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MÜNCHEN/ Circus Krone-Bau: Johann Sebastian Bach: WEIHNACHTSORATORIUM MIT BAROCKEN PFERDEN

15.12.2019 | Konzert/Liederabende


 © Gerda Prochaska

Circus Krone-Bau, 14.12. 2019
„Johann Sebastian Bach: Weihnachtsoratorium mit Barocken Pferden“

Mit dieser Veranstaltung verbindet sich gleich ein mehrfaches Jubiläum und macht sie schon aus diesem Grund zu einem ganz besonderen Ereignis: die Konzertagentur der ehemaligen Mezzosopranistin Gerda Prochaska-Stolze feierte heuer nicht nur ihr 30jähriges Bestehen, sondern insbesondere auch das 20jährige Bestehen ihres Spezialprogrammes „Klassische Musik und barocke Pferde“, worin die Figuren der „Hohen Schule“ der Reitkunst mit klassischer Musik zu einem Konzerterlebnis der ganz besonderen Art verbunden werden sollen. Unverzichtbare Partnerin bei diesem Programm ist die professionelle Bereiterin und Ausbilderin Anja Beran, die auf Gut Rosenhof in Oberbayern ein international anerkanntes Ausbildungszentrum für Pferde und Reiter*innen betreibt sowie im Rahmen ihrer 2009 gegründeten Anja-Beran-Stiftung entsprechende Lehrgänge und Fachtagungen organisiert. Die von ihr ins Leben gerufene Fachtagung der Anja Beran-Stiftung feiert ebenfalls in diesem Jahr ihr 10jähriges Bestehen. Und hier kommt der Circus Krone und seine derzeitige Chefin Jana Lacey-Krone ins Spiel, mit der Anja Beran eine jahrelange Freundschaft und Kooperation verbindet, weshalb heuer, im Jubiläumsjahr, nicht nur die jährliche Fachtagung im Winterbau des Circus Krone stattfand, sondern auch ein feierliches Jubiläumsprogramm, inszeniert und choreographiert von Gerda Prochaska-Stolze.

Inspiriert von der Spanischen Hofreitschule in Wien lebt das Programm von der Kombination klassischer Musik mit den Figuren der „Hohen Schule“, und es ist immer wieder von Neuem beeindruckend, mitzuerleben, wie feinsinnig gerade Pferde auf Musik reagieren, wie sehr sie ihre Bewegungen den Klängen anpassen und mit diesen quasi ganz selbstverständlich zu verschmelzen scheinen. Eine Besonderheit der Münchner Veranstaltung war es, dass nicht einzelne Musikstücke als Begleitung der Reitkunst gezielt ausgewählt wurden, sondern Teile eines einheitliches Werkes, nämlich des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach, im Ganzen aufgeführt und ausgewählte Passagen daraus von den reiterischen Darbietungen begleitet wurden. Unter Leitung seines Dirigenten Benedikt Haag brachte das Freie Landesorchester Bayern zusammen mit dem Münchner Konzert Chor und den Solisten Johanna Zeitler (Sopran), Karla Bytnarova (Alt), Markus Zeitler (Tenor) und Holger Ohlmann (Bass) die ersten drei Teile dieses wohl bekanntesten, insgesamt sechsteiligen Werkes des großen Barockkomponisten zur Aufführung, gemeinsam mit sechs Reiter*innen in eleganten Barockkostümen und ihren edlen arabischen, andalusischen sowie Lipizzaner-Pferden: Anja Beran mit Ofendido, Vera Munderloh mit Super und Maestoso Stornella, Jana Lacey-Krone mit Ramses, Kathrin Roida mit Fantasma und Geronimo, Stefanie Seebauer mit Bue, und Marcel Egger mit Cadiz. Gemessen am Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad des Bach’schen Weihnachtsoratoriums sowie der interessanten Inszenierung war es ebenso erstaunlich wie bedauerlich, dass die Aufführung verhältnismäßig schlecht besucht und der Zirkusbau nicht einmal zur Hälfte besetzt war – ein Phänomen, das vielleicht dem vorweihnachtlichen Überangebot an Veranstaltungen, vielleicht aber auch dem Nachmittagstermin, geschuldet sein mag.

Das Programm begann mit einer sehr schönen Idee der Inszenierung, indem zum fulminanten Eingangschor „Jauchzet, frohlocket“ zwei Pferde ganz ohne Reiter in die Manege galoppierten, die sich zu den Klängen der Musik voller Lebensfreude und Übermut bewegten, balgten und sogar – synchron! – im Sand wälzten. In der Folge erschienen dann einzelne Reiter*innen, alleine oder zu zweit, in der Manege und führten diverse Figuren der „Schulen auf der Erde“, wie z.B. Piaffen, Passo Andaluz, Pirouetten etc. vor, besonders beeindruckend eine Reiterin im Damensattel. Das Programm endete, analog zu seinem Beginn, mit einem reiterlosen Pferd, begleitet von Jana Lacey-Krone, das zu den Klängen des Schlusssatzes beeindruckende Levaden zeigte. So folgerichtig Anfang und Ende des Programmes inszenatorisch aufeinander abgestimmt waren, so schien doch eine zugrundeliegende innere Gesamtsystematik zu fehlen, denn weder die Dramaturgie insgesamt noch die Auswahlkriterien, wonach einzelne musikalische Passagen (Chorsätze, Rezitative und Arien gleichermaßen) als Grundlagen der reiterischen Choreographie bestimmt wurden, ließ sich nachvollziehen.

Die künstlerische Leistung von Chor, Orchester und Solisten zu beurteilen, gestaltet sich im vorliegenden Falle äußerst schwierig, denn es handelte sich um eine Ausnahmesituation in jeder Hinsicht. Hauptproblem ist vielleicht, dass der Circus Krone-Bau zwar atmosphärisch bezaubernd ist, doch alles andere als ein Konzertsaal. Ein Großteil der Akustik wird verschluckt, und hinzukommt, dass der unvermeidliche Staub aus der Manege – natürlich ist ein entsprechender Bodenbelag für Pferde und Reiter*innen eine ganz wesentliche Voraussetzung – den Solisten ihre Darbietung nicht unbedingt erleichtert, weshalb die zahlreichen Intonisationsprobleme ganz sicherlich in erster Linie der Umgebung geschuldet sind und nicht den Musikern zur Last gelegt werden sollten. Hervorzuheben sind besonders die Altistin Karla Bytnarova sowie der Tenor (Evangelist) Markus Zeitler, die sich beide noch am besten mit der ungewohnten Umgebung zu arrangieren wussten: insbesondere Markus Zeitler, der zu Beginn stimmlich sehr zu kämpfen hatte, steigerte seine Leistung im Verlauf des zweiten und dritten Teiles bewundernswert. Benedikt Haag erwies sich als grundsolider und zuverlässiger musikalischer Leiter, allerdings ohne glanzvolle Höhepunkte oder nennenswerte musikalische Akzentuierung, doch war dies im Rahmen einer solchen Veranstaltung auch nicht unbedingt zu erwarten. Bedauerlich war dennoch, dass die Gewichtung von Musik und Reitkunst nicht ausgewogen schien, sondern erstere mehr oder weniger „nur“ als Hintergrundsmusik für das Geschehen in der Manege fungierte, was die Frage aufwirft, ob man mit Musik vom Band in diesem Falle nicht die bessere Wahl getroffen hätte? Wird man mit einer solchen Veranstaltung den ausführenden Künstlern, den Musikern und Solisten, wirklich gerecht, oder erweist man ihnen damit vielmehr einen Bärendienst? Als Fazit bleibt jedenfalls der Eindruck eines zweifelsohne ungewöhnlichen und in vielerlei Hinsicht durchaus beeindruckenden Eventerlebnisses – ein Konzerterlebnis war es eher weniger.

Isabel Grimm-Stadelmann

 

 

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