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MÜNCHEN/ Gärtnerplatztheater: HÄNSEL UND GRETEL – vormittags

06.12.2019 | Oper

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Juan Carlos Falcón (Hexe). Foto: Christian POGO Zach

Gärtnerplatztheater München – „Hänsel und Gretel“ (6.Dezember 2019)

München im Advent – die Innenstadt ist voll mit Weihnachtsmärkten, gefüllte Einkaufstaschen schleppende Menschen quetschen sich durch Scharen von Touristen, die Luft ist geschwängert vom Geruch von Punsch und Glühwein. Nichts ist zu merken von der angeblich stillsten Zeit im Jahr. Etwas abseits des Trubels strahlt das Staatstheater am Gärtnerplatz, wie es offiziell heißt, in der Tat einen Hauch von Ruhe aus. Selbst am heutigen, 6. Dezember, Vormittag, an dem das Haus bis zum letzten Platz mit Schulkindern und ihren Lehrkräften gefüllt ist (und ich nur mit Mühe eine Karte kaufen konnte, weil diese Kinder- und Jugendvorstellung eigentlich ausverkauft war; ich war mit weitem Abstand der älteste Besucher).

„Hänsel und Gretel“ wird in der legendären Inszenierung von Karl Dönch in der Volksoper seit beinahe 30 Jahren gespielt. Noch älter ist die Inszenierung des Gärtnerplatztheaters, die im Dezember 1974 ihre Premiere hatte. Und ob der Tatsache, dass die 500. Aufführung dieser Produktion bereits zurück liegt, darf davon ausgegangen werden, dass diese Inszenierung einen ähnlichen Kultstatus genießt, wie die Produktion der Volksoper.

Nach einer Inszenierung von Peter Kertz steht am Besetzungszettel, aber Ferdinand Hofmann hat als Leiter der Wiederaufnahme (heute war die dritte Vorstellung der Serie) mit den Mitwirkenden sichtlich geprobt. Und vermutlich sind auch Bühnenbild und Kostüme (nach Hermann Soherr) einmal aufgefrischt worden. Es ist eine, wie man so sagt, werktreue und kindergerechte Inszenierung. Ärmlich das Haus der Familie im ersten Bild, ein beinahe echt wirkender Wald im zweiten und dritten Bild und zuletzt das Knusperhäuschen der Hexe wie aus dem Bilderbuch. Der Chor der Engel tritt aus der Dunkelheit des Bühnenhintergrundes auf – alle tragen überdimensionierte Flügel und passend zum Orchester blasen einige (zumindest scheinbar) auf langen Trompeten; Hexen fliegen durch die Luft; Nebelschwaden wallen über die Bühne. Ich gestehe – auch mich durchaus nicht mehr jungen Menschen hat diese Inszenierung gepackt.

Und auch auf der musikalischen Seite bleiben nur wenige Wünsche unerfüllt. Einmal mehr zeigt das Gärtnerplatztheater, welches Potential in seinen Sängern, dem Kinderchor und dem Orchester steckt. Valentina Stadler (sie ist immer wieder auch in größeren Rollen zu hören) und Julia Duscher überzeugen in den ebenso kurzen wie wichtigen Partien von Sandmännchen und Traummännchen; eine in jeder Weise überzeugende Hexe ist Juan Carlos Falcón, bei dem der Gast aus Wien vergisst, dass diese Rolle häufig von Sängerinnen oder auch Sängern am Ende ihrer Karriere gespielt wird. Das Elternpaar geben, zurückhaltend und überzeugend in Spiel und Gesang gleichermaßen, Ann-Katrin Naidu und Mathias Hausmann. Nun ist ja 10:30 Uhr kein wirklich idealer Zeitpunkt, dass Stimmen ihren vollen Glanz entfalten können. Und eine Aufführung findet natürlich auch unter anderen Bedingungen statt, als eine Probe, bei der nicht voll aufgewärmte Stimmbänder weniger ins Gewicht fallen. Und ich denke, dass die eine oder andere Höhenschärfe bei Frau Naidu (Gertrud) zu Beginn der Vorstellung darauf rückführbar war (was den Gesamteindruck aber nur marginal trübte). Dass Hausmann den Peter nicht wie so häufig erlebbar übermäßig polternd spielt und singt, sondern hörbar auf differenzierte Zwischentöne Wert legt, fällt überaus positiv auf. Ein annähernd ideales Geschwisterpaar sind Jennifer O´Loughlin (Gretel) und Anna-Katharina Tonauer (Hänsel). Manch ein so genanntes erstes Haus könnte sich glücklich schätzen, so eine Besetzung für die Titelrollen im Ensemble zu haben (was in gleicher Weise auch für Mathias Hausmann gilt). Es wäre Erbsenklauberei in Verbindung mit Beckmesserei, wollte der Besucher bei diesen beiden Sängerinnen eine negative Bewertung suchen oder beschreiben wollen, so müssen von Erwachsenen gesungene Kinder klingen Uneingeschränktes Lob gebührt auch dem Kinderchor des Gärtnerplatztheaters, gewohnt klangschön auch das Orchester unter der Leitung von Howard Arman.

Ein etwas längeres PS:

Immer wieder wird darüber diskutiert, ab wann Kinder in die Oper zu einer kompletten Aufführung gehen sollen und welche Werke denn kindergerecht sind. Dieser Vormittag war für Schulklassen bestimmt und ich vermute, dass alle Kinder maximal 10 Jahre alt waren. Bis zur Pause dauert die Aufführung deutlich länger als eine Schulstunde und im Gegensatz zur Schule gibt es auch keine Kommunikation mit einem anderen Menschen (Lehrer). Und natürlich dauert es einige Zeit, bis die Kinder aus dem Pausenmodus (lärmen, tratschen, …) in den Schulmodus (Konzentration auf eine Sache) umschalten. Und Schulstunden sind auch ganz bewusst deutlich kürzer als eine Stunde.

Ich habe in der Pause mit einer Lehrerin gesprochen, die über die Unruhe der Kinder selbst überrascht war. „Wir haben vor dem Opernbesuch über „Hänsel und Gretel“ gesprochen, vor allem auch über die Musik. Und alle kennen ja auch das Märchen“. Dass für diese Altersgruppe die Oper zu lange dauert und wahrscheinlich auch keine wirkliche Kinderoper ist, dieses Argument kam von ihr – und wir waren uns einig.

Dass unter diesen Rahmenbedingungen eine wirklich sehr gute Aufführung zustande gekommen ist, dafür gebührt dem Orchester, dem Chor, den Solisten und vor allem auch dem Dirigenten ein besonderer Dank.

Michael Koling

 

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