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MÜNCHEN: DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG (Nationaltheater) / DIE DREIGROSCHENOPER (Circus Krone Bau)

10.10.2016 | Oper

München: DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG  (8.10.2016) und DIE DREIGROSCHENOPER (9.10.2016)
 
Einen viel stärkeren Kontrast für zwei aufeinander folgende Abende hätte man sich kaum vorstellen können – am Samstag (8.10.) im bürgerlich noblen Nationaltheater „Die Meistersinger von Nürnberg“ und am Sonntag (9.10.) im Circus Krone Bau die „Dreigroschenoper“. Obwohl – wird der scheinbare musikalische Kontrast durch die Persönlichkeiten zumindest der Librettisten nicht relativiert ? Da der Querdenker, der auch auf Grund seiner offenen Sympathie für die 1848er Revolution per Steckbrief gesucht wird, dort der bekennende Kommunist. Und die Komponisten ? Richard Wagner zitiert schon im Anfangschoral der ersten Szene stilistisch Bach, um in der Prügelfuge zu beweisen, wie gut er seinen großen Vorfahren studiert hat.  Den barocken Prunk, auch den musikalischen, karikiert schon John Gay in seiner „Beggar´s Opera“ und Kurt Weill überhöht diese musikalische Farce noch. Der Musikfreund kann also, wenn er  an der Oberfläche der beiden Stücke kratzt, einen dramaturgischen Bogen erkennen.
Doch zu den beiden Aufführungen.

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Die Meistersinger von Nürnberg“. Copyright: Bayerische Staatsoper/ Wilfried Hösl

Die aktuelle Produktion von „Die Meistersinger von Nürnberg“ in der Regie von David Bösch (Bühne: Patrick Bannwart), Kostüme: Meentje Nielsen, Licht: Michael Bauer, Video: Falko Herold) und unter der musikalischen Leitung von Kirill Petrenko hatte am 16.Mai 2016 Premiere und ist, vorsichtig formuliert, nicht unumstritten. Bedenkt man, wie konservativ Wagnerianer häufig sind und den Text buchstabieren, statt sinnerfassend zu lesen, wundert die Ablehnung des Konzeptes nicht. Auf der Bühne steht kein Nürnberg aus dem Spielzeugladen und auch die Festwiese hat keine Ähnlichkeit mit der bierschwangeren Theresienwiese Münchens zur Zeit des Oktoberfestes. Dieses Nürnberg besteht aus abgewohnten Plattenbauten, die Schusterstube erinnert an jene Kleintransporter, von deren Ladefläche am Land einst Lebensmittel verkauft wurden, die Bühne für den Sängerstreit ähnelt einem Boxring mit Zitaten an „Deutschland sucht den Superstar“. Auch die Kostüme erinnern an die 50er und 60er Jahre des letzten Jahrhunderts. Erst auf der Festwiese kommen vereinzelt Dirndl und Krachlederne ins Spiel. Das ist kein gemütliches Regiekonzept, aber für mich sind das nachvollziehbare Gedanken. So, wie auch der Suizid Beckmessers in den Schlussakkord hinein psychologisch erklärbar ist.

Die Riege der Meister führt Wolfgang Koch an, der derzeit vielleicht beste Interpret des Hans Sachs überhaupt. Vielleicht wirkt er für den weisen älteren Mann noch etwas jung, aber das ist schon Beckmesserei. Koch setzt das Regiekonzept ideal um, da passt – im wahrsten Sinne des Wortes – jede Handbewegung und Mimik. Dass er auch den Notentext perfekt umsetzt, versteht sich von selbst. Martin Gantner ist einmal kein vor Bosheit triefender und voll Neid keifender Beckmesser. Da steht die Karikatur eines Beamten auf der Bühne, der nur seine Regeln kennt und dem jede Abweichung davon körperliche Schmerzen bereitet – ein Schreibtischtäter, wie er im Lehrbuch steht. Wenn er im Glitzerlook versucht, das Lied von Stolzing zu interpretieren, weiß der Zuschauer nicht mehr, soll er lachen oder Mitleid bekommen. Dass er die Partie „schön“ singt und
erst beim Wettgesang aus der stimmlichen Rolle fällt, passt zu diesem Typ. Georg Zeppenfeld ist ein wohltönender, den neureichen Parvenü gebenden Veit Pogner, Eike Wim Schulte spielt und singt Fritz Kothner überaus überzeugend. Wie auch allen anderen Meistern ein Pauschallob gebührt: Kevin Conners (Kunz Vogelgesang), Christian Rieger (Konrad Nachtigall), Ulrich Reß (Balthasar Zorn), Stefan Heibach (Ulrich Eißlinger), Thorsten Scharnke (Augustin Moser), Friedemann Röhling (Hermann Ortel), Peter Lobert (Hans Schwarz), Dennis Wilgenhof (Hans Foltz). Und auch die Magdalene von Claudia Mahnke und der Nachtwächter von Goran Juric verkörperten ihre Partien rollen- und stimmgerecht.

Warum der David von Benjamin Bruns noch immer Lehrling ist und erst von Sachs zum Gesellen gemacht wird, obwohl seine gesangliche Leistung längst meisterlich ist, ist dem Libretto geschuldet. Neben Koch bot Bruns für mich die beste Leistung des Abends.

Nicht wirklich gefallen konnten an diesem Abend Emma Bell (Eva) und Robert Künzli (Walther von Stolzing). Beide verfügen über keine wirklich schöne Stimme (was auch ein subjektiver Eindruck ist, zugegeben), dafür über hörbare Artikulationsprobleme. (Dass Künzli als Einspringer für den Ersatz des absagenden Jonas Kaufmann ein nicht unerhebliches Risiko auf sich genommen hat, muss man ihm hoch anrechnen. Aber dass kein anderer Stolzing frei war oder hätte frei gekauft werden können, kann ich mir nicht wirklich vorstellen.)
Ausgezeichnet Chor und Extrachor der Bayerischen Staatsoper.

Kirill Petrenko am Pult des Bayerischen Staatsorchesters ist eine Kategorie für sich. Sein Dirigat ist kurzweilig, spannend, transparent, … Mir fehlen die Worte, diese elektrisierende Interpretation der Partitur zu beschreiben; das muss man gehört, nein erlebt haben. Tosender Beifall, Bravos und Getrampel dankten minutenlang dem Maestro.

Ganz anders Tags darauf „Die Dreigroschenoper“ als erste Premiere des Gärtnerplatztheaters in dieser Spielzeit. Eigentlich sollte ja längst im Stammhaus gespielt werden, aber die Renovierungsarbeiten dauern noch an und so musste ein adaptierter Spielplan für kurzfristig angemietete Spielorte erstellt werden. Wobei sich der Gast aus Wien aus Wien fragt, wie denn eine „wirklich“ geplante Saison klingt, wenn die aktuelle Spielzeit – unter anderem immerhin zwei Uraufführungen, eine Barockoper und eine unbekannte Operette der silbernen Ära neben einigen Wiederaufnahmen – schon mehr bringt, als das eine oder andere Haus an den Gestaden der Donau zeigt. Brecht und Weill fanden den Ort einer konzertanten Aufführung jedenfalls im Circus Krone Bau. Es war, gleich am Anfang sei es gesagt, ein rauschender Publikumserfolg.

Auf einem Podium sitzt ein Kammerorchester, Andreas Kowalewitz leitet es prägnant und im passenden Klang, davor sitzen die Solisten. Die Chorsänger nehmen ihre Plätze im Zirkusrund auf der rechten Seite neben der Bühne ein. Gespielt wird eine auf der Kurt-Weill-Edition des Jahres 2000 basierende gekürzte Fassung mit tempofördernden Zwischentexten.

Aus dem Ensemble ragen vor allem Dagmar Hellberg (Celia Peachum), Brigitte Hobmeier (Spelunken-Jenny) und Erwin Windegger (Jonathan Jeremiah Peachum) hervor. Ihnen gelingt der für die Interpretation von Weill typische Gesangsstil am besten. Das geling Nadine Zeintl als Polly leider nicht so gut; ihr soubrettenhafter Sopran passt nicht wirklich zum (auf historischen Aufnahmen nachörbar) gewollten Klangbild. Dass Anna-Katharina Tonauer die Lucy „schön“ singt, stört da viel weniger. Ein pauschales Lob gebührt allen anderen Mitwirkenden: Maximilian Mayer (Macheath), Christoph Filler (Tiger Brown), Christoph Seidl (Konstabler), Tamas Tarjanyi, Holger Ohlmann, Martin Hausberg und Juan Carlos Falcon (Banditen).

(Nachsatz: Es ist noch nicht so lange her da zeigte das Theater an der Wien eine prominent besetzte szenische „Dreigroschenoper“. Die in München gehörte gefiel mir jedenfalls besser)
 
Michael Koling 

 

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