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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper/ Opernfestspiele: LA BOHÈME. Wie aus einer anderen Zeit…

29.07.2022 | Oper international

MÜNCHEN/Opernfestspiele: LA BOHÈME am 27. Juli 2022

Wie aus einer anderen Zeit…

bomo
Copyright: Bayerische Staatsoper/ Wilfried Hösl

Mehr oder weniger unvermittelt und wie ein Solitär einer während einer relativ lang vergangenen Zeit mit großem Zuspruch aufgenommenen Opern-Ästhetik setzten die Münchner Opernfestspiele 2022 Ende Juli die fast 50 Jahre alte Inszenierung von Otto Schenk der Verismo-Oper „La Bohème“ von Giacomo Puccini auf das Programm. Warum auch nicht, wenn die Bayerische Staatsoper ein so trefflich zusammengestelltes und den ganzen Abend über authentisch agierendes Bohemien-Ensemble aufweisen kann, welches mithin beim Münchner Festspielpublikum große Begeisterung auslöste.

Schon gleich zu Beginn stimmte Francesco Lanzillotta am Pult des Bayerischen Staatsorchesters feurig in die glutvolle Partitur der Oper von Puccini ein, die in der alten Mansarde von Rudolf Heinrich über den Dächern von Paris mit einer äußerst schwungvollen Runde der vier bedürftigen Künstler und Lebenskünstler Rodolfo, Marcello, Schaunard und Colline begann. Köstlich auch, wie sie mit gemeinsamer Kraft den lästigen Benoît hinauskomplementierten! Hier war keine Personenregie nötig. In einem solch traditionellen Bühnenbild bleibt einem Sänger kaum etwas anderes übrig, als sich in seiner Rolle selbst zu spielen. Das geht naturgemäß besonders gut, wie man ja auch vom Tanzmeister über Zerbinetta in der „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss hören kann.

Diese Authentizität ging eine wunderbare Harmonie mit dem Orchester ein sowie mit dem großartigen Bayerischen Staatsopernchor unter der Leitung von Stellario Fagone mit seinem Team. Der Chor und der Kinderchor der Bayerischen Staatsoper beherrschten große Strecken des detailreichen und phantasievollen Bühnenbildes des 2. Akts, etwa vergleichbar mit den alten Inszenierungen in Wien und an der Staatsoper Budapest, deren „Bohème“ sogar noch viel älter ist und ebenfalls zu einer Kult-Produktion wurde und wohl weiterhin bleibt.

 Charles Castronovo, US-amerikanischer Tenor von internationalem Format, singt und spielt einen ebenso emotionalen wie einnehmenden Rodolfo mit einem für das italienische Fach bestens geeigneten Timbre und auch einiger Italianità. Ailyn Pérez ist ebenfalls eine Idealbesetzung für die Mimì, optisch und darstellerisch dem gesundheitlich leidenden Mädchen von nebenan sehr nahe kommend und stimmlich mit viel Wohlklang und Nuancenreichtum in der Interpretation der Rolle ausgestattet. Natürlich erregte die Russin Aida Garifullina besondere Aufmerksamkeit beim Publikum, denn sie ist ja als exzellente Musetta weithin zu Recht bekannt. Auch an diesem Abend zeigt sie wieder alle Register ihres koketten darstellerischen Könnens, aber auch mitfühlende Emotion mit dem Schicksal der Freundin. Und stimmlich war die Garifullina in dieser Rolle wieder eine Wucht! Mühelos, ja fast spielerisch kommen alle Höhe und Tiefen, und dabei noch ein Mienenspiel, als sei es die grüßte Selbstverständlichkeit der (Opern-)Welt.

Mattia Olivieri ist ein engagierter Marcello für die ständigen emotionalen Ausbrüche mit Musetta. Andrei Kymach singt einen guten Schaunard. Adam Palka ist schließlich ein ebenso guter Colline, bei dem er mit der berühmten Mantelarie glänzen kann. Die kleinen Nebenrollen sind ebenfalls gut besetzt. Ein vielleicht auch etwas nostalgischer Abend mit einem tatsächlich realen Verismo und einer homogenen und damit besonders stark wirkenden Truppe der geschundenen Bohemiens auf den Dächern von Paris…

Klaus Billand

 

 

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