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MÜNCHEN/ Gärtnerplatztheater: DAS MEDIUM von Gian-Carlo Menotti (Stream)

27.03.2021 | Oper international

Stream: „Das Medium“  von Gian Carlo Menotti am 27.3.2021 im Gärtnerplatztheater/MÜNCHEN 

Alptraum und Trance

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Copyright: Gärtnerplatztheater/ Marie-Laure Briane

 Interessant ist, dass kein Geringerer als Arturo Toscanini sich über dieses Werk positiv geäussert hat. Die Idee kam Gian Carlo Menotti 1936 in St. Wolfgang im Salzkammergut, als er dort eine Seance miterlebte. Er führte selbst im Jahre 1951 bei der Verfilmung der Oper Regie und erhielt dafür einen Sonderpreis bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes 1952. Ein rustikales Bühnenbild macht in der Regie von Maximilian Berling (Bühne: Rainer Sinell) den Platz für Madame Flora frei, die aufgrund ihres exzessiven Alkoholgenusses ihren Glauben an ihre medialen Fähigkeiten verloren hat. Ihre Tochter Monica und der stumme Zigeuner Toby helfen ihr bei den spiritistischen Sitzungen. Die Zeichen- und Gebärdensprache besitzen dabei eine große Bedeutung. Und Flora trifft jetzt überstürzte Vorbereitungen zu einer Seance für das Ehepaar Gobineau und Mrs. Nolan. Diese wünscht die Erscheinung ihrer toten Kinder zu sehen. Das Ganze taucht jetzt in eine unheimlich-überirdische Atmosphäre ab. Die in Trance befindliche Madame Flora glaubt plötzlich, von einer eiskalten Hand berührt worden zu sein.

In diesem Moment passiert auf der Bühne ein gewaltiger emotionaler Schnitt, der den gespenstischen Charakter der Handlung unterstreicht. Der Verdacht fällt auf Toby. Flora will von ihm ein Geständnis erpressen. Wütend vertreibt Flora jetzt alle, weil man ihr nicht glauben will. Sie nimmt Zuflucht zum Alkohol. Wärenddessen schleicht Toby herein, versteckt sich hinter einem Tisch, wird aber von Madame Flora entdeckt und  kurzerhand erschossen. Die Regie lässt ihn hier nicht hinter dem Vorhang des Puppentheaters verschwinden. Als Monica schließlich erscheint, kann sie nur den Tod ihres Geliebten beweinen. Ihre Mutter stammelt ein ungläubiges „Warst du’s?!“ Das Orchester des Gärtnerplatztheaters unter der einfühlsamen Leitung von Andreas Partilla unterstreicht die Elemente des Verismus und melodischer Feingliedrigkeit, die den Sänger-Darstellern breiten Raum gibt. Staccato-Attacken, chromatische Figurationen und Tremolo-Passagen wechseln sich ab. Parlando-Passagen werden ebenfalls genüsslich ausgekostet. Die Sängerinnen und Sänger bieten hier eine ausgezeichnete Leistung. Anna Agathonos (Alt) gewinnt ihrer Rolle sehr viele Klangfarben und Facetten ab. Andreja Zidaric (Sopran) als Monica besitzt ebenfalls einen starken Ausdrucksreichtum, der sich vor allem in den Intervallspannungen äussert. In weiteren Rollen fesseln Elaine Ortiz Arandes (Sopran) als Mrs. Gobineau, Timos Sirlantzis (Bariton) als Mr. Gobineau sowie Ann-Katrin Naidu (Mezzosopran) als Mrs. Nolan und Christian Schleinzer als Toby. Buffogeist und Intermezzo-Zauber sind hier immer wieder herauszuhören. Surrealistische Momente, melodische und ariose Splitter und ein ausgeprägter Sinn für effektvolle Bühnensituationen ergänzen sich gegenseitig. Das harmonische Gerüst scheint sich wiederholt aufzusplittern.  Unter der subtilen  Leitung von Andreas Partilla musiziert das Orchester des Gärtnerplatztheaters München sehr überzeugend. Thematische Verbindungsflächen erreichen einen starken Dichtegrad. Und das Orchester reagiert immer wieder höchst sensibel auf die Kantilenen der Sänger. Dämonische Effekte, sphärenhafte Geräuschkulissen und Stimmen aus dem Jenseits entführen den Zuschauer in eine unbekannte Welt, die er nicht durchschaut. Hinzu kommt, dass Zuschauerraum und Bühne hier nicht mehr getrennt sind. Die Vorgänge gehen geradezu fließend ineinander über – ganz so geheimnisvoll wie in einer richtigen Seance. Die Gesetze der theatralischen Wirkung werden bei dieser Vorstellung ausgesprochen kunstvoll und überzeugend gehandhabt. 

Alexander Walther

 

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