Jonas Kaufmann, Anja Harteros. Copyright: Wilfried Hösl/ Bayerische Staatsoper
MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: OTELLO- Premiere am 23.11.2018
Ein außergewöhnlicher Opernabend. Außergewöhnlich in der Veweigerung jeglicher optischer und teilweise auch musikalischer Kulinarik. Hier gibt es keinen Mohren im Prunkkostüm, sondern einen von Kriegsgräueln gezeichneten emotional verkümmerten Mann. Nicht einmal im Liebesduett lässt Regisseurin Amélie Niermeyer Romantik aufkommen, stattdessen bietet sie das Psychogramm einer Ehe, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist. Tatsächlich gelingt Niemeyer mit ihrer Sichtweise ein Abend von ungeheurer emotionaler Wucht.
Der Sturm zu Beginn findet in Desdemonas Seele statt, Anja Harteros ist von Anfang an auf der Bühne, und wie sie Unruhe, Zweifel, Hoffen und Bangen darstellt, ist einfach großartig. Sie ist kein süsses, naives Mädchen, sondern eine starke Frau, die um ihre Liebe, aber auch um ihre Selbstachtung und Mitbestimmung in der Beziehung kämpft. Dazu passt auch die gereifte Stimme von Harteros, die hier weniger auf engelsgleiche Piani, denn auf dramatischen Ausdruck setzt.
Jonas Kaufmann darf den gebieterischen Feldherrn nur kurz aufblitzen lassen, im „Esultate“ und bei „Abasso le spade“, hier aber mit großer Strahlkraft, ansonsten stellt er den von Selbstzweifeln gequälten, im tiefsten Inneren unsicheren Mann mit erschreckender Glaubhaftigkeit dar, auch in der Stimme.
Die vielleicht beste sängerdarstellerische Leistung liefert Gerald Finley ab: sowohl mit Stimme als auch als Schauspieler eher ein Mann der leisen Töne, der Zwischentöne. Ein Jago. der nicht auf den ersten Blick verschlagen daherkommt, sondern einer, der sein Gift sanft verträufelt, sodass es glaubhaft ist, dass er Otello manipulieren kann.
Jonas Kaufmann/ Anja Harteros. Copyright: Wilfried Hösl/Bayerische Staatsoper
Der Vierte im Bunde dieser großartigen Umsetzung ist Kirill Petrenko. Was er dem Bayerischen Staatsorchester an Transparenz und Zwischentönen entlockt, erstaunt immer aufs Neue.
Fazit: wer sich auf die Sichtweise Niermeyers einlassen kann, wird mit einem hochspannenden, emotional packenden Otello belohnt.
Susanne Kittel-May