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MÜNCHEN/ Gärtnerplatztheater: DIE GROSSHERZOGIN VON GEROLSTEIN von Jaques Offenbach. Premiere

27.01.2023 | Operette/Musical

Jacques Offenbach: DIE GROSSHERZOGIN VON GEROLSTEIN – Gärtnerplatztheater München, 26. Jänner 2023 (Premiere)

 Je ein Schilderhäuschen rechts und links vom Eingang – allerdings ohne zugehöriges Wachpersonal, das vermutlich für einen vom General geplanten Krieg als Verstärkung abgezogen worden ist; die Aufschrift Gerolstein verweist jedenfalls auf den Ort. Und vor dem Haus wartet eine international vermischte Touristengruppe mit ihrer Reiseleiterin, die den Damen und Herren aller Altersgruppen den Operettenstaat zeigen wird. In Wahrheit befinden wir uns vor dem Gärtnerplatztheater und am Programm steht an diesem Donnerstag Abend, 26. Jänner, die Premiere von Offenbachs „Die Großherzogin von Gerolstein“. Dieses von besagter Dame regierte Großherzogtum, ein knapp 4 km² kleiner Operettenstaat, gibt es in der Realität nicht; wohl aber gibt es in der Eifel einen gleichnamigen Ort, der durch seine Mineralquellen überregionale Bedeutung erlangt hat. Und in diesem Ort gibt es auch eine Burg (Burg Lissingen) und eine Kaserne.

Auch für diese Operette hatte sich Jacques Offenbach zwei bewährte Librettisten gesichert – Henri Meilhac und Ludovic Halevy und so ist es auch kein Wunder, dass sich diese nach der Uraufführung am 12. April 1867 und ein paar Umarbeitungen zu einem „Renner“ während der Pariser Weltausstellung entwickelte. In ihrem Kostüm als Großherzogin soll die legendäre Hortense Schneider sogar Einlass zu einem Empfang von Napoleon III. geschafft haben. Wie so viele von Offenbachs Operetten ist auch diese voll von beißender Satire und Kritik an den herrschenden Verhältnissen der Zeit: wachsender Militarismus, der schlechte Zustand der französischen Armee, die deutsche Kleinstaaterei, Autoritarismus und Nepotismus und das in Verbindung mit Machtgier und Intrigenspiel. Und natürlich fehlt auch mehr als bloß ein Schuss Erotik nicht.

Josef E. Köpplinger hat „Die Großherzogin von Gerolstein“ 2020 an der Semperoper in Dresden inszeniert und diese Inszenierung in für das Haus adaptierter Form jetzt in den Spielplan „seines“ Gärtnerplatztheaters genommen. Gespielt wird die Fassung von Jean-Christophe Keck und in der von Köpplinger selbst eingerichteten Übersetzung von Ernst Poettgen mit Zusatztexten von Thomas Pigor. Was dabei positiv auffällt ist, dass der Text das Original spiegelt und auf überbordende Tagesaktualität (wie wir es aktuell in Wien erleiden müssen) verzichtet. Die eine oder andere auch historische Anspielung wird vom Publikum belacht, aber Köpplinger verzichtet wohltuend auf den Bihänder und ficht sensibel mit dem Florett.

Historisierende Schlachtenbilder dominieren den Raum (Bühnenbild: Johannes Leiacker), das in einem überdimensionierten Rahmen befindliche Bild kann bei Bedarf hochgezogen werden und gibt Raum frei für zusätzliche Spielfläche. Eine trotz brennendem Zündfaden wohl nicht wirklich startklare Rakete zieht General Bumm in einem Leiterwagen, aus einer Riesentorte entsteigt entgegen mancher Erwartung kein neuer Galan für die Regentin (das wäre Köpplinger wohl zu plakativ gewesen). Wunderbar karikierend auch die Kostüme von Alfred Mayerhofer.

Mehr als bloße Skepsis hatte die Ankündigung hervorgerufen, die Großherzogin würde von einem Mann gesungen werden (in einem Interview mit der Münchner Abendzeitung legt Köpplinger schlüssig dar, warum er diese Lösung spielen lässt). Was aber Juan Carlos Falcón an stimmlicher Agilität und schauspielerischem Können bot, ließ alle Zweifel nach kürzester Zeit vergessen. Das war von allerhöchster Qualität und kaum jemand im ihm zujubelnden Premierenpublikum dürfte eine originale Frau Großherzogin an diesem Abend vermisst haben. Der von ihr zumindest zeitweise geliebte (und in eine mit Schaum gefüllte Badewanne geholte) Fritz heißt im bürgerlichen Leben Matteo Ivan Rasic und soll künftig das Ensemble des Gärtnerplatztheaters verstärken. Als einfacher Soldat zunächst zurückhaltend entwickelt er mit zunehmenden Aufgaben als General und Liebhaber auch an Profil und Ausstrahlung. Man darf gespannt sein, welche Rollen der dunkel gefärbten Tenorstimme künftig anvertraut werden. Und auch ihm wird ein hohes Entwicklungspotential vorhergesagt – Alexander Grassauer als noch junger General Bumm, den er mit Witz und stimmgewaltig verkörpert. Eine annähernd perfekte Karikatur eines grenzdebilen Jungaristokraten gibt Daniel Prohaska als Prinz Paul mit Krönchen auf seiner an Richard Wagner erinnernden Kappe und beabsichtigt eingelegten schrägen Tönen. Die junge Julia Sturzelbaum, bei der sich stimmlich ein Fachwechsel andeutet, singt eine überaus rollendeckende Wanda, Alexander Franzen gibt einen tölpelhaften Baron Gog, Sigrid Hauser intrigiert perfekt als Eurusine von Nepumukka. Und nicht zuletzt sei Ulrike Dostal genannt, die als Fremdenführerin ihre Reisegruppe abwechselnd über die Bühne und durch das Haus führt, bis sie mangels echter Feinde von der Armee unter der Leitung von General Fritz abgeführt werden.

Wie immer ausgezeichnet agiert der Chor des Staatstheaters am Gärtnerplatz (Einstudierung: Dovile Siupenyte). Und dann gab es noch acht Soldaten aus den Reihen des Balletts (Choreografie: Adam Cooper), die sich neben Liegestützen und anderen militärischen Übungen auch am klassischen Ballett (Schwanensee !) probierten. Zumeist in offenbachscher Spritzigkeit spielte das Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz mit Michael Balke als Dirigent.

Wollte man zu dieser Aufführung unbedingt einen negativen Kommentar abgeben, dann sei es dieser: Mangels der gewohnten Übertitel und dann und wann akustischer Probleme leidet gelegentlich die Textverständlichkeit.

 

 

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