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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: LUCIA DI LAMMERMOOR

15.10.2016 | Oper

München: Bayerische Staatsoper: „LUCIA DI LAMMERMOOR“, 14.10.2016

Barbara Wysockas Inszenierung von „Lucia di Lammermoor“ hat sich seit ihrer Premiere im Frühjahr 2015 als sehr repertoiretauglich erwiesen. Die Handlung ist ins Amerika der 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts versetzt, laut Barbara Wysocka eine Epoche, in der es noch möglich war, dass Privatinteressen und persönliches Glück hinter Machtstreben und Familienraison zurückstehen mussten. Lucia ist eine starke, selbstbewusste Frau innerhalb des Ashton-Clans, die für ihre Liebe zu Edgardo kämpft und dafür auch die Auseinandersetzung mit ihrem Bruder Enrico nicht scheut. Unabhängigkeit und Selbstbestimmung sind ihr so wichtig, dass sie dafür letztlich in den Tod geht.

Diese Charakterisierung der Titelfigur führt zu packenden emotionalen Auseinandersetzungen und leidenschaftlichen Gefühlen, und macht das Stück für die Zuschauer zu einem spannenden Erlebnis. Jessica Nuccio gestaltete die Lucia alles in allem überzeugend im Sinne der Inszenierung, auch wenn sie manchmal dazu neigte, sich während ihrer Arien ganz auf den Gesang zu konzentrieren und das Schauspiel etwas zu vernachlässigen. Ihre Stimme hat ein angenehmes, für einen Koloratursopran eher dunkles, warmes Timbre. Im ersten Teil klangen manche Koloraturen noch etwas schwerfällig und nicht ganz frei. In der Wahnsinnsszene fand Jessica Nuccio jedoch dann zu einer einwandfreien, nuancierten und berührenden musikalischen Gestaltung. Die Figur des Edgardo ist in dieser Inszenierung deutlich von James Dean inspiriert. Charles Castronovo passte sehr gut in dieses Bild und spielte einen jungen, unangepassten Mann, der seine Emotionen voll auslebt. Für einen lyrischen Tenor klingt seine Stimme sehr heldisch, was zu der Partie in dieser Inszenierung aber sehr gut passt. Insbesondere in der Finalszene beeindruckte er mit einer eleganten Stimmführung, großem Stilgefühl und einer eindringlichen, ergreifenden Gestaltung.

Dalibor Jenis sang den Enrico mit mächtigem, stellenweise aber ziemlich vibratoreichem Bariton. Darstellerisch konnte er als Familienoberhaupt, das auf die Sicherung von Macht und Stellung aus ist, aber überzeugen. Alexander Tsymbalyuk brachte den zwiespältigen Charakter des Raimondo Bidebent, der einerseits um Lucia besorgt ist, andererseits doch voll auf der Seite der Familie Ashton steht, eindrucksvoll zum Ausdruck. Seine beiden Arien sang er mit sonorer, frei strömender und raumfüllenden Stimme.

Oksana Lyniv dirigierte das Bayerische Staatsorchester nuanciert und mit Sinn für die Vielfalt von Donizettis Partitur. So waren die Musiker den Sängern einerseits einfühlsame Begleiter in den zarten und leichten Passagen der Oper, ließen es aber an den dramatischen Stellen auch ordentlich krachen.
Alles in allem ein Repertoireabend auf hohem Niveau, der Lust darauf machte, sich diese Inszenierung noch öfter anzusehen.
Gisela Schmöger

 

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