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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: ROBERTO DEVEREUX mit Edita Gruberova. „Sie war, sie ist, sie wird sein“

28.04.2017 | Oper

(München 27.4.2017): Edita Gruberova als Elisabetta in Donizettis Roberto Devereux: „Sie war, sie ist, sie wird sein“

So orakelte Manuel Brug vor fünf Jahren anlässlich von Gruberovas konzertanter Straniera im Münchner Gasteig. Der letzte Teil dieses Orakelspruchs trifft erfreulicherweise immer noch zu: Edita Gruberova, die Unvergängliche, singt in München szenisch noch immer ihre beiden Glanzpartien, die alternde Königin Elisabetta in Donizettis Roberto Devereux und die Giftmischerin Lucrezia Borgia, ebenfalls von Donizetti, beide in Inszenierungen von Christof Loy (nächstes Jahr bringt die Bayerische Staatsoper die Lucrezia mit Gruberova und Juan Diego Flórez). Die Elisabetta darf – neben der Zerbinetta und der Lucia di Lammermoor – getrost als Gruberovas ‚Lebensrolle‘ bezeichnet werden, hat sie diese doch seit 1990 in mehreren Inszenierungen und vor allem konzertanten Aufführungen gesungen – zudem kommt sie ihren Mitteln im jetzigen Stadium ihrer Karriere sehr entgegen. Angesichts des überwältigenden Erfolgs der aktuellen Aufführungsserie kann man nur auf den musikalischen Sachverstand von Herrn Direktor Bachler hoffen, Edita Gruberova in dieser Rolle weiter zu engagieren. Das Münchener Publikum und zahlreiche Gäste aus Österreich, der Schweiz und Übersee würden es ihm sicher (auf Knien!) danken.
In der letzten Aufführung am 27. April 2017 war Edita Gruberova (nach leichten Anlaufschwierigkeiten zu Beginn der ersten Aufführung) stimmlich von Anfang an voll präsent. Bereits die Cavatina gelang ihr ausgezeichnet und wurde mit einem wunderbaren Schwellton gekrönt: Wie aus dem Nichts setzt die Sängerin den Ton an, crescendiert ihn und führt ihn schließlich wieder ins Nichts zurück. In der sich anschließenden Cabaletta kann Edita immer noch das gesamte Reservoir ihrer Verzierungskünste vorführen und krönt die Arie mit einem sicheren Spitzenton.
Die Elisabetta ist gesanglich eine mörderische Partie, eine sogenannte Assoluta-Rolle, verlangt sie doch eigentlich zwei ganz unterschiedliche Stimmen: einen hohen Koloratur- und zugleich einen dramatischen Mezzosopran. Edita Gruberova versteht es seit Jahren, dieses letzte, eigentlich nicht vorhandene Register durch einen geschickten, immer besser integrierten Einsatz der Bruststimme künstlich zu erzeugen. Daran könnten sich Liebhaber vollerer Stimmen stören, und hier mag ein letzter unerfüllter Rest bestehen bleiben – der wahrhaftigen Gestaltung der Partie spielt diese Eigenart aber geradezu in die Hände!
Höhepunkt war – wie in jeder Devereux-Aufführung der Gruberova – die Wahnsinnsszene des letztens Aktes: Roberto ist auf dem Weg zum Schafott, Sara und die Königin ringen um die Möglichkeit einer Verschonung des Delinquenten, als der ohrenbetäubende Kanonenschuss ertönt, der von Robertos Hinrichtung kündet.

Edita Gruberova gestaltet die dann einsetzende Arie „Quel sangue versato“ auf atemberaubende Weise im Wechsel zwischen dem zärtlichsten Pianissimo und hohen Forte Bs, die einer Strauss- oder Wagnersängerin alle Ehre machen würden. Es sind diese zu Tönen geronnenen Emotionen, die ihre gesangliche Darstellung so unverwechselbar machen. Wenn sie sich dann als theatralischen Coup noch die Perücke vom Kopf reißt und mit schütterem Greisenhaar und einem durch Mark und Bein dringenden D in Altissimo den Abend beendet, dann ist das Theaterglück perfekt: Der Applaus währte noch an (insgesamt 25 Min.), als die Bühnenarbeiter schon die Kulissen abbauten! Das ist der Stoff für (Opern-)Legenden.

Umgeben war Gruberova von einem hervorragenden Ensemble: Charles Castronovo war ein viriler, die Königin immer wieder provozierender Devereux, Silvia Tro Santafe eine hochdramatische Sara mit Höhenaplomb und Francesco Petrozzi ein balsamisch tönender und schauspielerisch engagierter Lord Cecil. Es war schön, das Dirigat eines Belcanto-Werks einmal in so versierten Händen wie denen von Friedrich Haider zu wissen.

Ein Abend, der noch lang in der Erinnerung fortleben wird!

Heiko Puls

 

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