München: “Der Klang der ungespielten töne” – Gärtnerplatztheater 26.01. Von und mit Konstantin Wecker am 26.1.2018
Konstantin Wecker und Michael Dangl in „Der Klang der ungespielten Töne“
© Christian POGO Zach
Auf der Bühne stehen drei Barhocker, drei Notenständer, ein Flügel. Mehr braucht es zunächst nicht für diesen Abend, der eine Mischung zwischen Autorenlesung, szenischem Spiel und Konzert ist. Als „literarisch-musikalischer Abend von und mit Konstantin Wecker“ ist die Aufführung angekündigt.
Konstantin Wecker selbst spielt mal seinen Vater, mal den fiktiven Lehrer Karpoff, mal sich selbst. Wer gekommen ist, um ihn singen zu hören, wird enttäuscht: außer dem Rezitativ des Caravadossi aus Tosca „Und es leuchteten die Sterne“ („E lucevan le stelle“) singt er nichts. Wer aber gekommen ist, um eine Abend über einen Menschen voll von grenzenloser Liebe zur Musik zu erleben, der kommt auf seine Kosten. Die Tosca Arie wird dann von Juan Carlos Falcon weitergesungen, auf Deutsch, was herrlich nostalgisch klingt. Wecker hat als Kind mit seinem Vater ganze Opernsollen durchgesungen, verrät er in einem Interview mit der AZ, er selbst sang die Frauenrollen. Wie das klingen kann, dürfen der Knabensopran Konstantin Starke und Juan Carlos Falcon mit “O lass uns fliehen aus diesen Mauern“ aus Traviata demonstrieren.
Das Alter Ego Weckers an diesem Abend ist der Schauspieler und Autor Michael Dangl, der die Romanfigur mit dem wunderbar schrägen Namen Anselm Cavaradossi Hüttenbrenner spielt. Allein die Namenswahl ist Programm: Anselm Hüttenbrenner war ein Zeitgenosse und Freund Schuberts, ein Komponist, der sich in seinen letzten 15 Lebensjahren mit mystisch-theologischen Studien beschäftigt. Dangl ist auch der Autor dieser Bühnenversion.
Yara Bümel schlüpft mühelos in die verschiedenen weiblichen Figuren – die keifende Mutter, die ungeliebte Ehefrau Frauke, die sanfte, seelenverwandte Cellistin Beatrice.
Letztere erhält noch eine musikalische Inkarnation mit der durch raffinierte Beleuchtung wie aus dem Nichts auftauchenden Cellistin Fany Kammerlander, die ihr Cello ganz wunderbar um Singen bringt.
Im Orchestergraben ein kleines Orchester mit dem Dirigenten Andreas Kowalewitz am Flügel. Es werden so verschiedenen Werke, wie Brahms‘ Klaviersonate Nr. 3 f-Moll, das Adagio Mahlers Neunter und immer wieder Opernarien von Verdi und vor allem Puccini gespielt. Dazu immer wieder Musik von Wecker selbst, keine Songs, sondern (mir) eher weniger bekannte Kompositionen für Film und Bühne.
Wer mit Weckers Vita nicht vertraut ist, könnte den Eindruck erhalten, auch der Ausflug des Anselm Cavaradossi Hüttenbrenner in die Welt der geist- und seelenlosen Kommerzmusik sei autobiographisch. Dem ist aber nicht so. Wecker hat zwar viel Filmmusik gemacht, aber ist dabei immer seinem Stil treu geblieben. So gesehen ist die Musik zu Kir Royal, die als Beispiel für die „Version o“ eines Werbe-Jingles herhalten muss, irreführend, weil viel zu gut und beschwingt. Der erste Teil des Abends ist noch autobiographisch gefärbt, nach der Pause wird es dann fiktiv. Da hat Wecker mit seinem Protagonisten nur das lebenslange Ringen um die richtige Art, Musik zu machen, gemeinsam. Um Musik und Stille geht es, satirisch überspitzt dargestellt, wenn Anselm Hüttenbrenner einem Studioleiter die gesammelten Aufnahmen der Stille anbietet: die Stille eine Blume, aber eines Friedhofs. Die aber dann wieder ziemlich geschwätzig daherkommt.
Ein kurzweiliger Abend in der prallen, lebenssatten Sprache Weckers, der Lust auf Musik und auf Lesen macht.
Susanne Kittel-May