Prisca Zeisel und Ensemble in Rubies. Copyright: Wilfried Hösl
München: Bayerisches Staatsballett:Premiere„JEWELS“, 28.10.2018
Die große Premiere der Saison 2018/2019 beim Bayerischen Staatsballett ist George Balanchines Meisterwerk „Jewels“ (Premiere am 27.10., erste Folgevorstellung am 28.10).Der Meisterchoreograph und Begründer der amerikanischen Balletttradition ließ sich 1967 von den Auslagen eines New Yorker Juweliergeschäfts zu diesem Stück inspirieren. Jeder der drei Teile ist einem Edelstein gewidmet, dem Smaragd, dem Rubin und dem Diamanten. Gleichzeitig bringt George Balanchine auch die unterschiedlichen Erfahrungen seines Lebens in Frankreich, Amerika und dem zaristischen Russland zum Ausdruck. Für eine exzellente klassische Company wie das Bayerische Staatsballett ist Jewels eine wunderbare Gelegenheit, die technische Brillanz und die Bühnenpräsenz ihrer Solisten und Corps de ballet-Tänzer zu zeigen. Der Abend beginnt mit „Emeralds“, das für das romantische, französische Ballett steht. Das Publikum sieht geschwungene grüne Seitenvorhänge und glitzernde grüne Girlanden an der Decke. Die Tänzerinnen tragen wadenlange, smaragdfarbene Tüllröcke, die Oberteile mit glitzernden grünen Steinen bestickt (Bühne und Kostüme: Karinska). Zur schlank instrumentierten, romantischen Musik von Gabriel Fauré ist dieser Teil von langsamen, fließenden Bewegungen geprägt, die das Publikum in eine träumerische Stimmung versetzten. Von den beiden Solistinnen überzeugte vor allem Jeanette Kakareka mit wunderschönen, weichen Ports de bras, makellosen Arabesken und einer zarten, aber doch faszinierenden Ausstrahlung. Ihr Partner, der elegante Henry Grey, verstand es ebenfalls wunderbar, die romantische, träumerische Atmosphäre von Emeralds zu kreieren. Auch das weitere Solo-Paar, Prisca Zeisel und Emilio Pavan sowie Maria Chiara Bono, Vera Segova und Ariel Merkuri im Pas de trois hatten den feinen, delikaten Stil des ersten Teils sehr gut verinnerlicht. Die Stunde der jungen, aber schon in einigen großen Solopartien erprobten Solistin Prisca Zeisel schlug jedoch im zweiten Teil des Abends, in den athletischen, temperamentvollen und funkelnden „Rubies“. Hier zeigte sie sich als Idealbild einer Balanchine-Ballerina, groß gewachsen, mit endlos langen Beinen, makellos blitzender Technik, mitreißender Dynamik und kühl eleganter, versteckt erotischer Ausstrahlung. Eine beeindruckende Leistung! Das Solopaar Nancy Osbaldeston (als Gast vom Royal BalletofFlanders) und Osiel Gouneo zeigte große Lockerheit und ging mit den technischen Schwierigkeiten geradezu spielerisch um. Ein wenig vermisste man jedoch die der Musik Igor Strawinskys und der Choreographie Balanchines innewohnende Ironie und die von Flirt und Neckereien geprägte Beziehung der Solisten untereinander. Auf die amerikanisch geprägten „Rubies“ folgt „Diamonds“zur dritten Sinfonie von P.I. Tschaikowsky, eine Hommage an das kaiserlich russische Ballett in St. Petersburg. Nach den athletischen, rubinroten Trikots des Mittelteils trugen die Tänzerinnen im hell ausgeleuchteten Bühnenraum jetzt weiße Tutus mit diamanten funkelnden Glitzersteinen auf den Oberteilen.Es war eine besondere Freude, dem homogenen, exzellent tanzenden Corps de ballet und den Solistinnen und Solisten zuzusehen, insbesondere dem eleganten Männerquartett Vladislav Dolgikh, Henry Grey, Emilio Pavan und Dmitrii Vyskubenko.
Ksenia Ryzhkova in Diamonds. Copyright: Wilfried Hösl
Die Königin des Abends war Ksenia Ryzhkova, die ihre souveräne Technik und ihre bühnenbeherrschende, gewinnende Ausstrahlung voll zu Geltung bringen konnte und sich als wahre Primaballerina zeigte. Alexey Popov war ihr ein sehr verlässlicher Partner, obwohl er erst einen Tag vor der Premiere erfahren hatte, dass er aufgrund einer Verletzung des eigentlich vorgesehenen Jinhao Zhang zum Einsatz kommen würde. Seine klaren, schnörkellosen, von großer Eleganz geprägten Sprünge waren sehr schön anzusehen. Die grandiose Schlusspolonaise des gesamten Diamonds-Ensembles ließ einen vor Bewunderung den Atem anhalten. Robert Reimer dirigierte das engagiert spielende Bayerische Staatsorchester. Pianist Adrian Oetikerbrillierte in Rubies in Strawinskys Capriccio für Klavier und Orchester. Am Ende begeisterter Applaus eines angetanen Publikums.
Gisela Schmöger