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MÜNCHEN/ Kammerspiele: MARIA STUART von Friedrich Schiller. Neuinszenierung

02.02.2015 | Theater

MÜNCHEN/Kammerspiele: maria stuart  von Friedrich Schiller

Premiere am 31. Januar 2015,
besucht wurde die zweite Vorstellung am 1. Februar 2015

 Im Schlussbild sehen die Zuschauer wie sich der Eiserne Vorhang vor einer um Fassung ringenden Königin Elisabeth senkt. Endlich hat das Henkerbeil Maria Stuart, Elisabeths Erzrivalin um Krone und Volksgunst, um konfessionelle Vormachtstellung und Männerliebe, für immer den Mund verschlossen. Doch auf der Bühne steht eine Verliererin –  gedemütigt und alleingelassen von ihrer männlichen Entourage und in angstvoller Vorausahnung qualvoller Schuldgefühle und politischer Verwicklungen im In- und Ausland. Regungslos, aber mit desto wilder zwinkernden Augen und nervösen Entgleisungen der Gesichtsmuskeln lässt Annette Paulmann ihre leicht überdimensionierte, stoffpuppenartig ausgestopfte Elisabeth die persönliche Katastrophe quittieren.

Bereits während der gut zweieinhalb Stunden zuvor hatten die Zuschauer viel Muße, sich im Interpretieren mimischen Ausdrucks zu üben. Denn in der Regie Andreas Kriegenburgs herrscht an Elisabeths Hof vor allem dies: ein Zustand der Starre und Statik, der eingekerkerten Emotionen. Alle sind sie von Kopf bis Fuß eingeschnürt in das enge Korsett strenger höfischer Kleidung und Etikette, dem kaum eine echte Regung entweicht. Positioniert wie Schachfiguren stehen die schwarz behandschuhten männlichen Hofschranzen auf den Bühnenbrettern, drehen sich in sparsamen Schrittfolgen umeinander, lauern, spinnen die Fäden ihrer Intrigen und Machtkämpfe. Bloß keine schutzlose Nähe zulassen – körperliche Ausbrüche, spontane Geständnisse? Fehlanzeige. Da gerät schon ein Schrei, eine kleine Berührung zur Sensation.

Kein Wunder,  dass der galant und locker daherparlierende französische Gesandte (Vincent zur Linden), der Elisabeth das Jawort für eine Verbindung mit Frankreich zu entlocken versucht, in dieser ausgetrockneten Umgebung wie ein Geck wirkt. Die Szene ist zugleich der erste Auftritt der in rachsüchtiges Gelb gekleideten Königin (Kostüme: Andrea Schraad) und ein schauspielerisches Highlight: Wie sie den Antragsteller sauertöpfisch und mit diplomatischer Routine abkanzelt, lässt tief blicken. Eine unglückliche Machthaberin ist das, die gelangweilt und genervt ihre Pflicht tut, ihre eigenen Bedürfnisse zunehmend widerwillig dem Volkswillen opfert, und riskante Entscheidungen gerne mal aussitzt. Zweifellos hat sich diese Herrscherin schon längst und bei vollem Bewusstsein ihren eigenen Kerker geschaffen –Angst vor Machtverlust und Abhängigkeit von anderen Meinungen bilden die Gitter.

Für sein eigenes Bühnenbild findet Kriegenburg auch gleich eine stimmige Umsetzung dieser Behauptung: Dieselben grauen übereinander gewuchteten Betonwürfeln umrahmen alle Szenen, Mauern, die Maria und Elisabeth, Gefängnis und Palast gleichermaßen unerbittlich umschließen. Die härteren Haftbedingungen treffen aber doch die schottische Königin. Das ist schlicht Folter, wie Elisabeth sie da in fast völliger Finsternis dahinvegetieren lässt. Und tatsächlich wirkt die Rivalin schon zu Beginn des Stücks komplett Schachmatt gesetzt. In einem weißen Leichenkleid, fingernägelkauend und mit kurzgeschorenem Haar trippelt und tastet sich Brigitte Hobmeier durch die Dunkelheit, ihr Todesurteil erwartend. Das ganze Elend, weit aufgerissene Augen, auch mal in Großaufnahme auf die Rückwand projiziert. Maria hat hier nichts von der ihr zugeschriebenen Verführungskraft, sie ist nur noch ein Schatten ihrer selbst – ein Gespenst. Auch dann, wenn sie notdürftig aufgehübscht und mit Perücke zum großen Rede-Duell der Konkurrentinnen antritt.

Denn auch wenn beiden Welten das Leben komplett ausgepresst wurde – das können Kriegenburgs Puppen und Geister noch: Sprechen. Und Kriegenburg lässt sie reden. Reden, um das Gegenüber zu verletzen, zu überzeugen, einzuschüchtern, um sich selbst zu rechtfertigen, zu befreien, um Machtpositionen zu sichern. In einem wahren Sprech-Wasserfall ergießen sich die Schillerschen Verse über das Publikum und lassen kaum Luft für Fragezeichen oder Geheimnisse. Wenige stille Bilder prägen sich ein: Wenn die beiden Königinnen nebeneinander stehen und ihre Köpfe in den aus einer Deckenluke strömenden Wasserdampf recken, um wenigstens einmal die Illusion von Frische und Freiheit zu haben. Doch dann geht es gleich weiter im Text. Wenigstens darf Maria hier endlich einmal ganz frank und frei brüllen, was sie wirklich über ihre königliche Schwester denkt.

Schiller war wenig daran interessiert, Menschen aus Fleisch und Blut auf die Bühne zu bringen, lieber  beobachtet und überdreht er die zerstörerische Kraft höfischer Ränkespiele in effektvollen Zuspitzungen. Kriegenburg fügt diesem Anliegen kaum Eigenes hinzu, erzählt schnell, gewissenhaft und präzise. Die Schauspieler müssen sich auf ihre Sprechkunst und Mimik verlassen, was den beiden Frauen bestens gelingt, die Männer mitunter etwas blass aussehen lässt. Von einem Leicester (Oliver Mallison) in seinem feigen Schlingerkurs darf man eigentlich mehr erwarten

Was die Inszenierung im zweiten Teil dann doch zäh werden lässt, sind die fehlenden Überraschungen oder wirklichen Abgründe jenseits theatralischer Konvention. Wobei das Publikum bis zum Schluss gefesselt blieb und die Schauspieler mit viel Applaus und Bravorufen belohnte.

Christine Mannhardt

 Nächste Aufführungen: 06.02.,  15.02., 26.02., 12.03., 16.03.

 

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