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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: TANNHÄUSER

Tannhäuser mit Steigerung

10.05.2019 | Oper

München: “Tannhäuser” – Bayerische Staatsoper 09.05.2019 – Tannhäuser mit Steigerung


Venus im Fleischberg: Elena Pankratova und Klaus Frorian Vogt © Wilfried Hösl

Eine zwiespältige Sache ist diese zweite Aufführung des Tannhäusers in der aktuellen Repertoireserie an der Bayerischen Staatsoper, sowohl szenisch als auch musikalisch. Die symbolgeladene Inszenierung von Romeo Castellucci, der außerdem auch für Bühne, Kostüme und Licht verantwortlich zeichnet, fordert zu ständigem Nachdenken über den Zusammenhang mit dem als bekannt vorausgesetzten Inhalt von Wagners Werk auf, ohne eine Lösung, einen Schlüssel zu bieten. Viele der Bilder, die Castellucci anbietet, stehen einfach zu lange und lassen den Sängern zu wenig Entfaltungsmöglichkeit, sodass sich des Öfteren gepflegte Langeweile ausbreitet. Vor allem zu Beginn fragt man sich, weshalb Tannhäuser sich überhaupt in diesen Venusfleischberg begeben hat, vor dem er sich offensichtlich ekelt.

Zu dieser Langeweile trägt vor allem das zu Beginn – später wird es dann anders – dynamisch wie rhythmisch undifferenzierte Dirigat von Simone Young bei. Im Vorspiel stehen die verschiedenen Orchesterstimmen stehen nebeneinander ohne Bezug zueinander, meist wird Mezzoforte gespielt.

Elena Pankratova zeigt sich unbeeindruckt von den szenischen und musikalischen Widrigkeiten. Von der Regie dazu verdammt, von der Brust abwärts in einem Berg wabernder Hautfalten zu stecken, legt sie ihre ganze Verführungskunst in ihre Stimme. Diese Venus lockt mit warmer Tiefe, flirrt verführerisch in der Höhe und wird schneidend in ihrem Zorn, wenn sie realisieren muss, dass sie Tannhäuser verloren hat.

Der Tannhäuser, Klaus Florian Vogt, klingt immer dann an besten, wenn er Spitzentöne im Forte heraustrompeten kann. Im ersten Akt gibt es davon nur wenige, auch passt hier das keusche Timbre seiner Stimme nicht zur Leidenschaft des Textes. Leisere Passagen in der Mittellage bleiben fahl und glanzlos. Vogt klingt am besten, wenn er seine Spitzentöne im Forte schleudern darf. Trompetenhaft überstrahlen die alles, z.B. in „ein Wunder war’s “ im Duett mit Elisabeth oder „nach Rom“. Auch das verräterische Lied an die Göttin der Liebe schmettert er mit beeindruckender Stimmkraft in den Raum und die „erbarm dich mein“-Rufe gelingen ihm sehr eindringlich.

In der Romerzählung des 3. Aktes erscheint er ganz bei sich zu sein, geht völlig in der Rolle auf und stellt ein wirklich beeindruckendes Portrait, sowohl stimmlich als auch darstellerisch, des zutiefst enttäuschten Büßers vor. Dabei mag es hilfreich sein, dass Castellucci die Figuren hier als Menschen von Fleisch und Blut zeichnet, und nicht wie in den vorangegangenen Akten als Verkörperung von Ideen. Die Idee, der Verfall der beiden Körper – Elisabeth und Tannhäuser – bis nur noch zwei Häufchen Staub übrig sind, findet hier in der stummen Nebenhandlung statt.

Elisabeth ist das einzige Objekt der – auch erotischen – Begierde, weil sie unerreichbar, unberührbar ist. Das wird dargestellt durch das Bild eines Körpers, das Elisabeth auf ihrem Kleid trägt. Dieses Bild legt sie ab, als sie sich durch Tannhäusers Loblied der Venus berührt und beschmutzt fühlt. Emma Bell (eingesprungen für die erkrankte Lise Davidsen) ist in dieser Rolle ist ein zwiespältiger Fall: sie hat eine schön timbrierte, dramatische Stimme mit warmer, kräftiger Mittellage, aber die Höhen blühten nicht so richtig auf, klangen belegt. Die Hallenarie gerät uneinheitlich in der Phrasierung, Doch auch sie findet im 3. Akt zu einer ausdrucksstarken, berührenden Darstellung. Bereits die ersten Töne, „Er kehret nicht zurück“ brachte sie in einem tieftraurigen Piano, das man ihr nach der vorhergegangenen Lautstärke gar nicht zugetraut hätte. Das Gebet dann sang sie mit wunderschöner Phrasierung.


Ludovic Tézier al sWolfram im 3.Akt von Tannhäuser. Im Hintergrund: Klaus Frorian Vogt        © Wilfried Hösl

Schön phrasiert hat auch Ludovic Tézier. Er ist natürlich ein völlig anderer Wolfram als Christian Gerhaher, der die Partie in der Premiere gesungen hat. Bodenständiger und dramatischer. In der „Todesahnung“ und mehr noch im Lied an den Abendstern läuft er zu ganz großer Form auf. Dynamisch differenziert, klug phrasierend, textverständlich, emotional, dramatisch, nach den Liedsängern – neben Gerhaher hatten wir hier in München noch Matthias Goerne und Simon Keelyside in der vorherigen Inszenierung dieser Rolle, die waren auch alle gut – endlich mal ein Wolfram, der seine Opernstimme nicht versteckt.

Stephen Milling als Landgraf singt balsamisch, väterlich und sticht aus den Männerensembles positiv hervor. Von den Sängern der Wartburg haben nur Dean Power als Walther von der Vogelweide und Peter Lobert als Biterolf nennenswerte Soli zu singen. Powers eigentlich schöne Tenorstimme scheint an Glanz verloren zu haben, sie wirkt angestrengt und klein, Loberts Bass knorrig.

Dem jungen Hirten lieh Anna El-Khashem ihren schönen, weichen und runden Sopran. Allerdings wirkt es seltsam, wenn der Hirtendarsteller so offensichtlich nur dasteht und den Mund auf und zu macht.

Der Chor der bayerischen Staatsoper singt wie immer mit überwältigender Stimmkraft, beim Einzug der Gäste zu einheitlich laut, in den Pilgerchören differenzierter.

Zurück zu Simone Young. Für den Eindruck der Steigerung in dieser Aufführung ist nicht zuletzt auch ihr Dirigat im 3. Akt verantwortlich. Jetzt ist alles da, was man vorher vermisst hat. Jetzt passen Tempo, Dynamik und Ausgewogenheit der verschiedenen Orchesterstimmen. Jetzt gelingen große, organisch entwickelte Aufschwünge.

Es bleibt der Eindruck eines 2:1 Abends: zwei Akte, die nicht zu Begeisterung führten und dann ein großartiger 3. Akt. Der letzte Eindruck zählt.

Susanne Kittel-May

 

 

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