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MÜNCHEN/ Gärtnerplatztheater: OPERN AUF BAYRISCH (Der Freischütz), Tannhäuser, Turandot)

24.02.2020 | Oper

MÜNCHEN/ Gärtnerplatztheater  „Opern auf Bayrisch“:

„Gott ist halt immer noch, das glaubst, barmherziger als wie der Papst“ Kleinod tiefen Humors, hintersinnigen Sprachwitzes, schillernd witzig, lakonisch präzise!

Einlassungen vom Tim Theo Tinn zur Vorstellung am 23. Febr. 2020


Ensemble © Matthias Reithmeier

In den „Opern auf Bayrisch“ hat Paul Schallweg Opern in originelle bayrische Mundartverse transformiert. Sprachakrobatik, 12 köpfiges Komik- Orchester, Percussion-„Klangkörper-Kramerladen“ bilden eine wundervolle Synthese klassischer Musiktheater-Inhalte und humorvoller satirischer Adaption in bayrische Welten, mündend in einer einzigartigen Bühnenadaption.

Eingang in bajuwarische Universen und Seelentiefe fanden:

Der Freischütz       „Wia a Jaager auf ned ganz saubere Weis zu seim Wei kemma is!“
Tannhäuser            „De Venus in der Kampenwand!“
Turandot                „Wia a chinesische Prinzessin à la tatar kloakriagt worn is!“

Ein platter Witz: „In Hamburg auf St. Pauli wurde ein Sarg gefunden. Man hat versucht, ihn zu öffnen. Ging nicht. War ein Zuhälter drin!“

Diesen Humor in Versicherungsvertreter – Penetranz, „Hau drauf Humor“ wie allfällig medienweit Comedians auftischen, gab es nicht.

Man lacht mglw., aber berührende Seelensprache in der Tiefe eines Karl Valentins mit schrägen Pointen und absurder Persiflage, eigentlich intellektuell aber gar nicht akademisch, feinsinniger Humor in nüchternen Worten und Situationen eröffnete ganz andere Dimensionen. Beglückend war diese szenisch/musikalische Einrichtung, in der im Wesentlichen rezitiert, wenig gesungen, viel musiziert wurde.

Zur Entstehung, Entwicklung, Protagonisten nach über 400 Vorstellungen seit 1985: http://www.kuenstlerbergwerk.de/kuenstler/opern-auf-bayrisch

Die Schauspieler Gerd Anthoff, Conny Glogger, Michael Lerchenberg ließen in überschäumender Virtuosität, aber doch bayerischem Understatement die Parallelwelten im bayrischen Kosmos der Musiktheater (s.o. von Puccini, Wagner, von Webern) aufblitzen, als feinsinniges Vergnügen, kabarettistisch intelligent mit den rezitierten Paul Schallweg – Texten. Immer wieder fanden kleine assoziative Überblendungen/ Anspielungen in unsere tatsächliche Konsenswelt satirischen Ausdruck oder auch nur bissige Reminiszenz. Es ist bodenständig ohne jeden Klamauk- ein kleines Wunder.

Beispiele: „Gott ist halt immer noch, das glaubst, barmherziger als wie der Papst!, Coronavirus, Zitat Papst Benedict: „Grüßen Sie mir mein schönes Bayern!“, Hartz IV usw.


Gerd Anthoff, Conny Glogger, Michael Lerchenberg © Matthias Reithmeier

Musik, Musikensemble „Opern auf Bayrisch“ (12 Mitglieder großer Münchner Orchester) unter der Leitung von Andreas Kowalewitz: statt differenzierter Bewertung: es war alles, alles optimal. Der musikalische Aplomb war virtuos, mitreißend musiziert, voll größter Qualität. Musik wird so selbstverständlich, dass man bald glaubt, es könne nicht anders sein.

Die Musik von Friedrich Meyer und Rolf Wilhelm mixt kürzeste Motivpartikel quer durch weite musikalische Welten. Zitate zentraler musikalischer Motive aus Freischütz, Tannhäuser, Turandot werden in Potpourris mit vergnüglicher Leicht- und Selbstverständlichkeit verwoben. Alpenländische und bajuwarische Klänge mischen z. B. bayrischen Zwiefacher (Volkstanz) mit klassischen Arien (instrumental), der Triumphmarsch aus Aida verschmilzt mit „Ja, mir san mit’m Radl da“. Erinnerungsfetzen: Volkstümliches wird in jazzige Welten geführt, diese wachsen zum Dixieland-Rausch, Aufblitzen zehrender Musik aus „Spiel mir das Lied vom Tod“ (Morricone),  Charmantes mit „Ich küsse Ihre Hand Madame“,   latin -südamerikanischer Cha-Cha-Cha, Eingangsmelodie von James Bond, in der Turandot kommt der Walzer „Wiener Blut“ und „Kalinka, Kalinka“,  „Beim ersten Mal, da tuts noch weh….“ usw.

Diese gigantische musikalische Vielfalt war kein Kauderwelsch, sondern wohlstrukturierte wundervolle Unterhaltung in rasantem Bühnengeschehen eines Komik-Orchesters, dessen Mitglieder durchgehend als Komiktalente durchgehen. Da wurde szenisch auf bestem Niveau geblödelt, was das Zeug hält, dem „Affen so viel Zucker“ gegeben, dass das Publikum vor Vergnügen johlte.


Philipp Jungk – Percussion = „Klangkörper-Kramerladen“: kupferne Bettflaschen, Pfannen, Kuhglocken, Holzklappern, Vogelpfeiferl, Luftpumpe, Donnerblech usw. als Schlag u. Effektinstrument  ©Matthias Reithmeier

Eine Klasse für sich sieht man hier. Philipp Jung agiert mit seinem „Kramerladen“ in der superlativen Nutzung  Nicht-Instrumentaler Klangproduktion. Mit obigen Flohmarkt – Artikeln eröffnet er ein neues Klanguniversum auf höchst unterhaltsame Art, die auch zu vielen kleinen szenischen Aktionen führte. Die Situationskomik mündete in großartigen clownesken Aktionen – nie albern aber immer höchst amüsant. Das lachende Publikum folgte einfach vital ausgezeichneter Comedy, nicht aufgesetzt, sondern von Herzen.

Ein dynamisches, kurzweiliges Vergnügen mit latentem besinnlichem Tiefgang morgens ab 11 Uhr endete mit der Zugabe in Themen aus der 35jährigen Aufführungstradition in 30 weiteren heiteren Minuten. Wie oft verlässt man ein Theater mit so großer Zufriedenheit?

Tim Theo Tinn, 24. Febr. 2020

TTT‘s Musiktheaterverständnis ist subjektiv davon geprägt, keine Reduktion auf heutige Konsens- Realitäten, Yellow-Press Wirklichkeiten in Auflösung aller konkreten Umstände in Ort, Zeit und Handlung zu haben. Es geht um Parallelwelten, die einen neuen Blick auf unserer Welt werfen, um visionäre Utopien, die über der alltäglichen Wirklichkeit stehen – also surreal (sur la réalité) sind.

Profil: 1,5 Jahrzehnte Festengagement Regie, Dramaturgie, Gesang, Schauspiel, auch international. Dann wirtsch./jurist. Tätigkeit, nun freiberuflich: Publizist, Inszenierung/Regie, Dramaturgie etc. Kernkompetenz: Eingrenzung feinstofflicher Elemente aus Archaischem, Metaphysik, Quantentheorie u. Fraktalem (Diskurs Natur/Kultur= Gegebenes/Gemachtes) für theatrale Arbeit. (Metaphysik befragt sinnlich Erfahrbares als philosophische Grundlage schlüssiger Gedanken. Quantenphysik öffnet Fakten zur Funktion des Universums, auch zu bisher Unfassbarem aus feinstofflichem Raum. Glaube, Liebe, Hoffnung könnten definiert werden). TTT kann man engagieren.

 

 

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