Wieder Opernrarität in München: „Dante“ von Benjamin Godard (konzertante Aufführung: 31. 1. 2016)
Neuerlich gelang es dem Bayerischen Rundfunk im Rahmen ihrer Konzertreihe, das Münchner Publikum mit einer Opernrarität zu erfreuen. Am 31. Jänner 2016 kam im Prinzregententheater die Oper „Dante“ von Benjamin Godard in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln zur konzertanten Aufführung. Damit wurde die Zusammenarbeit mit der Stiftung Palazzetto Bru Zane zur Wiederentdeckung musikalischer Schätze aus dem 19. Jahrhundert in Frankreich erfolgreich fortgesetzt.
Dante und seine „Göttliche Komödie“ – Fresko von Domenico di Michelino im Dom von Florenz (Foto: Archiv Palazzetto Bru Zane)
Benjamin Godard (1849 – 1895) trat im Jahr 1863 ins Pariser Konservatorium ein. „Seine Salonmusik erfreute sich schnell großer Beliebtheit“, schreibt Reclams Opernführer. 1882 leitete Godard ein Festival seiner Musik im „Cirque d’eté“, 1884 kam seine Oper Pedro de Zalaméa in Antwerpen zur Aufführung. Weniger Erfolg hatte er mit seinen Opern Jocelyn und Dante et Béatrice, mehr Anerkennung fand seine komische Oper La vivandière, die er allerdings nicht mehr fertig instrumentieren konnte.
Kernstück seiner 1890 an der Opéra Comique in Paris uraufgeführten Oper „Dante“, deren Libretto Édouard Blau verfasste, ist eine Vision des italienischen Dichters von Hölle und Paradies, wie es in Dantes Hauptwerk, der Göttlichen Komödie, beschrieben ist. Die Liebesbeziehung zwischen Dante und Béatrice, die jedoch Siméone Bardi zur Frau bestimmt ist, bildet als klassischer Dreieckskonflikt das Zentrum der Handlung. Dazu kommt eine politische Ebene: die Auseinandersetzungen zwischen Ghibellinen und Guelfen in Florenz. Dante wird vom Volk zum Stadtoberhaupt bestimmt, da man sich von ihm eine Schlichtung der Streitigkeiten erhofft. Nach einer Traumsequenz, die Dante eine Vereinigung mit Béatrice im Himmel verheißt, endet die Oper mit dem Tod von Béatrice sentimental-romantisch. Dantes letzte Worte: „Ja, ich muss noch leben, singen für sie. Gott hat sie sterblich gemacht. Ich will sie unsterblich machen!“
Im Leben von Dante Alighieri dürfte die florentinische Bürgerstochter Bice Portinari (1266 – 1290) die Opernfigur Béatrice gewesen sein, die der Dichter als ferne, unerreichbare Geliebte besingt. Bice Portinari heiratete den reichen Bankier Simone de’ Bardi und starb im Alter von 24 Jahren. Diese Fakten sind aus Dantes Vita nova herauszulesen. Ob es zwischen ihr und Dante, der mit Gemma Donati verheiratet war, tatsächlich zu einer Begegnung gekommen war, gilt als nicht belegt.
Ulf Schirmer, dem temperamentvollen Leiter des Münchner Rundfunkorchesters, gelang es, alle Facetten der romantischen Partitur des Komponisten, die sich zwischen Klassizismus und der Raffinesse des Fin de Siècle bewegt, wunderbar herauszuarbeiten und einige Male einen wahren Klangrausch zu entfalten. Eindrucksvoll die Wiedergabe der Traumvision von Hölle und Himmel im 3. Akt.
Dazu stand ein erstklassiges internationales Sängerensemble zur Verfügung, das mit Einsatz und Brillanz das Publikum zu begeistern wusste. An dessen Spitze die französische Sopranistin Véronique Gens als Béatrice. Mit ihrer klaren und höhensicheren Stimme gestaltete sie ihre Rolle exzellent und mitreißend, sodass sie des Öfteren verdientermaßen mit „Szenenbeifall“ bedacht wurde. Ihr stimmlich ebenbürtig zeigte sich der kanadische Bariton Jean-François Lapointe in der Rolle des eifersüchtigen Siméone Bardi, dessen kräftige und dennoch warme Stimme mühelos über das Orchester drang.
Ein wenig mühevoller kämpfte im ersten Akt der litauische Tenor Edgaras Montvidas gegen die Klangwellen des Orchesters an, wurde aber im Laufe der Vorstellung immer sicherer. Stimmlich überzeugend war die israelische Mezzosopranistin Rachel Frenkel in der Rolle der Gemma, wobei die große Bandbreite ihrer Stimme beeindruckte. Ausgezeichnet ihr Duett mit Véronique Gens im vierten Akt, das vom Publikum mit starkem Beifall belohnt wurde.
Für die gute Ensembleleistung sorgten in kleineren Rollen noch die moldawische Sopranistin Diana Axentii als Schüler, der amerikanische Tenor Andrew Lepri Meyer als Herold und der britische Bassbariton Andrew Foster-Williams als Schatten von Vergil und als Greis. Stimmgewaltig agierte der Chor des Bayerischen Rundfunks (Einstudierung: Stellario Fagone), der sowohl die Guelfen und Ghibellinen wie auch die verschiedenen Volksgruppen darzustellen hatte.
Das begeisterte Publikum, das während der Vorstellung immer wieder mit Beifall reagierte, bejubelte am Schluss das Sängerensemble und den Chor sowie das Orchester und den Dirigenten mit nicht enden wollendem Applaus und „Bravi“-Rufen.
Udo Pacolt
PS: Dem Bayerischen Rundfunk ist für die Wiederentdeckung dieser romantischen Oper aus dem 19. Jahrhundert ein großes Lob zu zollen.