Prinzregententheater: „Achill unter den Mädchen“ 1997, W.-A. Schultz, 21.3.2023 – Theaterakademie München, Studierende Semester 1 – 4 + Münchner Rundfunkorchester
TTT: Prost Mahlzeit! Nabelschau von Anfängern + Ausbildern! Duftmarke einer neuen Präsidentin!
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Mglw. hoffnungsvolle Talente wurden einem defizitären Musiktheater ausgeliefert, dass seit seiner Uraufführung 1997 niemand hören und sehen wollte.
Soll ein Rezensent unverhohlen wahrhaftigen Eindruck oder Verehrungsmichelei ungeschliffener Konstellationen labeln? Um real dem diskursiven wahrhaftigen Musiktheater in gewachsenen Qualitäten verhaftet zu sein, darf man keine halbgaren bis unausgegorenen Arbeiten unwahr bis zu Jubelchören rezensieren.
Eindrücke der Münchner Abendzeitung (20. März 2023) teile ich:
„Muffig und sterbenslangweilig
Es ist kein Zufall, dass ihre Oper seit der Uraufführung vor 26 Jahren am Staatstheater Kassel nicht nachgespielt wurde, denn „Achill unter den Mädchen“ ist tatsächlich so muffig und sterbenslangweilig, wie bereits der Titel ahnen lässt.
Figuren ohne Kontraste
Musik plätschert ohne Kontraste im immergleichen Andante con moto vor allem wohllautend-kristallin vor sich hin. Und das ist einschläfernd. …
Schon nach 15 Minuten möchte man dringend daraus abgeholt werden. Wer auch immer auf die Idee gekommen ist, diese Oper hervorzukramen und den Abend mit einer Pause zusätzlich in die Länge zu ziehen, …“
Für weitere Irritation sorgte die neue Präsidentin Prof. Dr. Barbara Gronau schon im Sept. 2022, gilt nun auch diesem Ärgernis in ihrer Verantwortung, mit Worthülsen, deren Dürftigkeit sich nun erschließt.
„Für mich sind die Künste Seismographen der Gegenwart. In einer Zeit gesellschaftlicher Umbrüche und Krisen sind traditionelle Modelle von Repräsentation, Ökonomie und Handeln untauglich geworden. Angesichts pandemischer Krisen, einer Rückkehr des Krieges nach Europa und eines spürbaren Klimawandels müssen wir uns fragen, wie wir leben können und leben wollen. Das Theater reagiert in vielfältiger Weise darauf: in der Überschreibung des traditionellen Kanons und seiner Figurenkonstellationen, in Überlegungen zu Teilhabe, Diversität und Nachhaltigkeit und in der Herausforderung neue Zielgruppen anzusprechen. Dieser Veränderungsprozess beginnt bereits in der Ausbildung. Gemeinsam mit den Lehrenden, Studierenden und Mitarbeitenden der Theaterakademie gilt es, die Formen des Lernens und Lehrens zu reflektieren und aus der Beschäftigung mit den Herausforderungen unserer Zeit künstlerische Antworten zu entwickeln.“
Hinweis: es soll also schon in der Ausbildung gewachsene dramatische Kunst überschrieben, ihrer Identität beraubt werden, d. h. ein mittlerweile 50jähriger Missbrauch, der immer mehr in Misskredit gerät, bleibt mit akademischen Weihen in dieser Ägide Nachwuchsunterweisung!
Hier bliebe eigentlich nur das Exempel des aktuellen Trainer-Rauswurfs in München.
Besuche etablierten Musiktheaters transformierten nicht immer (z. B. Gärtnerplatz), aber immer öfter massive „Totenlager-Impressionen“, unentbehrliches Musiktheater stirbt (ist bereits tot?).
Prunk -, Protz – Opern – Paläste mutierten zu Palliativstationen, Einrichtungen zur Pflege fortschreitend siechendem Sterben, statt des immanenten Wesenkerns dramatischer Fülle, so auch die Münchner Theaterakademie im Prinzregententheater mit „ Achill unter den Mädchen“.
Dramatische Fülle heißt bestehende Dramatik hochqualitativ umzusetzen, statt beliebigem Geplänkel in oberflächlichen, falschen oder verweigerten Sichtungen (Überschreibungen / Dekonstruktionen). Dazu muss man „dramatische Konflikte“ in literarischen Vorlagen allerdings erkennen können. Auch hier gibt es ein Handwerk.
Die befremdliche Behauptung von Antagonisten und Kreatoren solcher Totenbett – Keimzellen, man könne das Repertoire im Musiktheater so nicht mehr aufführen, da dazu alles gesagt sei und kein Interesse mehr fände, ist eine „Schindmähre“.
Betrachtet man vergleichend Publikum unveränderter cineastischer Bravourleistungen über Jahrzehnte, führen sich solche Parolen ad absurdum (ohne TV – Zuschauer), da nutzt sich nichts ab:
1 |
Das Dschungelbuch |
27.293.000 |
2 |
Titanic |
18.986.084 |
3 |
Die Brücke am Kwai |
14.500.000 |
4 |
Ben Hur |
13.525.000 |
Immer gleiches Zitat von Otto Schenk, bei dem ich häufiger assistierte: „Es muss nur gut sein!“, dann kommt das Publikum aller Generationen. Es ist aber zu oft überhaupt nicht gut. Publikumssignale werden ignoriert.
Stattdessen versuchen Theater seit Jahrzehnten mit stagnierend missratenen Produktionen neues Publikum zu locken. Die sollten froh sein, dass überhaupt noch Leute kommen.
- „Schimäre Publikum – Liebhaber und Adabeis“ https://onlinemerker.com/ttt-wertewandel-theaterreform-schimaere-publikum-liebhaber-und-adabeis/
Meine Musiktheater – Abstinenz (ich ging noch nie gern zu Beerdigungen) reflektiert Goethes Erleuchtungs – Sehnen! Immer noch schwer verliebt in eine gegenwärtige Fiktion, bleibt Sehnsucht gem. „Lindernd soll der Sonnenschein sich ums Totenlager spreiten, …“, trotz aus dem Ruder geratener aktueller Ausprägungen.
Die Sterbeworte Goethes
Licht! Mehr Licht! Die Schatten weben
und mein Leben flieht ins Weite,
öffnet mir die Fensterläden:
Licht! Mehr Licht bevor ich scheide.
Lindernd soll der Sonnenschein
sich ums Totenlager spreiten,
wenn durch dieses düstre Tal
ich nun muss alleine schreiten.
Licht! Mehr Licht! der Tod webt Schatten
mir ums müde Angesicht,
möchte ihm ins Auge schauen
durch den Strom von ird’schem Licht.
Nicht die schöpferischen Gaben
und die großen Dinge nicht,
alles was den Dichter kümmert,
ist die Bitte um mehr Licht.
Achtet nicht den eignen Lorbeer,
er entschwindet seiner Sicht;
alles Hoffen dieses Dichters
ist ein Beten für mehr Licht.
Heiland, wenn der spröde Tagtraum
meines Erdenlebens bricht,
segne mir mein vages Hoffen
gnädig dann mit Licht, mehr Licht.
Handwerkliche Mängel bei den Nachwuchs – Protagonisten:
Handlung, Personen etc.: https://www.theaterakademie.de/media/epaper/generate/TA_22-23_Programmheft_Achill_WEB/TA_22-23_Programmheft_Achill_web.pdf
Eine angehende Dramaturgin im 3. Semester propagierte in der Einführung eine modernistische Thematik, nicht existent in der Komposition: Problematik von Geschlechter – Identitäten, – Vielfalt: Homo -, Trans – Hetero – etc.: erfundene Diversivität gem. Programmatik der Präsidentin s. o.!
Das Thema wird ja derzeit gern hochgepuscht, ob es passt oder nicht. Hier geht es tatsächlich nur um die Verkleidung eines jungen Mannes in klarer Geschlechtsidentität, der vor Kriegstreiberei geschützt wird. Trotzdem versuchte man eine fremde Problematik in die Inszenierung zu pressen.
Die eloquente junge Dame hat den Überschreibungsmythos ihrer Präsidentin offensichtlich verinnerlicht, verwechselt immanente echte dramatische Konflikte mit Schicki – Micki – Zeitgeist ach so woker Gender – Thematik von hier fehlenden Diskriminierungen.
„Was bedeutet „woke“?
https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.was-bedeutet-woke-mhsd.e98ad6e7-a8b7-42e8-aae7-7bb0563e0a36.html
Trans-Thematik betraf 2020 in der BRD 0,35 Prozent der Bevölkerung. Selbstverständlich lassen mich diese Minderheiten – Schicksale nicht kalt, aber ich will auch meinen intellektuellen Freiraum nutzen können, wenn ich mich auf Themen einlasse, die diese Thematik nicht berühren. Somit war schon vor der Vorstellung Ärgernis. Die junge Dame dürfte in der Plattitüden – Drescherei besser in Trash – Publikationen aufgehoben sein.
Mir ist klar, dass ich hier nicht höflich formuliere – aber in der Hoffnung beim Nachwuchs noch etwas bewegen zu können, bleibe ich auch in folgenden Wertungen deutlich.
Ausbildung voraussetzende tragfähige Stimmen waren insgesamt bei guten Timbres gegeben.
Ausbildungsdefizit: Textverständlichkeit bestand bei den großteils deutschsprachigen Singenden überhaupt nicht. Erstaunlicherweise konnte hier nur ein japanischer Tenor reüssieren, der auch gesanglich mit Abstand weit vorn lag (2. Semester!).
Ausbildungsergebnis? Die Stimmkerne, also die eigentliche Basis um virtuosen klassischen Gesang übergangslos durch alles Register schweben zu lassen, schien vernachlässigt. Die Stimmen schienen leichtgewichtig (geworden zu sein?).
Ausbildungsdefizit: Legato, gebunden, verbunden die Stimme pausenlos zwischen den einzelnen Tönen ohne Absetzen fließen zu lassen, war defizitär, d. h. ohne den Atemfluss zu unterbrechen, wurde kaum gesungen, ohne Unterbrechung erklang wenig. Stattdessen wurde immer mal gestemmt.
Ausbildungsdefizit: Register- oder auch Lagenausgleich (Passagio) ist der „bruchlose“, gleitende Übergang der Stimme, ohne hörbare Unterschiede zwischen den einzelnen Lagen / Registern und ist eine wichtige stimmbildnerische Aufgabe. Viel zu oft hörte man Tendenzen zu Registerbrüchen mit höhrbaren Aussetzern. Es fehlte also der weiche bruchlose Wechsel der Register. (z. T. Wikip.)
Insbesondere die Soprane bei nahezu identischen Timbres nutzten eine Technik, die an Belten aus dem Rock / Pop erinnert. Vor einer exponierten Lage setzt man ab, holt Luft und treibt die Stimme mit einem stimmlichen Hüpfer in die Höhe – das klingt meist unschön schrill.
Es besteht der Eindruck, dass vornehmlich das Erringen exponierter Lagen in gleichen Timbres trainiert wird, statt zunächst eine ausgeglichene Stimmführung unter Beachtung der natürlichen Stimmfarben in allen Lagen mit der dann folgenden Ausbildung zu den exponierten Gipfeln und Tiefen aus diesen Fundamenten zu schulen. So singt niemand lange und anschaulich.
Ausbildungsdefizit: Outrieren = übertreiben, zu dick auftragen, veralbern. Aller Bühnenspiel war von uninspirierter, wenig verinnerlichter Darstellung getragen. Man spulte geradezu auswendig gelernte Regieanweisungen ungelenk hölzern ab. Da fehlt noch viel internalisierte Schauspielkunst.
Insgesamt bleibt für tradiertes (nicht traditionelles) Theaterverständnis hier fehlgeleiteter operativer Aktivismus, dem strategische Konsequenz vernünftiger Ausbildung in gleichbedeutender Dramaturgie und sängerischem Handwerk eines untergrabendem Wertekanons unterliegt. Das kann nur an Leitern der Institutionen liegen: Intendanten, Direktoren, Präsidenten und den gewohnt desinteressierten politischen Entscheidungsträgern.
Viele etablierte großartige klassisch Singende haben nur über private Ausbildungen ihre Qualität erreicht, unabhängig von Ausbildungen an Hochschulen (s. Kaufmann, Gerhaher etc.).
Im Glauben im Prinzregententheater eine etablierte Aufführung als Leistungsschau der Akademie zu erleben wurde lediglich eine bestenfalls durchschnittliche Schultheater – Aufführung gegeben, die besser auf einer studentischen Werkstattbühne aufgehoben wäre und so über weite Strecken ein Publikum langweilte, das den Saal zu Beginn zu ca. einem Drittel, nach der Pause knapp zu einem Viertel füllte.
Da waren reihenweise Auszubildende der Akademie im Publikum, die den verhaltenen Schlussapplaus unanständig mit Jubel-, Bravo – Chören als Claqueure, „ Claque“ überfrachteten. Eine hier gemäße Ethik sollte auch zum Ausbildungsziel solcher Akademien gehören.
Weitere Themen hierzu wie untergehende Finanzierungen durch vorgegaukelte Inflation, Währungsstabilität, verheimlichter statistischer Warenkorb, geschummelte Börsenkurse, dem Verweigern gegenwärtigem Koma – Patienten Musiktheater geeignete Wiederbelebungen einzuhauchen, Problematik der Auswahl von kompetenten Leitungspersönlichkeiten usw. folgen in Kürze in der letzten Folge der Reihe TTT – Wertewandel + Theaterreform (Arbeitstitel):
Mit, als, ohne Cinema + Digitalismus – Konserven Ja nein, Abgesang Ideal, Utopie, Dystopie – Konditionalgefüge
Tim Theo Tinn 25. 3. 2023
TTT ‘s Musiktheaterverständnis vermeidet Reduktion auf heutige Konsens – Realitäten, Trash-Welten, Wirklichkeiten in Auflösung aller konkreten Umstände von Ort, Zeit und Handlung. Es geht um Parallelwelten, die einen neuen Blick auf unserer Welt werfen, um visionäre Utopien, die über der alltäglichen Wirklichkeit stehen – also surreal (sur la réalité) sind. Menschenbilder sind im psychosozialen Sein zu belassen. Musikalisch determinierte Charaktere sind irreversibel.
Profil: 1,5 Jahrzehnte Festengagement Regie, Dramaturgie, Gesang, Schauspiel, auch international. Dann wirtsch./jurist. Tätigkeit, nun freiberuflich: Publizist, Inszenierung/Regie, Dramaturgie etc. Kernkompetenz: Eingrenzung Feinstoffliches aus Archaischem, Metaphysik, Quantentheorie u. Fraktalem. Metaphysik befragt sinnlich Erfahrbares als philosophische Grundlage schlüssiger Gedanken. Quantenphysik öffnet Fakten zur Funktion des Universums, auch zu bisher Unfassbarem.