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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: SIMON BOCCANEGRA – musikalischer Hochgenuss und sängerische Glanzleistungen

30.11.2017 | Oper

München: Bayerische Staatsoper: „SIMON BOCCANEGRA – musikalischer Hochgenuss und sängerische Glanzleistungen“, 30.11.2017

Wie schon der erste Abend der aktuellen Wiederaufnahmeserie des „Simon Boccanegra“ vier Tage zuvor bot auch die zweite Vorstellung am 30.11.2017einen musikalischen Hochgenuss mit sängerischen Glanzleistungen und höchster Emotionalität.

Das Publikum durfte die Geschichte, wie sie in dieser Oper eigentlich erzählt wird, sowie die von Giuseppe Verdi in diesem Werk musikalisch angelegten Gefühle der Protagonisten intensiv erleben. Dies verdient besondere Hervorhebung, da die Inszenierung und das Bühnenbild von Dmitri Tcherniakov in der Produktion aus dem Jahr 2013 hierfür nicht nur keine Unterstützung leisten, sondern dies sogar stark behindern. Dmitri Tcherniakov stellt in seiner Inszenierung den Kern der Geschichte in Frage: Er zweifelt an, dass es sich bei Amelia tatsächlich um Boccanegras verschollene Tochter Maria handelt.Er suggeriert, Amelia sei vielmehr ein Mädchen, das nach seiner Herkunft sucht, sich in die Familiengeschichte Boccanegras hineinträumt und sich lediglich ausmalt, dessen verschollene Tochter zu sein. Dmitri Tcherniakov zieht auch in Zweifel, dass Simon Boccanegra wirklich daran glaubt, dass Amelia seine verschollene Tochter Maria ist. „Aber eine junge Frau hat es geschafft, ihre Verbindung mit ihm so zu bauen, dass es für ihn in einem bestimmten Moment nicht mehr wichtig ist, verstehen zu können, ob sie wirklich seine Tochter ist oder nicht. Diese Frau ist wichtig für ihn. Er braucht sie. Er kann nicht ohne sie. Von der ersten Begegnung der beiden spielt er mit, spielt, dass er ein glücklicher Vater ist, dass sie seine Tochter ist. (…) Ich befürchte, Boccanegra glaubt in der ganzen Oper nicht an die wahre Identität dieser aufgetauchten Tochter.“, so Dmitri Tcherniakov im Programmbuch (S. 86 und S. 96).

Allen voran begeisterte Željko Lučić in der Titelpartie mit seiner unglaublich samtigen, warmen, wunderschön klingenden Baritonstimme, die er hervorragend zu führen versteht und mit der er die gesamte Bandbreite menschlicher Emotionen ganz intensiv, unmittelbar und ergreifend auszudrücken vermag. Sein Rollenporträt konzentrierte sich ganz auf Simon Boccanegra als liebenden Vater und einen um den Verlust seiner großen Liebe trauernden Mann. Er machte auf diese Weise verständlich, wie auch der Politiker Boccanegra durch sein Menschsein bestimmt und geleitet wird. So waren etwa die Wut und Trauer Boccanegras über den Tod seiner großen Liebe sowie über die vorausgegangene Zurückweisung durch Fiesco, die Verzweiflung über den Verlust seiner Tochter sowie das Glück und die Freude, diese nach 25 Jahren unverhofft als erwachsene Frau wiederzusehen, seine Güte und Friedfertigkeit hör-, spür- und erlebbar. Ein plakatives Beispiel für die Intensität des stimmlichen Ausdrucks, zu der Željko Lučić– freilich auf der Basis der genialen Komposition Verdis und mit dem entsprechenden Klangteppich aus dem Orchestergraben –fähig ist, bildet die Szene im 3. Akt, als Simon Boccanegra unter den einsetzenden Wirkungen des Gifts über das Meer und die erfrischende Wirkung einer Meeresbrise sinniert: Man meint plötzlich, den salzigen Geschmack von Meeresluft auf den Lippen zu spüren und eine frische Brise wahrzunehmen, die durch das Haar weht und die Atemwege befreit. Und dies, obwohl wegen der Atmosphäre, die durch die Bühnengestaltung erzeugt wird, kaum etwas fernerliegt als die Vorstellung von einer Anwesenheit am Meer.

Als leidenschaftlicher Gabriele Adorno beeindruckte Wookyung Kim mit seinem klangschönen, metallischen Tenor, der auch über eine angenehme Wärme verfügt. Er gestaltete sowohl lyrische als auch dramatische Passagen sehr schön und stellte vor allem bei den dramatischen Ausbrüchen scheinbar mühelos eine strahlende Höhe unter Beweis.Die Rolle von Boccanegras Mörder, seinem einstigen Vertrauten Paolo, war mit Boris Pinkhasovich ganz hervorragend besetzt. Sein voluminöser, metallischer Bariton besitzt einen sehr individuellen, schönen Klang sowie eine enorme Durchschlagskraft. Die Rollenkonstellation als Gegenspieler Boccanegras fand somit auch auf stimmlicher Ebene eine passende Entsprechung. Auch Vitalij Kowaljow bot mit seinem voluminösen, frei strömenden, klaren und satten Bass als Fiesco eine fantastische Leistung. Serena Farnocchia als Amelia war ihren männlichen Kollegen eine ebenbürtige Partnerin.Durch das etwas kühle Timbre ihres vollen, ohne Schärfen geführten Soprans entstand vor allem ein stimmlicher Kontrast zwischen Amelia und Boccanegra, der nicht nur harmonisch, sondern äußerst wirkungsvoll war. Nahtlos fügten sich Long Long als Capitano und Alyona Abramowa als Dienerin der Amelia in die Solistenriege ein. Der Chor und Extrachor der Bayerischen Staatsoper rundeten die ausgezeichneten stimmlichen Leistungen ab.

Bertrand de Billy ging das Werk musikalisch zupackend an, so dass die darin steckende Energie intensiv hör- und spürbar wurde. Gleichzeitig war er den Sängern stets ein umsichtiger Begleiter und schuf mit dem Bayerischen Staatsorchester einen transparenten Klang, der die Vielzahl an Schönheiten in dieser Oper enthüllte.

Leider wurden die herausragenden musikalischen Leistungen vom Publikum am Ende diesmal nicht mit einem so großen Jubel gewürdigt, wie es alle Beteiligten verdient gehabt hätten.Der Beifall war zwar durchaus sehr freundlich und von diversen Bravo-Rufen begleitet, fiel jedoch sehr kurz aus. Nach der ersten Vorstellung dieser Serie war das zum Glück ganz anders!

Martina Bogner

 

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