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MÜNCHEN/ Theaterakademie: ORDINARY DAYS – Musical von Adam Gwon

18.11.2017 | Operette/Musical

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Timothy Roller als Jason und Miriam Neumaier als Claire (Copyright: Jean-Marc Turmes)

Theaterakademie München: Musical „Ordinary Days“ von Adam Gwon (Vorstellung: 17. 11. 2017)

Im Rahmen ihrer Ausbildung brachte die Theaterakademie August Everding (Studiengang Musical) als erste Premiere der Saison 2017 / 18 im Akademietheater in München das Broadway-Musical „Ordinary Days“ von Adam Gwon zur Aufführung. Die deutsche Textfassung stammt von Pascal Jounais.

Der Komponist und Librettist Adam Gwon wurde kürzlich im Magazin The Dramatist als „one of 50 to watch“ gefeiert. Sein Musical Ordinary Days, das im Jahr 2007 am New Yorker Roundabout Theatre uraufgeführt wurde, erzielte schnell einen internationalen Erfolg und wurde in 150 Städten nachgespielt. In den Musiknummern dieses Kammermusicals klingen Jazz, Swing und eine urbane Romantik an, die 19 Songs drücken aber auch pointiert die Ängste der Figuren aus.

Das Musical erzählt von vier jungen New Yorkern auf der Suche nach Liebe, Glück und Erfüllung. Doch wo findet man das alles in den Mühen des Alltags zwischen Doktorarbeit, Job, Beziehung und Taxisuche mitten in Manhattan? Deb, Warren, Claire und Jason sind alle auf ihrer ganz eigenen Suche, wobei sich manchmal ihre Wege kreuzen. Nachdenklich und mit einer großen Portion Humor versuchen alle vier, sich ihren Zielen zu nähern.

Eine spannungsgeladene Story, die der in Deutschland bekannte Regisseur Stefan Huber inszenierte. Er ließ die Handlung inmitten des Publikums ablaufen, das auf vier Tribünen des Saals zu sitzen kam. Die positive Wirkung war, dass die beiden Paare ihre Auftritte sowie ihre Songs nahe den Zuschauerinnen und Zuschauern absolvierten, die negative Wirkung erzielten die Wangen-Mikrophone, die alle vier Protagonisten mehr oder weniger zum Schreien animierten. Ein Phänomen, das immer wieder bei Musical-Aufführungen in den Theatern zu beobachten ist, wenn solche „Stimmkrücken“ zum Einsatz kommen. In diesem kleinen Saal wären die hässlichen Wangen-Mikrophone überflüssig gewesen, auch wenn das Ensemble in dieser Inszenierung immer wieder mit dem Rücken zum Publikum zu singen hatte. Schade, denn nach etwa 90 Minuten Spieldauer hatte man durch den Schrei-Gesang taube Ohren!

Für die Gestaltung der Bühne – drei Podeste ohne störende Requisiten – und der Kostüme, der Jetztzeit entsprechend, zeichnete Saskia Wunsch verantwortlich, für die Lichtregie Georg Boeshenz. Als zuständig für die Dramaturgie nannte das sehr informativ gestaltete  Programmheft Julia Jorda Stoppelhaar und Julia Schinke (beide Studierende des Master-Studiengangs Dramaturgie der Ludwig-Maximilian-Universität München).

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Wiebke Isabella Neulist als Deb und Johannes Osenberg als Warren (Copyright: Jean-Marc Turmes)

Alle vier Darsteller spielten ihre Rollen mit großem schauspielerischem Einsatz und viel Selbstironie. Der Südtiroler Tenor Johannes Osenberg gab den jungen Studenten Warren, der immer wieder versucht, Sprüche eines Straßenkünstlers, dessen Wohnung er während seiner Haftzeit bewohnt, in Form von Flyern an den Mann zu bringen – jedoch fast ohne Erfolg, nur eine Studentin steckt einen Flyer ein, ohne ihn allerdings zu lesen. Diese junge Dame mit dem Namen Deb, die auf der Suche nach ihrem verlorenen Notizheft ist, das sie für ihre Abschlussarbeit an der Uni dingend benötigt, kreuzt des Öfteren Warrens Wege in New York. Sie wird von der deutschen Sopranistin Wiebke Isabella Neulist gegeben, die leider zu oft stimmlich outrierte, darstellerisch stellte sie ihr komisches Talent unter Beweis.

Das zweite Paar (Jason und Claire), das in New York eine gemeinsame Wohnung bezieht, allerdings bald merkt, dass es in vielen Dingen des Lebens verschiedener Meinung ist, wurde von dem deutsch-amerikanischen Tenor Timothy Roller und der Münchner Sopranistin Miriam Neumaier gespielt. Der Jason-Darsteller studiert seit 2016 im Masterstudiengang Musical an der Theaterakademie Everding und ist nebenberuflich als Übersetzer tätig, die Claire-Darstellerin wirkte bereits seit einigen Jahren in Kinderopern mit. Beide spielten ihre Rollen ebenfalls komödiantisch, outrierten aber weniger stark. Die größte Ausstrahlung der vier hatte vermutlich wegen ihrer schauspielerischen Erfahrung die junge Münchnerin.

Am Schluss flatterten unzählige Flyer mit Sprüchen von der Decke aufs Publikum (auf meinem Kopf landete ein rosa Flyer mit dem Spruch „Viele Menschen versäumen das kleine Glück, während sie auf das große vergebens warten“)  und beide Paare fanden in Liebe zueinander. Ein Happyend, das dem Publikum gefiel.

The Ordinary Orchestra wurde vom Klavier aus von Kai Tietje geleitet. Die drei Musiker – Michael Schöne (Kontrabass), Francesco Carpino (Reed, Percussion) und Christoph Pickelmann (Violoncello) – spielten an den Seiten der Zuschauertribünen. Es gelang ihnen, die rhythmisch-schnörkellose Musik des Komponisten als Untermalung der Songs den Zuschauerinnen und Zuschauern anschaulich nahezubringen.

Das Publikum im ausverkauften Akademietheater, anfangs ziemlich irritiert von der Lautstärke des Gesangs, zollte am Schluss dem Sängerensemble und den Musikern  minutenlang Beifall.

Udo Pacolt

 

 

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