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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: „MONTAGSSTÜCK XV: „Der gestirnte Himmel“ mit Beethoven-Werken. Crossley-Mercer, Davidsen; Bachler

23.02.2021 | Konzert/Liederabende

Montagsstück XV: „Der gestirnte Himmel“ mit Beethoven-Werken in der Bayerischen Staatsoper

Dankgesang eines Genesenen

Lise Davidsen (Foto: Ray Burmiston)
Lise Davidsen. Foto: Ray Burmiston

Beethoven-Werke in der Bayerischen Staatsoper am 22.2.2021/MÜNCHEN

Die Huldigungszeit zu Beethovens 250. Geburtstag wird zumindest in München noch etwas verlängert. Interessante Werke interpretierte deswegen zunächst der versierte Bariton Edwin Crossley-Mercer zusammen mit einem Klaviertrio aus den Reihen des Bayerischen Staatsorchesters (Pianist: Yoan Hereau) mit Ludwig van Beethovens „Irish Songs“ und den „Schottischen Liedern“ op. 108. In ihrer leidenschaftlichen Aussage und ihrer folkloristischen Zuspitzung wurden diese Lieder sehr gut getroffen. Dies zeigte sich insbesondere bei den Nummern „O sweet were the hours“, „O Mary, at thy window be“ oder „Bonny Laddie, Highland Laddie“. Auch hier scheint der menschenscheue Sonderling schwärmerisch von der Vereinigung mit seiner „unsterblichen Geliebten“ zu träumen. Und so nahmen in feinen dynamischen Abstufungen sehnsuchtsvolle Gedanken starke Kontur an. Edwin Crossley-Mercer wahrte bei seiner konzentrierten Interpretation immer wieder Ordnung, Form und Klarheit der Komposition. So wirkte diese Musik auch hier explosiv und ekstatisch, ging bis an die Grenze menschlicher Erlebnismöglichkeit.

Die Harmonie der Sphären und der Zusammenklang der Gottesnatur überwältigte vor allem bei der hervorragenden Wiedergabe der „Sechs Lieder von Gellert“ op. 48 von Ludwig van Beethoven, wo die junge norwegische Sopranistin Lise Davidsen diese Elemente einfühlsam beschwor. Zum Glück fehlten dabei falsches Pathos und Sentimentalität. Statt dessen triumphierten die Phänomene der Natur mit großer gesanglicher Leuchtkraft sowie deren elementarer Auswirkung. Die begleitende Pianistin Sophie Raynaud unterstrich dabei mit prägnanter Rhythmik und kontrastreicher Dynamik den jeweiligen Klangfarbenwechsel, dem die Sopranistin Lise Davidsen mit verhaltener Spannung und zuweilen auch heftigerer Leidenschaft antwortete. Manchmal schienen die Töne und Motive sogar in geheimnisvollem Dämmerlicht vorbeizuhuschen. Und Lise Davidsen ließ die harmonischen Veränderungen gesanglich ausgesprochen abwechslungsreich Revue passieren. Gelegentlich wurden sogar Assoziationen zur in der selben Zeit entstandenen dritten „Eroica“-Sinfonie in Es-Dur geweckt.

Staatsintendant Nikolaus Bachler las dann zwischen feierlichen Kerzenleuchtern Passagen aus dem berühmten „Heiligenstädter Testament“, das Beethoven an seine Brüder Kaspar Karl und Johann im Jahre 1802 schrieb. Hier steht vor allem die tragische Katastrophe seiner fortschreitenden Ertaubung im Mittelpunkt, die er trotz seiner Verzweiflung mit bewundernswertem Mut in den Griff bekam. Davon zeugt der dritte Satz „Canzona di ringraziamento“ (Molto adagio) aus Beethovens Streichquartett in a-Moll op. 132. Diesen ergreifenden „heiligen Dankgesang eines Genesenen an die Gottheit“ interpretierte das Praetorius-Quartett (David Schultheiß, erste Violine; Guido Gärtner, zweite Violine; Adrian Mustea, Viola; Yves Savary, Violoncello) mit großer Reife und tiefer Ergriffenheit. So kam der innig-abgeklärte Ruhepunkt des Werkes ausgezeichnet zum Vorschein. Das „F-Dur ohne b“ bezieht sich dabei auf den kirchentonartlichen Bereich. Und die Musiker interpretierten die choralartige Melodie sehr mystisch, nahezu entschwebend. Der Reiz des  vierstimmigen Satzes stach facettenreich hervor. Selbst die tänzerisch-heiteren Züge blitzten sphärenhaft auf und mündeten in einen bewegenden Dank-Choral, der den rondoartigen Satz mit Cantus-firmus-Momenten beschloss. Dass dieser einzigartige Satz ein phänomenaler musikgeschichtlicher Rück- und Vorblick ist, wurde an diesem Abend deutlich.    

 

ALEXANDER WALTHER    

 

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