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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: SOUTH POLE – 2. Vorstellung der Uraufführungsserie

05.02.2016 | Oper

München: Bayerische Staatsoper: „SOUTH POLE“, 03.02.2016:


Rolando Villazon, Thomas Hampson. Copyright: Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper

Die Bayerische Staatsoper hatte bereits in den letzten Wochen und Monaten kräftig die Werbetrommel für die Uraufführung ihres Auftragswerks „South Pole“ geworben. Höhepunkt der Marketingmaßnahmen und vorbereitenden Veranstaltungen waren eine interessante Einführungsmatinee und eine Klanginstallation vor dem Haupteingang des Nationaltheaters, die einem schon einmal Geräusche und Atmosphäre der Antarktis nahebrachte. Die neugierig gewordenen Opernfans strömten dann auch in Scharen an die Theaterkasse und bescherten der Staatsoper eine ausverkaufte Premierenserie. Zu Recht! South Pole ist ein spannendes und außergewöhnliches Stück, das man sich auch gerne öfter ansehen möchte. Komponist Miroslav Srnka und sein Librettist Tom Halloway haben den Wettlauf zur Antarktis zwischen Robert Falcon Scott und Roald Amundsen als Doppeloper auf die Bühne gebracht. D.h. Engländer und Norweger agieren parallel, ohne sich jemals zu begegnen. Scott und Amundsen beschäftigen sich nur in ihren Gedanken und (Alb)träumen mit dem Gegner.

Regisseur Hans Neuenfels, der mit Katrin Connan auch für das Bühnenbild verantwortlich ist, stellt dafür einen weißen Kasten als Bühnenraum zur Verfügung. An der hinteren Wand ist ein schwarzes Kreuz, wie die Zeltstangen eines um 90 Grad gedrehten Zelts oder der Zielpunkt einer Reise. Links findet der Wettlauf der Engländer –eine Gruppe von 5 Tenören- statt, rechts der der Norweger, eine Gruppe von 5 Baritonen. Auch die Übertitel sind geteilt, so dass man auf der einen den Text des Teams Scott, auf der anderen Seite den Text des Teams Amundsen verfolgen kann. Dies alles könnte verwirrend sein. Die klare und stringente Folge der meist kurzen Szenen, der prägnante, ausdrucksstarke Text und die unterschiedlichen Kostüme (die Engländer in schwarzer Lederkluft, die Norweger in hellgrauen Robbenpelzen) machen es dem Publikum jedoch leicht, der Handlung zu folgen. Von Anfang an werden die unterschiedlichen Charaktere der beiden Anführer klar. Amundsen beherrscht seine Gruppe autoritär, ordnet dem Ziel alle Gefühle unter und nimmt auch den Bruch mit seinen Teammitgliedern nach Ende der Expedition in Kauf. Sein unbedingter Siegeswille lässt ihn zwar das Rennen gewinnen, führt aber auch zu einer totalen emotionalen Leere, die ihn seinen Triumph gar nicht auskosten lässt und die Beziehungen zu anderen Menschen, nicht zuletzt zu Frauen, zerstört. Thomas Hampson gelingt ein großartiges Rollenportrait dieses von Ehrgeiz getriebenen Mannes mit eisernem Willen, der aber in der Einsamkeit der Antarktis durchaus auch zur Selbstreflexion fähig ist und seine emotionale Leere und Einsamkeit erkennt. Robert Scott ist dagegen ein reiner Gefühlsmensch, dem Beziehungen zu anderen extrem wichtig sind. Ihm fehlen die Härte, das Selbstbewusstsein und die Konzentration auf das Wesentliche, um eine solche Expedition zum Erfolg zu führen. Rolando Villazon spielt einen temperamentvollen, aber auch immer wieder von Zweifeln und Unsicherheit geplagten Anführer der Briten. Auch seine Interpretation überzeugt, auch wenn sie nicht ganz so facettenreich ist, wie die von Hampson.

Die Musik ist vor allem im ersten Teil ein kontinuierlicher Klangteppich von meist kühlen, metallischen Klängen, mal flirrend und eisig klirrend mit Harfen-, Glocken und Xylophontönen, mal massiver mit in den Vordergrund tretenden Blechblasinstrumenten. In diesen Klangteppich mischen sich die Tenor- und Bassstimmen der Protagonisten auf der Bühne. Auch ihr Gesang wirkt, vor allem im ersten Teil sehr linear. Große Intervallsprünge nimmt man kaum wahr. Im zweiten Teil wird die Musik dann prägnanter und konturierter, vor allem bei den Höhepunkten der Handlung, dem Sieg der Norweger und der totalen Enttäuschung der Engländer, als ihnen bewusst wird, das Rennen verloren zu haben.Thomas Hampsons vornehmer Bariton schwebt in jeder Phase über dem Orchester und verschwindet nie in der Musik. Rolando Villazons warm timbrierte Stimme hat vor allem im ersten Teil Mühe, sich zu behaupten. Nach der Pause hat er keine Mühe mehr, sich durchzusetzen. Da eine Oper ganz ohne Frauenstimmen aber doch keine richtige Oper wäre, haben Srnka und Halloway noch die Rollen von Scotts Frau und der letzten Freundin von Amundsen geschaffen. Beide erscheinen ihren Männern in Visionen und führen ihnen ihre emotionalen Schwächen vor Augen: Scotts Unsicherheit, ob er wirklich geliebt wird und Amundsens Gefühlskälte. Tara Erraught’s Mrs Scott ist eine ehrgeizige Dame der Gesellschaft, die mehr Energie und Zielstrebigkeit in sich hat als ihr Mann. Moica Erdmann ist eine einerseits zarte, andererseits unerbittliche „Landlady“, die Amundsen immer wieder seine Beziehungsunfähigkeit vor Augen führt.

Kirill Petrenko und das Bayerische Staatsorchester vollbringen eine Meisterleistung in der Darbietung der vielschichtigen, aus vielen einzeln geführten Instrumentengruppen bestehenden Partitur. Trotz der riesigen Orchesterbesetzung klingt die Musik durchlässig und transparent. Die Teamgefährten Scotts – Dean Power, Kevin Conners, Matthew Grills und Joshua Owen Mills – und Amundsens – Tim Kuypers, JohnCarpenter, Christian Rieger undSean Michale Plumb überzeugten ebenfalls mit klaren, schön geführten Stimmen und einer natürlichen, höchst glaubhaften Darstellung. Am Ende großer Jubel für alle Beteiligten. Ein absolut sehens- und hörenswertes Stück, das sicher auch bei einem wiederholten Besuch nicht langweilig wird.

Gisela Schmöger

 

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