Ivy Amista und Vladimir Shklyarov. Copyright: Bayerisches Staatsballett
München: Bayerisches Staatsballett:„ONEGIN“, 04.02.2018:
München hat wieder einen Onegin!
Vor 50 Jahren, am 23.02.1968, präsentierte das Ballett der Bayerischen Staatsoper (heute Bayerisches Staatsballett) erstmals Werke von John Cranko, dessen geniale Choreographien von „Der Widerspenstigen Zähmung“, „Romeo und Julia“ und „Onegin“ das Repertoire des Bayerischen Staatsballetts bis heute prägen. Dieses Jubiläum feiert die Münchner Company mit einem „Cranko-Fest“, im Rahmen dessen im Februar alle drei großen Handlungsballette des Meisters zur Aufführung kommen. Begonnen wurde die Hommage mit „Onegin“, und die Vorstellung am 04.02. war wahrlich würdig, John Cranko eine besondere Ehre zu erweisen. Dies lag in erster Linie an der phänomenalen Interpretation der Titelpartie durchVladimir Shklyarov, letzte Saison Erster Solist des Bayerischen Staatsballetts, jetzt regelmäßiger Gast. Seit Kirill Melnikovs erstem Auftreten in München als Onegin 1992 hat es kein so aufsehenerregendes Debut in dieser Rolle mehr gegeben. Shklyarov zog das Publikum von der ersten Sekunde seines Auftretens an in seinen Bann. Er verstand es, jede Facette des komplexen, widersprüchlichen Charakters Onegins darzustellen und beim Publikum tiefe Sympathie für diese Figur zu wecken. So war er einerseits ein zwar eleganter, weltmännischer, jedoch unnahbarer und in seiner eigenen Gedankenwelt lebender junger Mann, der seine Mitmenschen kaum wahrnimmt, dem peinliche Situationen wie Tatjanas offen zur Schau gestellte Liebe ein Graus sind, und der im der Ehre geschuldeten Duell seinen besten Freund umbringt. Andererseits konnte er aber auch die Wertschätzung der Freundschaft mit Lenski darstellen, sein Entsetzen über die eigene Tat und die Enttäuschung, die ihm das Leben bis zur erneuten Wiederbegegnung mit Tatjana gebracht hat. Man meinte, die von Shklyarov kreierte Figur sei geradewegs dem Roman Alexander Puschkins entstiegen. Im Traum-Pas de deux und vor allem im tief berührenden Schluss-Pas de deux konnte er dann auch die hochdramatische, das Publikum direkt ins Herz treffende Emotionalität von Crankos Choreographie perfekt vermitteln. Eine nahezu ideale Darstellung!
Auch die Interpreten der anderen drei Hauptrollen debutierten in ihren Partien und hatten damit großen Anteil am außergewöhnlichen Charakter dieser Vorstellung. Ivy Amista war in den ersten beiden Akten eine mädchenhaft träumerische, romantisch verliebte Tatjana. Im dritten Akt war sie dann eine selbstbewusste Frau, die ihre Leidenschaft für Onegin nicht vergessen hat, sich aber nach großem innerem Kampf dazu durchringt, ihrem Ehemann die Treue zu halten. Technisch hatte sie mit ihrer Partie keine Mühe. Die schwierigen Pas de deux meisterten sie und Vladimir Shklyarov mit Leichtigkeit. Alexey Popov zeigte eine verinnerlichte und berührende Interpretation des jungen Dichters Lenski, den der scheinbare Treuebruch seiner großen Liebe Olga so tief verletzt, dass er letztlich nur noch den Tod als Ausweg sieht. Popov tanzte seine diffizilen Soli lyrisch, fließend und mit schöner Linie. Prisca Zeisel war eine strahlende, lebensfrohe Olga, die ebenfalls alle technischen Finessen ihrer Partie souverän beherrschte. Emilio Pavan als Fürst Gremin, Séverine Ferrolier als Madame Larina und Elaine Underwood als Amme komplettierten das hervorragende Solistenensemble.
Myron Romanul leitete das Bayerische Staatsorchester.
Am Ende der Vorstellung spendete ein überwältigtes Publikum langanhaltenden, begeisterten Applaus. Diese Aufführung wird noch lange im Gedächtnis bleiben!
Gisela Schmöger