München: Opernfestspiele der Bayerische Staatsoper: „TURANDOT, 16.07.2019
Obwohl die Münchner „Turandot“-Inszenierung von CarlusPadrissa – La Fura dels Baus schon acht Jahre alt ist, hat sie nichts von ihrer Attraktivität und ihrem spektakulären Charakter verloren. Die opulente, futuristische Optik, die filigranen Artisten, die phantasievollen Kostüme und natürlich die eindringlichen 3-D-Effekte passen sehr gut zum extravaganten, märchenhaften Sujet der Oper sowie zu der exotischen, teils bombastischen, teils innigen, eine große Sogwirkung entfaltenden Musik Giacomo Puccinis.
Bei sovielen unterschiedlichen optischen und motorischen Impulsen könnte man als Zuschauer manchmal Gefahr laufen, den Focus auf das Wesentliche, die Sänger und die Musik zu verlieren. Wenn allerdings so starke Persönlichkeiten auf der Bühne stehen wie in der Vorstellung am 16.07. ist dieses Risiko nur sehr klein. Stefano La Colla ist zwar kein Vollblutschauspieler, dennoch verfügt er über eine starke Bühnenpräsenz. Sein heller, strahlender, fast stählerner Tenor dringt auch noch durch die größten Klangwogen, so dass er die Aufmerksamkeit jederzeit auf sich ziehen kann. „Nessun dorma“ gestaltete er souverän und selbstbewusst mit strahlendem, wenn auch etwas gestemmten Spitzenton. Nina Stemme brachte als egoistische Prinzessin Turandot, der sich am Ende aber doch noch die Welt der altruistischen Liebe eröffnet, eine sowohl stimmlich wie darstellerisch beeindruckende Leistung. Ihr Sopran klang zu jeder Zeit frei und raumfüllend, auch in den schwierigsten Passagen niemals schrill oder gepresst. Publikumsliebling war allerdings –wie oft in Turandot-Vorstellungen- die Sängerin der Liù, die wunderbare Golda Schultz. Sie berührte das Publikum mit ihrer innigen Rollengestaltung und ihrem über allem schwebenden, mühelosen, in eine andere Welt führenden Gesang. Bei so einer wundervollen Interpretation erscheint es nur gerechtfertigt, dass die Oper mit dem Tod Liùs endet, so dass diese Figur den letzten und somit stärksten Eindruck beim Publikum hinterlässt.
In die Reihe der großartigen Sängerdarsteller dieses Abends gehört in jedem Fall auch Alexander Tsymbalyuk als Timur. Er gestaltete den alten, schwachen, aber dennoch würdigen König, der sowohl Liù als auch seinen Sohn so innig liebt, musikalisch und darstellerisch so überzeugend, dass man als Zuschauer tiefes Mitleid mit dieser Figur empfand. Mattia Olivieri als Ping, Kevin Conners als Pang und Galeano Salas als Pong sangen ebenfalls auf sehr hohem Niveau und komplettierten so die ausgezeichnete Solistenriege. Dirigent Thomas Søndergård scheint vor allem die bombastischen Teile der Partitur sehr zu lieben. Darin ließ er das Bayerische Staatsorchester so richtig aufdrehen, so dass es teilweise schon nah an die Grenze des Zumutbaren ging. Auf der anderen Seite gelangen dem Orchester aber auch wunderbar durchsichtige und melodiös innige Passagen. Ein Extralob verdiente sich wieder einmal der Chor der Bayerischen Staatsoper, der mit seinem differenzierten Gesang jederzeit die richtige Atmosphäre für die Solisten schuf. Am Ende durften sich alle Protagonisten über begeisterten Applaus freuen.
Gisela Schmöger