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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: SALOME. zweite Aufführung der Neuproduktion zu den Opernfestspielen

03.07.2019 | Oper

München:“Salome”–Bayerische Staatsoper 02.07.2019–Salome, zweite Aufführung der Neuproduktion zu den Opernfestspielen

Salome ist eine Literaturoper, also lassen wir sie in einer Bibliothek spielen, so dachte wohl der Regisseur Krzysztof Warlikowski. Und erfindet eine Rahmenhandlung, in der eine Gruppe von offensichtlich verfolgten, finanziell gutsituierten (Achtung: Klischee!) Juden sich vor den Nazis in einer etwas heruntergekommenen Bibliothek versteckt hält und sich dort die Zeit mit allerlei Theaterstücken vertreibt. So geben sie quasi als Ouvertüre eine antisemitische Parodie zu Musik von Gustav Mahler, dann folgt übergangslos die Aufführung der Oper Salome als Spiel im Spiel. Das erschließt sich spätestens am Ende, wenn Jochanaan mit Zigarette im Mund auf die Bühne geschlurft kommt und auch Narraboth, der vorher eine ganze Stunde lang auf der Bühne liegen musste, plötzlich von den Toden aufersteht. Die Bühne (Bühnenbild: Małgorzata Szczęśniak) öffnet sich in der Mitte, zuerst, wenn Jochanaan erscheint, später noch einmal, wenn Salomes Tanz beginnt, und gibt den Blick frei auf einen kühlen, schwimmbadähnlichen Raum. Als gut informierter Zweitaufführungsbesucher erkennt man die Anspielung auf eine Synagoge, die auf Befehl der Nazis in ein Hallenbad umgewandelt wurde. Es ist der Raum Salomes, hier versucht sie, Jochanaan zu umgarnen, hier tanzt sie für Herodes, hier findet der makabre Schlussgesang an den abgeschlagenen Kopf satt.

Bildergebnis für Bayerische Staatsoper Salome
Statt Terrasse im Mondlicht eine dunkle Bücherhöhle: Marlis Petersen (Salome, unter dem Tisch), Wolfgang Ablinger-Sperrhacke (Herodes, mit Kippa), Michaela Schuster (Herodias). Im Hintergrund das Judenquintett, die stumme Figur des Dieners wurde dazuerfunden.
© Wilfried Hösl

Nach seiner eigenen Aussage versucht Warlikowski durch diese Kunstgriffe eine Haltung zu den offensichtlich antisemitischen Passagen in diesem Fin-de-siècle-Werk zu zeigen. Das gelingt auch, führt allerdings auch zu einer inneren Distanz des Zuschauers, die dem Sog der Musik entgegensteht. Besonders deutlich wird das, wenn nach dem Fluch des Jochanaan die Musk tobt, auf der Bühne aber ganz prosaisch ein Tisch gedeckt wird. Oder wenn zum Schleiertanz auf die Rückwand ein herzallerliebstes Video projiziert wird (Video: Kamil Polak), ein Einhorn scharrt mit den Hufen, allerlei mythisches Getier erscheint. Als Vorbilder dienten die Deckenmalereien einer Synagoge. Es ist tauch sehr hübsch anzuschauen, passt aber in seiner kindlichen Naivität nicht zu dem Totentanz, der sich im Vordergrund abspielt. Der Tanz selbst ist dagegen sehr gut gelöst: Salome wird in ein Brautkleid gekleidet und dem Tod in Gestalt eines alten Mannes – der Tänzer Peter Jolesch – zugeführt. Der Tanz als Ritual einer Hochzeitsnacht, das war beeindruckend dargestellt.

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Tanz mit dem Tod: Marlis Petersen als Salome und der Tänzer Pete Jolesch  © Wilfried Hösl

Mit einer Sänger-Darstellerin wie Marlis Petersen, die keine Angst vor Körperlichkeit hat, gelingt diese Gradwanderung zwischen ekstatischem Ausdruckstanz und Bodenturnen. Petersen überzeugt auch stimmlich vor allem durch ihre Ausdruckskraft. Mit ihrem silbrig-hellen Timbre, das das über eine Fülle von kühl flirrenden – manchmal auch etwas flackernden – Stimmfarben verfügt, ist sie eine eher lyrische Salome.

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Salome beim großen Schlussgesang. Die Schachtel enthält den Kopf des Jochanaan – oder vielleicht doch nicht?     © Wilfried Hösl

Wolfgang Koch singt den Jochanaan mit wenig Stimmfarben, die Höhen sehr kräftig, die Tiefen könnten etwas mehr Stoff vertragen. Darstellerisch gelingt es ihm, in dieser in ihrer religiösen Selbstgerechtigkeit oft langweiligen Gestalt die innere Zerrissenheit sichtbar zu machen: er scheint von Salome zugleich angezogen und abgestoßen zu sein.

Die relativ kurze Rolle des Narraboth wird von Pavol Breslik stimmschön gesungen und elegant gespielt. Der Herodes des Wolfgang Ablinger-Sperrhacke hat dagegen stimmlich nicht immer überzeugt, er klang manchmal etwas trocken. Michaela Schuster gab eine stimmstarke Herodias, fiel damit etwas aus dem Rahmen der sonst eher lyrischen Stimmen. Der Page der Herodias durfte diesmal als Frau auftreten,  Rachael Wilson sang sie mit schönem, warmem Mezzosopran.

Eine lyrische Salome, geht das? Ja, das geht, da Kirill Petrenko mit dem Bayerischen Staatsorchester sie, wie auch die anderen Sänger, auf Händen trägt. Er nimm jedes pp in der Partitur ernst, kostet die leisen Stellen besonders aus, um aufzudrehen, wenn keiner singt. Das ist eine ungewohnte Interpretation der Salome, eine transparente, durchhörbare Interpretation, die sicherlich Geschmackssache ist. Aber wer Petrenko kennt, weiß, dass er das übliche Pathos meidet und eine eher analytische Herangehensweise an die Partitur bevorzugt. Petrenkos Salome „schwitzt“ nicht, um mit Nietzsche zu sprechen, aber sie flirrt und leuchtet in den exotischsten Farben.

Eine außergewöhnliche Interpretation der Salome, die lange nachwirkt.

Susanne Kittel-May

 

 

 

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