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MÜNCHEN/ Philharmonie: „Valery Gergievs MPHIL360° – Festival der Münchner Philharmoniker 2016“

14.11.2016 | Konzert/Liederabende

München: Philharmonie: „Valery Gergievs MPHIL360° – Festival der Münchner Philharmoniker 2016“, 11.-13.11.2016

 Zum zweiten Mal veranstalteten Chefdirigent Valery Gergiev und die Münchner Philharmoniker ihr Festival MPHil360°. Es stand diesmal unter dem Thema „Prokofjew, Liebe, Tanz und Märchen“ und bot in drei Tagen eine Fülle von Konzerten sowie Veranstaltungen mit Tanz, Literatur und Educationprojekten. In einer Art Marathon wurden in diesen drei Tagen alle Klaviersonaten und Symphonien Sergei Prokofjews aufgeführt, kombiniert mit Klaviersonaten Domenico Scarlattis und vier Violinkonzerten von Wolfgang Amadeus Mozart. Allein am Samstag, dem 12.11.,  fanden im ganzen Gasteig über 10 Veranstaltungen für Erwachsene und Kinder statt, die vom Familienkonzert über Kammermusik und Streichorchester bis zu Kurzfilmen und Literatur-Lesungen reichten. Bei den drei (!) Konzerten, die am Sonntag um 11 Uhr, 14 Uhr und 17 Uhr begannen, unterstützte dann das Orchester des Mariinsky-Theaters St. Petersburg, das ebenfalls unter der Leitung von Valery Gergiev steht, die Münchner Kollegen mit der Übernahme von zwei Konzerten. Das Bayerische Staatsballett II, Studierende der Heinz-Bosl-Stiftung und andere Tanz-Formationen steuerten Tanz-Projekte zum Thema „Romeo und Julia“ bei. Alle Veranstaltungen wurden vom Publikum gut angenommen, die großen Konzerte waren seit Wochen ausverkauft.

 Teilgenommen hat die Rezensentin am Eröffnungsabend am 11.11. – in Vertretung und Erinnerung an die am 7.11. verstorbene Kollegin Dorothea Zweipfennig, die sich so sehr gewünscht hatte, trotz ihrer bereits ausgebrochenen tödlichen Erkrankung dieses Konzert noch erleben zu können. Sie liebte die Münchner Philharmoniker, besonders die Bläser, und das Dirigat von Valery Gergiev. Möge sie die ewige Ruhe finden! Ihre Familie und viele Musikfreunde werden Dorothea vermissen.

 Im Zentrum des Abends stand die konzertante Aufführung des dritten Aufzugs von „Parsifal“ von Richard Wagner. Zuvor gab es vor der Pause noch – getreu dem Motto des Festivals – Prokofjews „Symphonie classique“, von Gergiev mit Verve dirigiert und vom Orchester mit Esprit und Präzision gespielt. Es folgte Mozarts Violinkonzert Nr. 5 KV 219, als Solist der 2001 (!) in Schweden geborene Daniel Lozakovich. Dieser Jüngling, um das nicht mehr sehr geläufige Wort zu gebrauchen, hat im Alter von sechs Jahren angefangen Violine zu spielen und bereits zwei Jahre später sein Orchesterdebüt gegeben. Er arbeitet heute mit vielen großen Orchestern zusammen, so seit kurzem auch mit dem des Mariinsky-Theaters unter Valery Gergiev. Er spielte das Konzert mit schönem, noblem Ton und erfreute das beifallsfreudige Publikum mit einer Zugabe (Fritz Kreisler?).

 Dann nach der Pause (endlich) „Parsifal“. Es war schon weit nach 21 Uhr, als die ersten sehrenden Töne des Vorspiels zum dritten Aufzug begannen. Die Münchner Philharmoniker entfalteten ihre berühmte weiche und dunkle Klangkultur und Valery Gergiev kostete mit sehr langsamen Tempi die Partitur voll aus. Als der Gurnemanz von René Pape seine Stimme erhob, war man schon voll in das Werk eingetaucht. Der hervorragende Bassist Pape gestaltete seine Rolle sehr wortdeutlich und auch in der konzertanten Aufführung dem Inhalt und der Dramatik jeder einzelnen Passage angemessen. Nicht ganz so der russische Tenor Sergei Semishkur als Parsifal: Er hat zwar eine schöne weiche, trotzdem substanzreiche Stimme, singt seine Partie sehr sicher, ist aber von einer stimmlichen Interpretation noch etwas entfernt. Da er an seiner Heimatbühne, dem Mariinsky-Theater, viele große Tenorrollen singt und von Gergiev sehr geschätzt wird, kann man annehmen, dass die für Gesang eher ungünstigen akustischen Verhältnisse in der Philharmonie an der etwas einschränkenden Aussage schuld sind. Für den erkrankten Evgeny Nikitin sang Albert Dohmen den kurzen, aber wichtigen Part des Amfortas stimmschön und verständlich. Der Philharmonische Chor München (Einstudierung: Andreas Herrmann) und die Augsburger Chorsingknaben (Einstudierung: Reinhard Kammler) sangen die Chorpassagen klangvoll. Als die letzten Töne verklungen waren, gab es über viele Sekunden eine andächtige Pause, ehe der Beifall des begeisterten Publikums losbrach. 

 Es war inzwischen 23 Uhr geworden und nicht wenige Besucher waren in Sorge wegen der späten Heimkehr. Ich glaube, dass auch der dritte Aufzug Parsifal allein attraktiv und tragfähig für einen Konzertabend wäre, wie es andere berühmte Dirigenten und Orchester schon praktiziert haben.

 Helga Schmöger

 

 

 

 

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