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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: LA TRAVIATA

Magie und Kindergarten

11.10.2018 | Oper

München: “La traviata” – Bayerische Staatsoper, 09.10.2018 – Magie und Kindergarten


Ein Moment höchster Dramatik: Alfredo beschimpft Violetta. Mit Pavol Breslik (Alfredo), Galeano Salas (Gaston), Christian Rieger (Baron Duphol), und Kristina Mkhitaryan (Violetta)  © Wilfried Hösl

Zwei magische Momente gibt es in der ansonsten durchwachsenen zweiten Aufführung dieser Repertoire-Sequenz von La Traviata: der erste im Duett Violetta-Germont im zweiten Akt, der andere, noch intensivere, ebenfalls in einem Duett: dem zwischen Violetta und Alfredo im Schlussakt. In beiden verschmelzen die Stimmen der Sänger zu einer wunderbaren Einheit, zu einem Moment der emotionalen Wahrheit, der ewig andauern könnte.

Als Violetta brilliert die junge Russin Kristina Mkhitaryan mit warmem, dunkel timbriertem Sopran und superber Technik, die es ihr ermöglicht, die langen Melodiebögen wunderbar auszusingen. Sie beginnt vielleicht einen Tick zu robust im ersten Akt, zu wenig dynamische Differenzierung, aber im zweiten und dritten Akt verwöhnte sie die Ohren mit wunderbaren, tief empfundenen Piani und leuchtenden Höhen. Dazu kommt eine seltene Natürlichkeit des Spiels, kapriziös im ersten Akt, nobel im zweiten und herzergreifend im dritten.

Pavol Breslik als Alfredo beginnt mit verhaltener Emotionalität und kleineren Problemen beim Messa di Voce im Registerübergang – das ist allerdings auch eine der schwersten Übungen für Sänger. Diese kleinen Unsicherheiten geben sich im Laufe des Abends und er überzeugt in den mit metallischer Stimme gesungenen Forte-Ausbrüchen des 2 Aktes ebenso wie am Ende, wenn er mit Kristina Mkhitaryan im berückenden Piano und wunderbar phrasierend die Zukunft, die es für beide ja nicht geben wird, besingt. Ein Moment ganz großer Oper.

Die dritte Person in diesem Kammerspiel, die ambivalente Vaterfigur des Giorgio Germont, wird von Vasily Ladyuk stimmlich recht eindimensional dargestellt, bis dann dieser erste magische Moment passiert, im Duett mit Violetta. Dort findet auch er zu differenzierter Dynamik und Gestaltung. Er hat einen kräftigen, wohlklingenden Bariton, der in der Höhe und im Piano wird die Stimme aber etwas spröde.

Vielleicht liegt es ja auch am robusten Dirigat von Keri-Lynn Wilson, dass sich der Zauber zunächst nicht einstellen will. Für den Beginn des Vorspiels hat Verdi ein dreifaches Piano notiert, im Brindisi steht für die Begleitung oft Pianissimo, Vorgaben, die in dieser Vorstellung nicht oder nicht immer umgesetzt werden. Wo Verdis Musik schweben sollte, hüpft sie. Sehr schön dann aber das ätherische Vorspiel zum dritten Akt.

Was den Kindergarten angeht: das Publikum im Parkett ist in dieser Aufführung schrecklich. Es wird geschwätzt und gehustet, was das Zeug hält, natürlich zielsicher an den leisesten Stellen. Bonbons werden so ausgewickelt, dass das Knistern möglichst lange stört, manche bringen ihr Pausengetränk mit in den Zuschauerraum, und – das Schlimmste – einer Person hat die Vorstellung so viel Spaß gemacht, dass sie die wunderbaren Melodien lustig mitsummt. Gottseidank hört das im Laufe der Vorstellung auf, sodass als letzter Eindruck die wunderbaren Stimmen von Kristina Mkhitaryan und Pavol Breslik bleiben.

Susanne Kittel-May

 

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