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MÜNCHEN/ Gärtnerplatztheater: RIGOLETTO. Premiere

31.01.2020 | Oper

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Jennifer O’Loughlin, Aris Argiris. Foto: Christian POGO Zach

Giuseppe Verdi: RIGOLETTO – Staatstheater am Gärtnerplatz, 30. Jänner 2020 (Premiere)

Dass „Rigoletto“ zu den beliebtesten Opern zählt, darf als bekannt vorausgesetzt werden. Wie beliebt das Werk ist, zeigt ein Blick in Operabase. Weit mehr als 50 verschiedene Produktionen stehen in dieser Spielzeit allein in Europa auf den Spielplänen der größeren wie weniger berühmten Opernhäuser; nur im deutschsprachigen Raum weist diese Datenbank gut 20 unterschiedliche aus.

Seit gestern, 30. Jänner, steht „Rigoletto“ auch im Staatstheater am Gärtnerplatz in München am Spielplan und ist nach langjähriger Abstinenz in einer Neuinszenierung und mit durchwegs großartigen Solisten wieder zu erleben.

Mit der szenischen Umsetzung dieser Neuinszenierung hat Staatsintendant Josef Köpplinger Herbert Föttinger betraut, der für dieses Haus bereits „Don Giovanni“ mehr als diskussionswürdig inszeniert hat. Dass man von ihm keine traditionelle Inszenierung und auch kein historisierendes Mantua erwarten durfte, war jedem, der diesen „Don Giovanni“ oder auch den „Fidelio“ im Theater an der Wien gesehen hat, klar. Nicht nur in Zeiten von „Me Too“ liegt die Aktualität des Stückes auf der Hand und auch das Machogehabe vieler Männer ist weder neu noch auf Südeuropa oder den Nahen oder Mittleren Osten beschränkt. Und dennoch denke ich, dass Föttinger in seiner Interpretation dem Stück einiges an Gewalt angetan hat. Man kann „Rigoletto“ durchaus als politisches Stück sehen; dieser Sichtweise Föttingers, die er in mehreren Interviews im Vorfeld der Premiere geäußert hat, ist zuzustimmen. Den Duca als beispielsweise Berlusconi oder Weinstein oder, soll sein, auch als Putin oder Bill Clinton zu zeigen, wäre zwar plakativ, aber immerhin dem Inhalt entsprechend. Aber was hat die Spaßgesellschaft der Höflinge (ist es denn wirklich eine Spaßgesellschaft ?) mit Ibiza zu tun, wie es der Regisseur in einem Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk sieht. Aber ist Rigoletto wirklich dieser Opportunist, der sich zum eigenen Vorteil auch einem kriminellen System anbietet ?  Ist Gilda denn wirklich, wie es der Regisseur der „Abendzeitung“ erklärt, in einem Internat oder einem Kloster aufgewachsen und deshalb vielleicht etwas weltfremd; können Vater und Tochter deshalb keine tragfähige Beziehung aufbauen und halten ? Das Konzept für sich klingt plausibel. Ob es den Intentionen von Victor Hugo, Francesco Maria Piave und nicht zuletzt Giuseppe Verdi (der ja mit der Zensur für dieses Stück genug zu kämpfen hatte) entspricht, ist die andere Seite der Medaille.

Es gibt auf der Bühne (Bühnenbild: Walter Vogelweider, Kostüme: Alfred Mayerhofer, Licht: Michael Heidinger)  daher auch kein als Mantua identifizierbares Bühnenbild. Aber es wird, anders geht es heute wohl nicht mehr, viel geraucht und getrunken (und kopulierend [?] am Boden gewälzt). Ich enthalte mich einer Bewertung und übernehme wörtlich eine Passage aus dem Gespräch in Bayern 2: „Rein architektonisch haben wir einen Beton-Irrgarten, der sehr viel ermöglicht. Wir haben einen Swimmingpool, wir feiern eine ausgelassene Party. Wir haben den Vorraum des Herzogs, und dann können wir drehen und sind da auf einer Straße, und nach der Pause, die wir auch ein bisschen anders setzen werden, erst nach dem zweiten Akt, was nicht üblich ist, weil es ja dann nurmehr 35 Minuten dauert, kommen wir zum Meuchelmörder Sparafucile, und das wird eine Art Tankstelle sein. Irgendwo da draußen in der Peripherie von Mantua, treibt dieser Killer sein Unwesen.

Und wie steht es um die musikalische Seite dieser Premiere ?

Die Solisten sind bis in die kleinsten Partien gut bis sehr gut bis ausgezeichnet besetzt. Und wäre diesem Ensemble ein gleichermaßen stimmiger Orchesterklang zur Verfügung gestanden, man hätte ohne wenn und aber von einer musikalischen Sternstunde sprechen können. So war es eben „nur“ ein Sängerfest. Denn der Orchesterklang unter dem Dirigat von Anthony Bramall kann leider nicht anders als mit den Worten laut und derb beschrieben werden. Caroline Adler (Page), Martin Hausberg (Gerichtsdiener), Elaine Ortiz Arandes (Gräfin Ceprano), Holger Ohlmann (Graf Ceprano) oder Gyula Rab (Borsa) überzeugen in ihren Partien, Ludwig Mittelhammer ist ein sehr guter Marullo und Ann-Katrin Naidu eine nahezu perfekte Giovanna. Wenn Christoph Seidl als Monterone seinen Fluch ausstößt, dann hat er zuvor bei seinem Auftritt schon allein durch seine Persönlichkeit überzeugt, stimmlich läuft es dem Zuhörer kalt über den Rücken (und das ist, damit der Chronist nicht falsch verstanden wird, durchaus als Kompliment gemeint). Levente Páll verleiht dem Sparafucile die erforderliche hinterhältige Dämonie und glänzt mit der vom Komponisten geforderten Tiefe und Schwärze, Anna-Katharina Tonauer verführt die (Bühnen)männer stimmlich wie optisch.

Die Wahl fällt schwer, welcher der Hauptpartien die Krone zu reichen ist. Ich habe schon lange keinen Herzog gehört, der wie Lucian Krasznec gestern Abend mit solcher Leichtigkeit und Höhensicherheit nicht nur Gilda für sich einnehmen lässt. Das war, um einen längst verstorbenen Entertainer zu zitieren, einfach Spitze. Diese Gilda ist Jennifer O´Loughlin, die einige aus Wien angereisten Premierenbesucher in dieser Rolle noch aus der Volksoper in Erinnerung haben. Ihre Stimmführung oder ihre Gesangskultur nochmals zu loben, hieße legendäre Eulen nach Athen tragen. Nicht nur ihre krönenden Spitzentöne können nicht anders als perfekt genannt werden. Und schließlich Aris Argiris in der Titelpartie. Unter den wenig differenzierten Klangmassen des Orchesters hatte er am meisten zu leiden (auch, und das war nur wenigen Besuchern bekannt, weil er gesundheitlich angeschlagen war). Alles in allem gilt aber auch für ihn – überzeugend in jeder Weise.

Wie immer großartig der von Pietro Numico einstudierte Chor. 

Minutenlanger Jubel für die Solisten, gedämpftere Begeisterung für das Leadingteam.

PS: Dem von Wien nach München gereisten Berichterstatter fällt auf, dass zeitgleich zur Premiere von „Rigoletto“ im Theater in der Josefstadt die Premiere von Arthur Schnitzlers „Zwischenspiel“ (Regie: Peter Wittenberg) stattgefunden hat. Der Direktor des Theaters in der Josefstadt ist ident mit dem Regisseur von „Rigoletto“. Welch Glück, dass beide Spielstätten nur rund 450 km entfernt sind und in unserer technikorientierten Zeit der Direktor die letzten Phasen vor einer Premiere auch aus der Ferne beobachten kann.

Michael Koling

 

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