurden vor allem Kostüme und Bühnenbild, wie man nach der Vorstellung hören konnte. Deshalb gab es mehr als 10-Minuten Beifall natürlich mit Klatschmarsch bei der wiederholten „Berliner Luft!“
Sigi Brockmann 28. Februar 2016