Anna Laudere als Marguerite und Edvin Revazov als Armand. Foto: Wilfried Hösl
München: Bayerisches Staatsballett: „DIE KAMELIENDAME“ – 26.01.2019
Seit der Münchner Premiere am 15. November 1997 wurde John Neumeiers Klassiker „Die Kameliendame“ mit Bühnenbild und Kostümen von Jürgen Rose schon über einhundertmal beim Bayerischen Staatsballett aufgeführt, oft mit beeindruckenden Interpretinnen der Titelpartie, zum Beispiel Judith Turos, Elena Pankova, Maria Eichwald, Lucia Lacarra oder Daria Sukhorukova. Doch selten sah man ein Paar, das die Rollen von Marguerite und Armand auf gleich hohem Niveau darbot und darstellerisch wie tänzerisch perfekt aufeinander abgestimmt war. Anders in der Vorstellung am 26.01. mit Anna Laudere und Edvin Revazov, den führenden Solisten des Hamburg Ballett. Beiden ist die Choreographie so vertraut, dass jeder Schritt und jede Hebung, seien sie auch noch so kompliziert und unorthodox für den Körper, bei ihnen natürlich aussehen und dazu genutzt werden können, die Handlung zu erzählen. Außerdem tanzen beide sehr musikalisch, kosten jede musikalische Phrase aus und können die wunderbare Verbindung zwischen Frédéric Chopins Musik und John Neumeiers Choreographie voll zur Geltung bringen.
Dazu zeichneten beide tiefbewegende Portraits ihrer beider Bühnenfiguren: Anna Lauderes Marguerite war zu Anfang ganz die elegante Edelkurtisane, die ihre Verehrer charmant, aber fast schon ein wenig gelangweilt im Griff hat. Auch den jungen, weltfremden Armand sieht sie zunächst nur als erfrischende Abwechslung bevor sie sich ernsthaft in ihn verliebt, sich ihm ganz öffnet und die Liebe ihres Lebens mit ihm erlebt. Die Trennung von ihm und die Verachtung, die er ihr entgegen bringt, rauben ihr die letzte Lebenskraft und sie stirbt einsam und mit gebrochenem Herzen. Dies alles konnte Anna Laudere dem Publikum mit ihrem sensiblen Tanz und ihrem feinfühligen Schauspiel eindringlich vor Augen führen. Edvin Revazovs Armand war ein ernster, schwärmerischer großer Junge, dessen bedingungsloser Liebe und Hingabe sich Marguerite einfach nicht entziehen kann. Mit seinen tief empfundenen, von innen kommenden Emotionen ließ er die Zuschauer alle Gefühle seiner Bühnenfigur miterleben: romantisches Werben, unbeschwertes, jugendliches Glück über die erwiderte Liebe, Leidenschaft, Verzweiflung und Wut über den vermeintlichen Treuebruch Marguerites, Rache, Reue und tiefe Traurigkeit über den Verlust seiner großen Liebe. Ein bewegendes Rollenportrait, wie es in München bisher noch nicht zu sehen war! Das heitere Paar, Prudence Duvernoy und Gaston Rieux, wurde von Elvina Ibraimova und Osiel Gouneo mit Witz, Charme und Temperament getanzt. Im zweiten Akt „Auf dem Lande“ beeindruckte vor allem Osiel Gouneo mit seinem virtuos und mit Leichtigkeit vorgetragenen Solo. Kristina Lind war eine elegante und lyrische Manon, Emilio Pavan war ihr bei seinem Debut als Des Grieux ein einfühlsamer Partner. Beide tanzten die anspruchsvollen Partien hochsouverän. Séverine Ferrolier zeigte eine anrührende Interpretation von Marguerites fürsorglicher Kammerfrau Nanina. Auch die übrigen Solisten wie Antonia McAuley als Olympia, Norbert Graf als Monsieur Duval, Javier Amo als Herzog und Dustin Klein als Graf N. hatten ihren Anteil am außergewöhnlichen Charakter der Vorstellung.
Die schon bewährten Pianisten Wolfgang Manz und Simon Murray (Auf dem Lande) spielten Chopins Musik brillant und waren den Tänzern ebenso wie das Bayerische Staatsorchester unter Michael Schmidtsdorff einfühlsame Begleiter. Am Ende erklatschte sich ein begeistertes Publikum Vorhang um Vorhang und wollte Anna Laudere und Edvin Revazov gar nicht mehr nach Hause lassen. Hoffentlich kommen die beiden recht bald wieder!
Gisela Schmöger