„Kriegerische“ Szene mit dem Schweizer Bumerli und Oberst Popoff sowie dem Damentrio Mascha, Aurelia und Nadina (Copyright: Christian POGO Zach)
Operetten-Rarität in München (Gärtnerplatztheater): „Der tapfere Soldat“ von Oscar Straus (Vorstellung: 20. 4. 2019)
Im Münchener Theater am Gärtnerplatz kam es zur Wiederaufnahme einer besonderen Operetten-Rarität: „Der tapfere Soldat“ von Oscar Straus. Dieses selten gespielte Werk hatte im Jahr 1908 seine Uraufführung in Wien, geriet aber bald in Vergessenheit – außer in London und in New York, wo es unter dem Namen The Chocolate Soldier zu einem jahrzehntelang gespielten Renner wurde, der sogar die Entwicklung des amerikanischen Musicals wesentlich beeinflusst haben soll. Am Gärtnerplatztheater erlebte die Operette in den Jahren 1909 und 1961 zwei Produktionen.
Im Programmheft zum Tapferen Soldaten findet sich auch unter dem Titel Mein Gärtnerplatztheater eine „Liebeserklärung“ von Oscar Straus aus dem Jahr 1952. Daraus ein Zitat: „Es wird den Freunden meines Schaffens nicht verborgen geblieben sein, dass ich mich in München immer besonders wohl gefühlt habe. In meinen Sturm- und Drangjahren, als das Pendel meiner ersten künstlerischen Erfolge zwischen Berlin und Wien schwang, kam ich zum ersten Male mit meinen ‚Lustigen Nibelungen‘ hier im Gärtnerplatztheater zur Aufführung. Die Münchner ‚Walzertraum‘-Premiere im Jahr 1907 tat ein Übriges, um mein Verhältnis zur süddeutschen Kunstmetropole noch enger zu gestalten.“
Die Handlung der Operette Der tapfere Soldat, deren Libretto Rudolf Bernauer und Leopold Jacobson nach Motiven von Bernard Shaws Helden schrieben, in Kurzfassung: Im Jahr 1886 stehen einander der bulgarische Major Alexius Spiridoff und der für die Serben kämpfende Schweizer Söldner Bumerli als Hauptmann gegenüber. Spiridoff kann mit seinen Reitern die entscheidende Schlacht für sich entscheiden, weil in Bumerlis Kanonen blinde Munition steckt. Der Schweizer Hauptmann flieht und landet ausgerechnet im Haus von Nadina, der Verlobten seines Gegners. Er verrät die wahren Hintergründe der vermeintlichen Heldentaten und erobert das Herz von Nadina. Da sich die hübsche Mascha Alexius Spiridoff angelt, löst sich alles in Wohlgefallen auf.
In der aktuellen Inszenierung zeigt Regisseur Peter Konwitschny seine Sicht auf das subtil-intelligente Stück, wobei er dem Publikum viel Unterhaltung, im letzten Akt leider auch zu viel Klamauk bot. Auffallend gut seine Personenführung! Da sich das gesamte Ensemble in exzellenter Spiellaune präsentierte, wurde es ein unterhaltsamer Abend, der vom Publikum immer wieder mit Szenenapplaus begleitet wurde. Für die Bühne, die des Öfteren mit Blumen geschmückt wurde, und für die passenden Kostüme zeichnete Johannes Leiacker verantwortlich. Die Lichtregie oblag Michael Heidinger. Optisch gelungen waren die Chor- und Tanzszenen (Einstudierung: Karl Bernewitz, Choreographische Beratung: Karl Alfred Schreiner).
Unter der einfühlsamen musikalischen Leitung von Andreas Kowalewitz spielte das Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz schon die pfiffige Ouvertüre der Partitur des Komponisten mitreißend. Das Wechselspiel zwischen Dialog, Musik und Tanz ist wohl das hervorstechendste Merkmal dieser Operette. Viele Melodien bleiben im Ohr, wie „Komm, Held meiner Träume“, „Du hast mich betrogen, verletzt, verraten“, „Pardon, Pardon“.
Den männlichen Darstellern des Sängerensembles gelang es vorzüglich, die Begriffe Held, Heldentum und Heldenverehrung durch ihr humorvolles Spiel ad absurdum zu führen. Der deutsche Bariton Hans Gröning outrierte zwar als Oberst Kasimir Popoff zu oft, dennoch war seine schauspielerische Leistung beeindruckend. Ihm ebenbürtig zeigte sich der junge Tenor Maximilian Mayer als Major Alexius Spiridoff, der auf übertrieben-köstliche Art den tapferen Helden „spielte“.
Nadina (Sophie Mitterhuber) im Streit mit Bumerli (Daniel Prohaska) Copyright: Christian POGO Zach
Großartig agierte der österreichisch-britische Tenor Daniel Prohaska als Schweizer Söldner Bumerli, der seine Liebe zur Schokolade richtiggehend zelebrierte. Dass er durch sein humorvolles Verhalten die „Heldentaten“ der anderen der Lächerlichkeit preisgab, brachte ihm nicht nur die Sympathie des Publikums ein, sondern auch die Liebe der jungen Nadina.
Sie wurde von der jungen attraktiven Salzburger Sopranistin Sophie Mitterhuber mit Anmut, aber auch Temperament exzellent gespielt.
Als ihre junge Verwandte Mascha überzeugte die Wiener Sopranistin Jasmina Sakr sowohl stimmlich wie darstellerisch. Die deutsche Mezzosopranistin Ann-Kathrin Naidu spielte Aurelia, die Gattin von Oberst Popoff, und glänzte in dieser Rolle sowohl durch Humor wie auch durch ihre erotische Ausstrahlung.
Zu nennen ist noch der deutsche Bariton Alexander Franzen als Hauptmann Massakroff, der seine Auftritte sehr militärisch gestaltete.
Das begeisterte Publikum belohnte alle Mitwirkenden mit lang anhaltendem Beifall. Ob die übertriebenen Klamaukszenen am Schluss der Mehrheit der Zuschauer gefallen haben, wage ich zu bezweifeln.
Udo Pacolt