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MÜNCHEN/ Reithalle/ Gärtnerplatztheater: KING ARTHUR – Premiere

08.12.2016 | Oper

München: Gärtnerplatztheater in der Reithalle: King Arthur, 08.12.2016

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Artur (Simon Zigah) und sein „einziger Freund“ Merlin (Tobias Greenhagh) Im Hintergrund Prinzessin Emmeline (Judith Rosmair).   © Marie-Laure Briane

 Meine erste Begegnung mit Henry Purcell – und doch kam mir vor allem der Gesang des Frostgeistes so bekannt vor. Ein Blick in die Süddeutsche Zeitung erhellt: in der Vorschau auf diese Premiere des Gärtnerplatztheaters wird berichtet, dass ebendieser Gesang zur Untermalung des Tatorts vom letzten Sonntag benutzt wurde. Welch ein Zufall.

„König Arthur“ wird als „Semi“-Opera bezeichnet, ein Begriff, der in meinen Augen eher auf „nichts Halbes und nichts Ganzes“ hindeutet, als auf ein ernsthaftes Theaterwerk. Dabei ist es eine Verschmelzung aus Sprechtheater, Oper und Ballett – und diese Verschmelzung ist dem Ensemble des Gärtnerplatztheaters gestern Abend glänzend gelungen.

Regisseur Torsten Fischer stellt an sich selbst den Anspruch, eine Zeitreise durch die Abgründe der Menschheit der letzten 400 Jahre auf die Bühne zu stellen. Er sieht das Stück als Utopie – „imagine“ ist folgerichtig vor Beginn auf den Boden der leeren Bühne projiziert, stellt euch vor, die Liebe überwindet den Hass, den Krieg, die Gier und die innere Kälte der Menschen. Am Ende befinden wir uns alle auf der Insel der Glückseligen.

Der Weg dahin wird in revuehaften, eindrucksvollen Bildern beschrieben: zunächst die höfische Welt von Arthur und Emmeline, gekennzeichnet durch weite Tüllröcke bei den Frauen und Frack bei den Männern; alle tragen zu Beginn noch diese vielfach gefältelten Mühlsteinkrägen des 16. Jahrhunderts, die sie sich vom Hals reißen, als es in den Krieg geht. Verstörend aktuell die Hinrichtung von mehreren jungen, nordafrikanischen aussehenden Männern, die danach ausgiebig beklagt wird.

Zum stampfend brutalen Kriegsmarsch werden die -ismen auf den Bühnenboden zwischen die Reihen der Marschierenden projiziert: Totalitarismus, Kommunismus – auch der Islamismus, allerdings nur als einer unter vielen.

Wenn der Krieg vorbei ist, wird alles unter die Decke gekehrt: Dunkler glänzender Stoff über den Bühnenboden gezogen, darunter bergen sich Ballett und Chor. Die Paare finden sich, nicht nur Mann und Frau, sondern auch Mann und Mann und Frau und Frau. Nie peinlich, sondern sehr erotisch.

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Die Frost-Szene im Bällebad: Cupido (Caroline Schnoor) im Vordergrund, der Cold Genius (Tobias Greenhalgh) im Hintergrund                
© Marie-Laure Briane

Nach der Pause liegen riesige, mannshohe Plastiksäcke in einem großen Haufen auf der Bühne. Als das in goldpaillettenglitzernde Abendroben gekleidete Ballett den Inhalt auf die Bühne leert, gibt es Szenenapplaus: heraus purzeln Abertausende von weißen Plastikbällen, die sich in der Senke der Bühne zum Ballbad sammeln. Es wird zum Symbol für den Frost, die Vereisung der Menschen, aber auch für den Sumpf, in den Arthur gezogen werden soll. In ihm tummeln sich Nymphen und Waldgeister, dorthinein stürzen sich Schauspieler und Sänger am Ende und spielen ausgelassen mit den Bällen. Eine wunderbare Bildidee.

Die Sprechrollen wurden auf drei zusammengestrichen: Arthur, Emmeline und Oswald. Das klassische Eifersuchtsdreieck, ist man versucht zu denken, aber im Zentrum der Inszenierung steht Emmeline, die großartige Judith Rosmair, die eine Entwicklung vom blinden, kriegsbegeisterten Königsliebchen des Anfangs zur sehenden, liebenden Frau durchmacht. Simon Zigah als Artur, selbst- und königsrollenbewusst, trägt sie meistens auf Händen, wortwörtlich. Den Gegenspieler Oswald gibt Markus Gertken als besitzergreifenden Macho, der vor ihr kniet, sie vergewaltigt, aber zum Ende seine Niederlage eingesteht und einfach abgeht.

Das Ganze ist eingebettet, verschmolzen mit der Musik, die allerdings leider in der akustisch ungünstigen Reithalle verstärkt werden muss, die Sänger tragen also Mikroports, das Orchester sitzt hinten unter der ansteigenden Bühne und wird ebenfalls verstärkt.

Bei den Sängern ist vor allem Leela Subramaniam (Sopran 3 /She / Sirene / Nymphe / Schäferin) hervorzuheben: eine wunderbar warmklingende ausgeglichene, große Stimme.

Auf Juan Carlos Falcón (Tenor2 / Waldgeist) hat mir mit seiner dynamisch abwechslungsreichen Gestaltung und dem schönen Timbre sehr gefallen.

Ann-Katrin Naidu (Alt / Matilda) konnte ihren schönen, warmen Alt leider nur in sehr wenige Solo-Stellen zu Gehör bringen, sie saß wie eine Großmutter, Erzählerin oder auch Beobachterin meistens vorne auf der Bühnenbrüstung und häkelte riesige Luftmaschen aus denen später die Fesseln der Ehe werden.

Bei Tobias Greenhalgh (Merlin / Comus / He / Cold Genius / Aeolus) hat vor allem darstellerisch beeindruckt, beim Gesang des Cold Genius in der Frost-Szene war seine Stimme meines Erachtens zu wenig deutlich zu hören, was aber auch der Aussteuerung geschuldet sein könnte.

Camille Schnoor gab eine beeindruckende Venus, außerdem noch Sopran 1 und Cupido.

Sophie Mitterhuber (Sopran 2 / She / Sirene/ Nymphe / Nereid), Frances Lucey ( Sopran 4/ Nymphe / Schäferin) Maximilian Mayer (Tenor 1 / Waldgeist / Schäfer) und Christoph Seidl (Bass / Grimbald / Waldgeist / Pan) ergänzen das Sängerensemble.

Marco Comin, der scheidende Chefdirigent – die Geschichte ging diese Woche durch die Presse – leitete das wunderbar exakt aufspielendes Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz. Ich hätte mir manchmal ein wenig mehr dynamisch Abstufung gewünscht, das war doch meistens ein Forte – das sich in den Kriegsmärschen zum Fortissimo steigerte – was da aus den Lautsprechern klang. Aber immer rhythmisch prägnant und die Abstimmung mit der Bühne gelang hervorragend.

Fazit: hingehen! Auch wenn man kein ausgewiesener Barockfan ist!

Susanne Kittel-May

 

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