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MÜNCHEN/ Theaterakademie August Everding im Prinzregentheater: L’ANCÊTRE von Camille Saint-Saëns

30.03.2019 | Oper

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Die Inszenierung von Eva-Maria Höckmayr mit den von der Decke hängenden Kostüm-Hülsen war stimmungsvoll, aber auch symbolträchtig (Copyright: Jean-Marc Turmes)

Opern-Ausgrabung in München/ Prinzregententheater: „L’Ancêtre“ von Camille Saint-Saëns (Vorstellung: 30. 3. 2019)

Mit einer tollen Opern-Ausgrabung wartete im März 2019 die Theaterakademie August Everding im Prinzregententheater in München auf: „L’Ancêtre“ („Die Ahnin“) von Camille Saint-Saëns. Dieses fast unbekannt gebliebene Werk des französischen Komponisten wurde im Jahr 1906 in Monte Carlo uraufgeführt, geriet aber bald danach in Vergessenheit.

Der Inhalt der Oper, deren Libretto von Lucien Augé de Lassus stammt, in Kurzfassung: Über Korsika geht die Sonne auf und friedliches Summen erklingt, wenn der Eremit Raphaël seine Bienen zum Honigsammeln ausschickt. Doch diese Idylle täuscht. Seit Jahrzehnten tobt eine blutige Familienfehde zwischen den Clans der Pietra Neras und Fabianis, der immer neue Opfer fordert. Angetrieben vom Hass der Ahnin Nunciata gerät die junge Vanina in einen lebensbedrohenden Konflikt zwischen Liebe und Loyalität. Es entspinnt sich eine Dreiecksgeschichte zwischen Vanina, deren Milchschwester Margarita und dem jungen Tebaldo aus der Sippe der Pietra Neras. Ihr tragischer Ausgang scheint vorbestimmt.   

Camille Saint-Saëns (1835 – 1921) galt als Wunderkind, schuf er doch bereits nach seinem 3. Geburtstag eine erste Komposition. Als 10-Jähriger gab er im Pariser Salle Pleyel sein Debüt als Pianist und zwischen 1853 und 1877 war er ein gefeierter Organist. Konzertreisen führten ihn u. a. nach Skandinavien, Russland und Ägypten, in England und in den USA feierte man ihn als den bedeutendsten Repräsentanten französischer Musik. Als Opernkomponist war er allerdings – mit Ausnahme von Samson und Dalila (1877) – weniger erfolgreich.  

Regie im Prinzregentheater führte Eva-Maria Höckmayr. Die ehemalige Absolventin der Theaterakademie schuf eine stimmungsvolle, symbolträchtige Inszenierung mit exzellenter Personenführung, die das Publikum im ausverkauften Haus zu packen verstand. Sie sorgte auch für die Bühnenausstattung, wobei sie Dutzende Kostümhülsen von der Decke hängen ließ. Wohl eine Anspielung auf die vielen Toten der Vergangenheit in diesem Familiendrama. Über ihre „Entdeckungsreise“ während der Arbeit gab sie ein Interview, das im informativ gestalteten Programmheft abgedruckt ist. Daraus ein Zitat: „Das Stück hat mich wirklich auf mehreren Ebenen überrascht. Es ist ein Stück der leisen Töne, der inneren Dramen und Abgründe, und gleichzeitig ist es archaisch und brutal, ein Familiendrama mit tödlichem Ausgang. … Das Besondere ist die Verbindung von antiker Archaik und feingliedrigem französischen Symbolismus.“

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Das Münchner Rundfunkorchester wurde von Matthias Foremny geleitet. Foto: Tom Schulze

Die zum Thema passenden Kostüme entwarf Julia Rösler. Für die kreativen Lichteffekte sorgte Georg Boeshenz. Unter der Leitung von Matthias Foremny spielte das Münchner Rundfunkorchester, dem es wunderbar gelang, alle Feinheiten der Partitur des Komponisten wiederzugeben und damit dem Publikum ein besonderes musikalisches Erlebnis bescherte.

Das Sängerensemble bestand bis auf zwei Ausnahmen aus Studierenden des Master-Studiengangs Musiktheater / Operngesang, die allesamt zur Freude des Publikums mit großer Begeisterung und Hingabe agierten. Die beiden Gäste waren die Mezzosopranistin Heike Grötzinger in der Titelrolle der Ahnin und der Tenor Thomas Kriechle als Tebaldo. Beide füllten ihre Rollen sowohl stimmlich wie darstellerisch exzellent aus und hatten damit Vorbildwirkung für die Studierenden.

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Jeong Meen Ahn als Eremit Raphaël und Heike Grötzinger als Nunciata, die Ahnin (Copyright: Jean-Marc Turmes)

Schauspielerisch ergreifend agierte der koreanische Bariton Jeong Meen Ahn als Eremit Raphaël, zudem war er stimmlich ein „Meister der leisen Töne“! Eine reife Leistung. Ausgezeichnet auch die in Zürich geborene Mezzosopranistin Céline Akçağ und die französische Sopranistin Milena Bischoff als die beiden Schwestern Vanina und Margarita, die in jeder Szene stimmlich wie darstellerisch überzeugten. Beide gaben eine sehr gelungene  Talentprobe für die Zukunft ab!

Zur guten Ensembleleistung trugen in zwei kleineren Rollen auch der französische Bariton Damien Gastl in der Rolle des Bursica und der Schauspieler Emery Escher als Léandri bei. Zu erwähnen wären noch die vielen Statisten, die als Diener und Eltern die Bühne bevölkerten und dabei stets eine „gute Figur“ machten.

Das von der Vorstellung (eineinhalb Stunden ohne Pause) restlos begeisterte Publikum belohnte am Schluss alle Mitwirkenden mit lang anhaltendem Beifall und vielen „Bravo“-, „Brava“und „Bravi“-Rufen. Der Theaterakademie August Everding muss man zu dieser gelungenen Ausgrabung anlässlich des 25-Jahr-Jubiläums gratulieren, die mit Unterstützung von Palazetto Bru Zane und Centre de musique romantique française erfolgte.

Udo Pacolt

 

 

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