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MÜNCHEN/ Nationaltheater/ Bayerisches Staatsballett: PASSAGEN

28.03.2022 | Ballett/Performance

München: Bayerisches Staatsballett: Ballettfestwoche: „PASSAGEN“, 27.03.2022:

2022 dürfen sich Fans des Bayerischen Staatsballetts wieder auf eine Ballettfestwoche freuen, nachdem 2021 pandemiebedingt keine stattfinden konnte. Eröffnet wurde das diesjährige Festival am 26.03. (besuchte Aufführung am 27.03.) mit „Passagen“, einem spannenden Dreiteiler, der auch zwei Uraufführungen enthielt.

Der Abend wurde mit der Neukreation „Affairs oft he Heart“ des englischen Choreografen David Dawson eröffnet. Zur Musik des 2002 komponierten Violinkonzerts „Affairs of the Heart“ von Marjan Mozetich (Solist: Markus Wolf) will Dawson alle Emotionen eines menschlichen Herzens ausdrücken. Die Tänzer (drei Solistinnen, zwei Solisten sowie vier weitere Paare) sind Bewohner eines Herzraums, in dem sich leidenschaftliche Gefühle entwickeln und ausdrücken sollen. Die neoklassische Choreografie ist allerdings nach meinem Empfinden in Schritten und Hebungen eher von klaren und kühlen Linien geprägt als von großen Emotionen. Auch die schlichten, grauen Trikots (Kostüme: Yumiko Takeshima) und das schlichte, geometrische Bühnenbild von Eno Henze entfachen keine glutvolle Leidenschaft. Gleichwohl zieht einen das Stück durch die Schönheit der Bewegungen der kreativen Ensembles, Soli und Pas de deux sowie dem schwebenden und virtuosen Tanz der Protagonisten in seinen Bann. Besonders zu begeistern vermochte Shale Wagman, einer der beiden Solisten, durch seine tänzerische Extraklasse und seine interessante und spannende Bühnenpersönlichkeit. Auch Elvina Ibraimova, Maria Baranova, Sofia Ivanova-Skoblikova, die kurzfristig für die verletzte Prisca Zeisel eingesprungen war, sowie Emilio Pavan beeindruckten das Publikum.

Weiter ging’s mit Alexey Ratmanskys „Bilder einer Ausstellung“, einer für das New York City Ballet im Jahr 2014 geschaffenen Choreografie zu Modest Mussorgskys großartigem Klavierzyklus, brillant dargeboten von Pianist Dmitry Mayboroda. Nach dem kühlen, von eleganten Grautönen beherrschten „Affairs of the Heart“ vermittelte dieses Stück nun Wärme, Helligkeit und eine positive Stimmung. Die Bühne ist hell ausgeleuchtet, im Hintergrund erscheint Wassily Kandinskys „Farbstudie“ als Videoinstallation und die zehn Tänzer sind in pastellfarbene, fließende Kostüme gekleidet. Alexey Ratmansky versteht es meisterhaft, Musik in Tanz umzusetzen. Seine dynamische, auf der klassischen Technik basierende, aber auch moderne Elemente aufnehmende Tanzsprache machte die unterschiedlichen Facetten der farbenreichen Musik sichtbar und erlebbar. Von den Tänzern ist hier in erster Linie Gasttänzerin Rebecca Horner vom Wiener Staatsballett zu erwähnen, die ihren Part kurzfristig von Prisca Zeisel übernommen hatte und mit ihrer starken Ausstrahlung und ihrem kraftvollen Tanz in Erinnerung bleiben wird. Wunderschön tanzten außerdem die elegante, leichtfüßige Kristina Lind, sowie der noble Dimitrii Vyskubenko. Das dritte Stück, die Uraufführung „Sweet Bones‘ Melody“ von Choreograf Marco Goecke zeigte die außergewöhnlichste Bewegungssprache und war deswegen auch am einprägsamsten. Die für Goeckes Kreationen typischen rasend schnellen, zuckenden, fast unwirklichen Bewegungen verschmolzen geradezu mit der komplexen, einerseits rasanten und fast chaotischen, dann wieder streng rhythmischen Musik von Unsuk Chin („Mannequin“ Tableaux vivants für Orchester). Die Tänzer in schwarzen Hosen und Oberteilen betraten die mit schwarzem Schnee bedeckte und berieselte Bühne wie aus dem Nichts und verließen sie nach ihren irrwitzigen Tanzpassagen ebenso geisterhaft. Eine beklemmende, aber auch spannende Atmosphäre. Herausragender Tänzer war wieder Shale Wagman, dessen schon fast unwirklich schnelle Drehungen in seiner Solosequenz absolut begeisterten.

Am Ende setzte Marco Goecke noch ein Zeichen für den Frieden, indem er im Schlussbild Tänzer António Casalinho mit einer weißen Taube auftreten ließ. Dirigent Tom Seligman führte das grandios spielende Bayerische Staatsorchester mit bewundernswerter Präzision durch die hochkomplexe Partitur. Insgesamt war es ein interessanter Abend, den das Publikum mit heftigem Beifall bedachte.

Gisela Schmöger

 

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