München: Bayerisches Staatsballett: „GISELLE“, 25.09. 2016 (15.00 Uhr):
Prisca Zeisel. Copyright: Wilfried Hösl
Seit August 2016 ist Igor Zelensky neuer Direktor des Bayerischen Staatsballetts. Viel ist seit dem Sommer über den Wechsel an der Spitze der Company geschrieben worden. Zunächst waren die meisten Medienberichte von großer Skepsis geprägt, insbesondere als im Sommer bekannt wurde, dass viele beliebte Tänzer der letzten Jahre die Truppe verlassen würden. Anfang September gab Igor Zelensky dann erste detaillierte Einblicke in seine Pläne für das Bayerische Staatsballett und stellte der Presse einige seiner neuen Solisten vor, so dass die anfängliche Skepsis bald großer Vorfreude und Spannung wich. Am 23.09. war es dann endlich soweit. Die Saison wurde mit einer Wiederaufnahme von „Giselle“ in der Fassung von Peter Wright eröffnet. Am 25.09. folgte bereits die zweite Aufführung in teilweise neuer Besetzung. Die russische Starballerina Natalia Osipova, in dieser Saison ständiger Gast des Bayerischen Staatsballetts, war in der Titelrolle zu sehen und begeisterte das Publikum mit ihrer einzigartigen Tanzkunst. Bei ihr wirken selbst die schwierigsten Schrittkombinationen einfach und natürlich, so sehr beherrscht sie die klassische Balletttechnik. Der Bewegungsfluss wird von keiner einzigen Unsicherheit getrübt. Besonders im zweiten Akt scheint sie tatsächlich über die Bühne zu schweben. Ihre hohen Sprünge und lautlosen Landungen versetzten einen in Staunen. Auch darstellerisch konnte sie überzeugen, zunächst als liebreizendes, lebenslustiges, romantisch verliebtes Bauernmädchen, dann als ätherisches überirdisches Wesen. Ein wenig mehr Seele könnte sie noch in ihrer Interpretation zeigen. Dann wäre man sicher emotional genauso berührt wie von ihrem wunderbaren Tanz. Ihr Partner als Herzog Albrecht war an diesem Nachmittag der junge Kubaner Osiel Gouneo. Auch er ist ein herausragender Tänzer, der besonders im zweiten Akt durch seine eleganten, weichen Sprünge und seine mühelosen Pirouetten beeindruckte. Gouneo zeigte außerdem eine stimmige Interpretation des jungen Herzogs, der Giselle zuerst leichtfertig den Kopf verdreht und später tief bereut, ihre ehrliche Liebe verraten zu haben. Die junge Wienerin Prisca Zeisel präsentierte in der anspruchsvollen Partie der Myrtha ihr großes technisches Können, auch wenn die Bühne zu Anfang des zweiten Akts durch zu viel Trockeneis, das seinem Namen keine Ehre machte, nass und rutschig war, so dass sie zunächst sehr vorsichtig agieren musste und einige Male beinahe ausrutschte. Javier Amo war ein liebevoller, fast nobler Hilarion. Das Corps de Ballet der Willis zeigte im zweiten Akt eine sehr gute Leistung. Man sieht, dass Zelensky seine Tänzerinnen nicht nur nach individueller Klasse ausgesucht hat, sondern auch danach, dass sie ein homogenes Ensemble formen. Sehr schön anzusehen war auch der Pas de six im ersten Akt mit dem Solistenpaar Alexey Popov und Tatiana Tiliguzova und den begleitenden Paaren Jonah Cook und Irina Averina sowie Dimitry Vyskubenko und Freya Thomas. AivoVälja und das Bayerische Staatsorchester waren den Tänzern verlässliche Begleiter, auch wenn die Musik von Adolphe Adam teilweise sehr rustikal klang. Insgesamt war es eine wunderbare Aufführung, die große Lust auf die weitere Ballettsaison machte. Das Publikum bedankte sich mit begeistertem und lang anhaltendem Applaus.
Gisela Schmöger