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MÜNCHEN/ Gärtnerplatztheater: DER WILDSCHÜTZ

Grapschende Männer auf Frauenjagd

10.03.2018 | Oper

München: “Der Wildschütz” –Gärtnerplatztheater 09.03.2018- Grapschende Männer auf Frauenjagd

Kann man Lotzings Wildschütz heute noch spielen? Das fragt man sich umso mehr, als die #metoo-Debatte seit Monaten in den Medien kreist, während hier am Gärtnerplatztheater grapschende Männer auf Frauenjagd als Komödienvehikel dienen. Regisseur Georg Schmiedleitner hat zwar nach Kräften versucht, dieses nach Lotzings eigener Aussage „bewusst harmlos“ gehaltene Biedermeierkomödchen – er hat die deftigere Vorlage von August von Kotzebue sogar noch entschärft – psychologisch aufzuwerten. Aber ein paar Jäger, die ihre Gewehre wie erigierte Penisse halten und drei geldwerfende Teufelchen zur 5000-Taler-Arie machen aus einem Wild- noch keinen Freischütz. Zumal auch die Musik eher harmlos daherkommt.

Gewehre als Penisersatz – Graf (auf dem Bild: Mathias Hausmann, in der besprochenen Vorstellung: Liviu Hollaender), Baron (Alexandros Tsilogiannis) und Jagdgefolge
© Christian POGO Zach

Für das Bühnenbild zeichnete Harald B. Thor verantwortlich, dem Münchner Opernpublikum vor allem als Schöpfer der Bühnenbilder von Kriegenburgs Ring bekannt. Eine riesige Zielscheibe mit röhrendem Hirsch, an vier Stahlseilen aufgehängt, wird zur Spielfläche, zum Billiardtisch, zur Bühne für die Sophokles-Bemühungen der Gräfin. Die erfreulich sparsam eingesetzte Drehbühne sorgt für interessante Auf- und Abgänge des Chors. Auf, unter und um diese Scheibe können sich die singenden Schauspieler austoben. Die biedermeierliche Verwechslungskomödie wird drastisch-überzogenen, will erotische Groteske sein, dabei gibt es in der auch in der Musik keine Gewalt und keine Erotik, nur in der Billiardszene gibt es eine latente Spannung in der Musik. Diese Szene ist besonders gelungen: Die Scheibe hängt waagrecht, von oben senkt sich eine große, grüne Tischleuchte herab, wie man sie aus amerikanischen Pokerfilmen kennt, es wird mit mehr als mannshohen Queues gespielt, als Kugeln dienen drei Menschen. Das hat eine gewisse latente Brutalität, die durchaus auch in der Musik hörbar wird.

Bildergebnis für liviu holender
Kein Szenenfoto aus der Wildschütz-Produktion: Liviu Hollaender. Foto Youtube

Weniger gelungen die große Arie des Grafen: Liviu Hollaender singt sie zwar mit schön timbriertem Bariton, muss aber einen völlig verkaterten Menschen spielen, was leider überhaupt nicht zur Musik passt. Seine Gräfin ist Margrethe Joswig, herrlich schräg in ihrer Graecophilie. Sie überzeugt als Schauspielerin ebenso wie als Sängerin, ihr schöner, warmer Mezzo ist die kultivierteste Stimme des Abends.

Den Baron Kronthal spielt und singt Alexandros Tsilogiannis mit schöner Mittellage, die allerdings kaum von Bariton zu unterscheiden ist. In der Höhe wird die Stimme etwas schwach, sodass er Probleme hat, gegen sein Gretchen, pardon, Baronin Freimann, zu bestehen. Mária Celeng singt diese Rolle mit höhensicherem aber wenig textverständlichem Sopran.

Levente Páll
ist ein spielfreudiger Schulmeister Baculus, dem es ein wenig an Bassschwärze fehlt. Seine große Arie, in der er die 5000 Taler feiert, die er für das Überlassen seiner Braut vom Baron erhält, ist leider ebenfalls wenig textverständlich. Das ist schade, da ein Großteil der komischen Wirkung aus der Aneinanderreihung von Fremdwörtern besteht. Das Gretchen singt Jasmina Sakr mit hübschem, lyrischem Sopran.

Das Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz unter der Leitung von Michael Brandstätter spielt einen robusten, dynamisch undifferenzierten aber nie lärmenden Lortzing.

Susanne Kittel-May

 

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