Staatstheater am Gärtnerplatz – „Die Fledermaus“ (Premiere am 7.April)
Caspar Krieger (Dr. Blind), Jennifer O’Loughlin (Rosalinde), Daniel Prohaska (Gabriel von Eisenstein), Ilia Staple (Adele). Foto: © Christian POGO Zach
Sie gilt als die Königin des Genres und ebenso als die wienerischeste aller Operetten (obgleich die Handlung in einem ungenannten Badeort in der Nähe einer Großstadt angesiedelt ist). Und sie ist zweifellos die meistgespielte klassische Operette weltweit. Sie, das ist „Die Fledermaus“ von Johann Strauss Sohn. Die in Kooperation mit dem Teatro del Maggio Musicale Fiorentino entstandene Neuproduktion dieses Werkes hatte gestern, 7. April, am Gärtnerplatztheater ihre Premiere.
2010 gab es die letzte Neuinszenierung der „Fledermaus“ in Münchens zweitem Haus und dass es zwölf Jahre bis zu einer Neuinszenierung dauern sollte, ist auch der langen Renovierung und den damit verbundenen Ersatzspielplätzen des Hauses geschuldet. Jetzt hat sich Staatsintendant Josef E. Köpplinger diesem Meisterwerk der so genannten leichten Muse angenommen und „seinem“ Haus eine Inszenierung geschenkt, die gleichermaßen werkgetreu wie komödiantisch und teilweised schräg ist. Und zwar schräg im wahrsten Sinne des Wortes, denn sowohl das Wohnzimmer bei Eisenstein wie auch die direktionale Stube des Gefängnisdirektors sind in schiefen Räumen angesiedelt (Bühnenbild: Rainer Sinell). Das Fest beim Prinzen Orlofsky findet dafür nicht, wie man es in Wien gewohnt ist, in einem prunkvollen Ballsaal sondern in einem an den Schönbrunner Schlosspark erinnernden Garten (mit einer Johann Strauss Statue im Zentrum) statt. Köpplinger hat die Dialoge gestrafft und zu einem Gutteil auch neu getextet, und damit auch die eine oder andere Länge vermieden, dabei aber auch manch einen bekannten Witz ausgeschieden (was vermutlich vor allem dem aus Wien angereisten Premierenbesucher auffällt). Dass er die Handlung in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts verlegt, stört – wenn überhaupt – lediglich Puristen; dass der Regisseur für die Familie Eisenstein drei Kinder und einen Hund dazu erfindet – Schwamm darüber. Absolut passend und stilgericht für die 20er Jahre sind die Kostüme von Alfred Mayerhofer.
Auf der Bühne agiert ein Ensemble, das merklich Vergnügen an der Sache hat und das Konzept optimal umsetzt. Daniel Prohaska zeigt den Gabriel von Eisenstein als eine Person, deren beste Zeiten zwar in der Vergangenheit liegen (und nein, das ist in keiner Weise auf seine Stimme bezogen), der aber immer noch Lust auf das eine oder andere Abenteuer hat. Aber wehe, seine Frau empfindet ähnlich. Dass für diese Partie wieder einmal ein Tenor ausgewählt worden ist, erklärt auch die Spannung zwischen dem Hausherren und Rosalindes Exliebhaber Alfred. Nicht nur als Typ, auch stimmlich ist Prohaska in dieser Inszenierung eine ideale Besetzung. Seinen Gegenpart Alfred spielt und singt der mit tenoralen Höhen gesegnete Lucian Krasznec, der hier stimmlich auftrumpfen darf und auch mit optischen Reizen – kaum hat er die Wohnung betreten, entledigt er sich Hose, Jacke und Schuhe – nicht geizt. Man kann es Rosalinde glauben, dass sie einst in ihn – und bis heute wohl nicht nur in seine Stimme – verliebt war. So, wie Krasznec an diesem Abend disponiert war, ist er schlicht und ergreifend eine Idealbesetzung für diese Rolle. Sehr gut auch der etwas schmierig angelegte Dr. Falke des Daniel Gutmann, der die Fäden nicht nur im Hintergrund zieht und vielleicht auch mehr als bloß ein Freund der Familie ist. Etwas zu outrierend ist im dritten Akt der von Reinhard Mayr mit versuchtem Akzent gesungene wie gesprochene Gefängnisdirektor Frank.
Emma Sventelius, in der Volksoper kürzlich als Oktavian im „Rosenkavalier“ überzeugend und auch eine gute Niclausse zuletzt in „Hoffmanns Erzählungen“ hier am Gärtnerplatz, ist ein kalkweiß kostümierter Orlofsky und wirkt weniger gelangweilt, als man es von dieser Rolle gewohnt ist. Dieser optische Eindruck passt perfekt zum Gehörten; das Couplet wird mit berechtigtem Beifall belohnt. Eine beinahe Idealbesetzung als Adele ist Ilia Staple. Wie so viele der Ensemblemitglieder des Hauses hat sie und nutzt sie die Möglichkeiten, sich stimmlich zu entwickeln. Schlank und sportlich trainiert spielt und singt sie das Stubenmädchen überzeugend; beginnend mit dem Leid, dass sie eben nur ein Stubenmädchen ist bis zur Präsentation ihres Wunsches der verwandlungsfähigen Künstlerin. Als Rosalinde feiert Jennifer O´Loughlin an diesem Premierenabend ein überaus überzeugendes Rollendebut. Immer wieder wurde und wird die Rosalinde von ersten Sängerinnen gesungen und O´Loughlin reiht sich würdig in die Liste großer Namen ein. Ihre „Klänge der Heimat“ klingen beinahe echt nach Puszta, und eine echte ungarische Gräfin verbirgt sich hinter der Maske ja auch nicht. Nach ihren hervorragenden Königinnen Donizettis war dieses Debut ein neuer Gipfel ihrer Karriere.
Und was wäre eine „Fledermaus“ ohne den Gefängnisaufseher Frosch. Michael Dangl ist die Premierenbesetzung; als Alternativbesetzung ist Volksoperndirektor Robert Meyer angekündigt. Die hier gespielte Textfassung verzichtet auf aktuelle lokalpolitische Witze, ein kleiner Österreichbezug darf dennoch nicht fehlen. Wohltuend empfindet es der Gast von der Donau, dass Dangl sich nicht in den Vordergrund spielt, sondern Teil des Ensembles bleibt.
Die musikalische Seite des Abends verantwortet der Chefdirigent des Hauses Anthony Bramall. Dass seinem korrekten Dirigat der wienerische Charme da und dort fehlt, mag dem volksopergewohnten Gehör geschuldet sein. Dass einzelne Orchestergruppen, insbesondere die Blechbläser, aber dominieren, stört die Klangbalance erheblich (jedenfalls auf den gekauften Plätzen in der Mitte der 9.Reihe). Wie überhaupt der Ton an diesem Abend nicht immer optimal war (so kreischen, wie es bei Emma Sventelius zwischendurch klang, kann nur ein dramatisch schlecht ausgesteuertes Mikro).
Einen gewohnten Pluspunkt der Aufführung bildeten der Chor (Einstudierung: Dovile Siupenyte) und das Ballett (Choreografie: Karl Alfred Schreiner).
Fazit des Premierenabends: Die Reise nach München hat sich gelohnt.
Michael Koling