München: Bayerisches Staatsballett: „LA FILLE MAL GARDÉE“, 24. und 28.01.2017
Das Bayerische Staatsballett bietet seinem Publikum in dieser Saison eine große Vielfalt an klassischen und neoklassischen Balletten. Nach dem dramatisch kraftvollen „Spartacus“im Dezember, dem großen Schlachtschiff des sowjetischen Balletts, folgte nun im Januar die Wiederaufnahme der spritzigen, leichtfüßigen Ballettkomödie„La Fillemal gardée“,einem Aushängeschild der englischen Schule, choreographiert von Frederick Ashton. Es ist sicher eine Herausforderung für die größtenteils neuen Mitglieder des Bayerischen Staatsballetts, sich in so kurzer Zeit so viele verschiedene Stücke in so unterschiedlichen Stilrichtungen anzueignen. So merkte man in der Wiederaufnahme am 24.01., dass einigen Tänzern der nach außen hin leicht aussehende, in Wirklichkeit aber kräftezehrende und vertrackte Stil Ashtons noch nicht ganz in Fleisch und Blut übergegangen war. Es fehlte in einigen Ensembleszenen noch ein wenig Lockerheit und Spontaneität.
Vladimir Shklyarov und Maria Shirinkina. Copyright: Wilfried Hösl
In der dritten Vorstellung am 28.01. war dies schon ganz anders. Die Tänzer kosteten jetzt ihre Bewegungen und die schauspielerischen Finessen richtig aus, waren gelöst und hatten sichtlich Spaß am Komödiespielen. Die Solisten tanzen in beiden Aufführungen auf sehr hohem Niveau. Sowohl Maria Shirinkina am 24.01. als auch Elizaveta Kruteleva, die das Publikum zum ersten Mal in einer Hauptrolle in München sah, meisterten die technischen Anforderungen der Rolle der Lise sehr souverän. Maria Shirinkina war ein reizendes, durchaus selbstbewusstes Mädchen, das seine Mutter mit seinem Charme und Liebreiz um den Finger wickelt und so doch letztendlich das bekommt, was es will. Elisaveta Krutelevas Lise war dagegen etwas frecher, streitlustiger und temperamentvoller und gab so der Rolle ein wenig mehr Strahlkraft. Vladimir Shklyarov und Alexander Omelchenko sind zwei sehr unterschiedliche Tänzertypen. Trotzdem zeigten beide ein sehr überzeugendes Rollenportrait des armen Bauernjungen Colas, der trotz der Störfeuer von Witwe Simone letztlich doch erfolgreich um seine Lise wirbt. Shklyarov tanzte seine Partie mit großem Charme, feinem Humor und einer Prise Ironie. Auch in dieser Partie zeigte er, dass er ein Tänzer von Weltrang ist. Mag auch der kompakte englische Stil nicht sein ureigenstes Metier sein, tanzte er die anspruchsvolle Partie mit beeindruckender Leichtigkeit und Souveränität. Auch für Alexander Omelchenko, vom Typ her ein echter Danseur Noble, ist die Choreographie sicher nicht die bequemste, trotzdem beeindruckte auch er mit seiner souveränen Beherrschung der Rolle. Sein Spiel war im Gegensatz zu dem Shklyarovs etwas zurückhaltender, aber dennoch sehr sympathisch und charmant. Die Rolle der Witwe Simone ist für jeden Charakterdarsteller ein Leckerbissen und so warf sich Vittorio Alberton, früheres Ensemblemitglied und jetzt als Gast zurückgekehrt, mit voller Energie in die Darstellung der schrulligen, aufbrausenden Mutter Lises, die ihre Tochter zunächst mit dem reichen, aber reichlich tollpatschigen Alain verheiraten will (wohl weil sie auch ein Auge auf dessen Vater geworfen hat), aber am Ende dennoch der Liebe zwischen Lise und Colas zum Sieg verhilft.
Alain wurde am 24.01. von Gianmarco Romano und am 28.01. von Konstantin Ivkin getanzt. Beide zeigten große Bühnenpräsenz, komödiantisches Talent, aber auch technisches Können. Während Gianmarco Romanos Interpretation zwar schon sehr vielversprechend war, aber an einigen Stellen noch etwas stereotyp wirkte, ging einem bei Konstantin Ivkins Gestaltung der Partie des naiven, tollpatschigen, aber doch unheimlich liebenswerten Alain das Herz auf. Ein Extralob geht noch an die wunderbaren Tänzer von Hahn (James Lyttle) und Hühnern, die im ersten Teil immer wieder herrlich witzig durchs Bild stolzierten und die Lacher auf ihrer Seite hatten.
Ensemble. Copyright: Wilfried Hösl
Myron Romanul und das Bayerische Staatsorchester waren den Tänzern aufmerksame Begleiter. Vor allem am 28.01. wurden die Tänzer mit begeistertem Applaus bedacht, vor allem von den vielen begeisterten Kindern in dieser Familienvorstellung.
Gisela Schmöger